Archiv der Kategorie: Gesellschaft

27.2. – Lebensmittelpreise, Gerrymandering, Rente, Antville

Bevor das viele Lesefutter noch länger hier herumliegt und anfängt, merkwürdig zu riechen, kommt es auf den Tisch.

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Nicht völlig überraschend korreliert in den USA die Zahl der Selbstmordversuche von Schülern, die lesbisch, schwul oder bisexuell sind, mit für diese Gruppe relevanter Gesetzgebung des jeweiligen Staats, insbesondere zur gleichgeschlechtlichen Ehe: Suicidal Teens – Marriage Laws. Auch deshalb muss beim derzeitigen Backlash in den USA, wonach z. B. trans Menschen (darunter sind auch Kinder) kein ihnen entsprechender und für sie sicherer Toilettenbesuch mehr erlaubt wird, Schlimmes befürchtet werden.

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Ein Stück, das sich mit der Bedeutung von Lebensmittelpreisen für Geringverdiener auseinandersetzt und der – wenn nicht offen nach unten tretend, dann doch mindestens gedankenlosen – Forderung vermögender Bürger, Essen müsse viel mehr Geld kosten:

Natürlich greift in der „oberen Mittelschicht“, wie Marieluise Beck das Milieu klassifiziert hat, auch das Engelsche Gesetz. Der „Weil ich es mir wert bin“-Kollwitzplatz-Gänger kann sich die teureren Lebensmittel nicht nur leisten, er gibt gleichzeitig auch einen kleineren Einkommensanteil als der Prolet aus Hohenschönhausen fürs Essen aus. Dabei hält man sich – Sarah Wiener lässt schön grüßen – auch noch für ein Vorbild, „wenn nur alle sich so bewusst wie ich ernähren würden“ gäbe es keinen Klimawandel mehr, auch würde die Ausbeutung des Menschen verschwinden und niemand mehr schlägt den Robbenbabys den Schädel ein.

Etwas, das mich auch schon seit längerem beschäftigt: wie sehr die Bilder und Geschichten vom Gesundsein, richtiger Ernährung und Lebenswandel, die wir und die Medien uns erzählen, von sozialer Selbstvergewisserung und Abgrenzung nach unten geprägt sind. Egal, ob dahinter im Einzelfall offene Verachtung von finanziell schlechter Gestellten steht oder nur privilegienvergessene Ignoranz.

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Gerrymandering. Komisches Wort, benannt nach einem US-Politiker, der schon vor über 200 Jahren erkannte, wie man seinen Erfolg unter einem Mehrheitswahlrecht mit einem, sagen wir, etwas kreativeren Zuschnitt der Wahlkreise etwas auf die Sprünge helfen kann. Hier eine Grafik, die den Effekt schön illustriert:

Unfassbar, nicht? Auf der englischsprachigen Wikipediaseite gibt es auch echte Beispiele mit Landkarten. Gerade in den vergangenen Jahren haben wohl vor allem republikanisch geführte Bundesstaaten keine Skrupel gezeigt, mit Hilfe von Statistik und Software immer groteskere Formen noch so eben zusammenhängender Wahlkreise zu ziehen, durch die sie die Stimmkraft traditionell Demokraten wählender Gemeinden abwerten konnten.

Jetzt gibt es eine Mathematikprofessorin, die dieser obszön undemokratischen Praxis mit Geometrie begegnen will, und die offenbar recht erfolgreich ihre Zunft mobilisiert, um Definitionen für gute, kompakte Wahlkreise zu finden. Das heißt wissenschaftlich basierte Definitionen, die aber letztlich so einfach sein müssen, dass auch Gerichte sie verstehen und anwenden können. Spannend. Oder anders gesagt: Du weißt, dass du es ganz schön verbockt hast, wenn sich Mathematiker*innen gegen deine Politik verbünden.

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Der Papapelz mit guten Punkten, was an unserem irgendwie als gottgegeben hingenommenem System von Arbeit und Rente nicht stimmt:

ich versage mir ein leben nach meinen vorstellungen, um das verfügbare gehalt zu maximieren und private vorsorge zu ermöglichen.
ich versage mir empathie und fürsorge – die bringen kein geld (und wenn sie es tun, muss fürsorge gewinnbringend wirtschaftlich funktionieren).
ich versage mir ein generationenübergreifendes miteinander: arbeiten wie der deibel, um die pflege angehöriger oder die fürsorge des nachwuchses (kita und co. lässt grüßen) finanziell zu ermöglichen, aber kaum noch zeit für die familie haben.
und – in meiner wahrnehmung am einschneidensten – ich unterdrücke die eigene motivation zugunsten der wirtschaftlichen integration in das system gewinnorientierter erwerbsarbeit, und verspreche mir davon, dafür in einem nebulösen ’später‘ entschädigt zu werden.

Wie könnte ein alternatives Modell von Arbeit, Care-Arbeit in der Familie und Altwerden aussehen, das ich selbst gerne leben würde? Ich glaube, das ist guter Stoff, um weiter darüber nachzudenken.

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Ein Typ hat mit Hilfe von Musikdatenbanken, Audio- und Textanalysesoftware die Traurigkeit aller Songs von Radiohead bestimmt und visualisiert. Was für eine beknackte, schöne Idee. Wie man oben sieht (nicht auf den Pfeil klicken, das ist nur ein Screenshot), sticht das neue Album, das ich eines ihrer besten finde, als besonders schwermütig hervor. Tja. Aber Radiohead sind nicht nur was für altgewordene Emos wie mich, die können auch anders! Nehmen wir die Analyse zuhilfe und spielen wir im Gegenzug einfach den allerlustigsten, lebensbejahendsten Radiohead-Song!

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In my view, the main reason for the uneven management sex ratio is our inability to discern between confidence and competence. That is, because we (people in general) commonly misinterpret displays of confidence as a sign of competence, we are fooled into believing that men are better leaders than women.

Ob es der main reason ist, kann man sicher diskutieren, aber es ist sicher ein wichtiger: Warum oft ausgerechnet die mit den geringsten Führungsqualitäten ganz nach oben gefördert werden. Und damit zusammenhängend: warum es eher Männer sind.

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Es ging politisch zu, aber niemand hatte die Ambition, Leitartikel zu schreiben. Es ging privat zu, aber alle wussten sehr genau um die Grenze, die das, was nur den Therapeuten angeht, von dem trennt, was an den Regungen im eigenen Bezirk, an den eigenen Verletzungen und Verletzlichkeiten für die Mitlesenden in ihren eigenen Bezirken bewegend und erhellend
sein kann – was nicht heißt, dass man diese Grenze nicht hin und wieder verletzte.
Es ging albern zu, aber das Feine und das Grobe ließen sich meistens gut trennen.

Ein Instagram aus Sprache: In einem Artikel im Merkur [PDF] lässt Ekkehard Knörer die Anfänge der Weblogszene in Deutschland Revue passieren, insbesondere auf Antville. Eine Breitseite Nostalgie für jemanden wie mich, der seit Ende 2004 Zaungast bei vielen der im Artikel genannten Blogs war. Schwer in Worte zu fassen, wie anders die Social-Media-Welt heute im Vergleich zu früher ist. Wie sich dieses ganz eigene Dorf im Netz damals angefühlt hat. Wie vielfältig, experimentell, verzankt und doch verschworen die Antville-Gemeinde immer wirkte. Und neben dem Verfolgen der vielen tollen, inzwischen meist eingeschlafenen oder weitergezogenen Blogs und der Leute dahinter, hat es mir auch lange Jahre Spaß gemacht, mich an offenen Gemeinschaft-Foto-Blogs wie z.B. meine kleine stadt, mach doch mal was mit tieren oder Schilderbilder zu beteiligen, etwas, dessen minimalistischer Reiz es heute zugegebenermaßen schwer hat gegen gestylte Apps und weltweite Plattformen wie Twitter und Instagram, oder – falls man überhaupt noch eins hat – im Zweifelsfall auch das eigene Blog.

19.02. – Frühling, Pelzig, Marmelade

Die Tage werden spürbar länger und mit ihnen kehrt meine Energie zurück. Morgens singen wieder die Vögel, und ich habe den Eindruck dass die eine oder andere Art auch schon turtelt und erste Nestbaudiskussionen führt. Wenn dann noch der Bodennebel die Felder in sonniges Pastell taucht, sind die düsteren Gedanken des Januars vergessen.

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Am Dienstagabend Erwin Pelzig aka Frank-Markus Barwasser mit seinem neuen Programm gesehen. Ich halte ihn ja für einen der besten politischen Kabarettisten Deutschlands. Seine drei Figuren Hartmut, der biertrinkende Prolet, Dr. Göbel, der altmodische Bildungsbürger und der quirlige Pelzig, der ununterbrochen versucht, sich einen Reim auf die Nachrichten und Fakten dieser Welt zu machen zwischen denen er so perfekt wechselt, dass man selbst als Zuschauer vergisst, dass da nicht drei verschiedene Menschen am Tisch sitzen. Die unglaubliche Fülle an Personen und Fakten, viele tagesaktuell, die er in sein mehr als zweistündiges Programm einbaut. Seine spitzbübische aber immer liebevolleArt, das Publikum einzubeziehen. Das Stakkato von Pointen und urkomischen Vergleichen, bei dem man aus dem Lachen kaum herauskommt.

Auch andere Kabarettisten nehmen Politiker und unsere modernen Marotten gut aufs Korn. Was Pelzig in meinen Augen besonders macht, ist wie er unter dem Spaß immer auch eine tiefere Ebene einzieht und das Lebensgefühl der Zeit spiegelt. In seiner Figur Pelzig steckt unter der ganzen rotzfrechen Aufmüpfigkeit und Albernheit ein Mensch, dem die Ungerechtigkeiten der Welt keine Ruhe lassen. Und man merkt, dass Barwasser/Pelzig die Gegenwart mehr als in früheren Programmen zu schaffen macht. Er spricht es zu Anfang aus: Man möchte an der Zeit schier verzweifeln. Emotionaler Höhepunkt des Abends ist dann auch ein unerwarteter Ausbruch des sonst immer um Fassung bemühten Dr. Göbel; über Minuten steigert er sich in eine Litanei von tausend Dingen, die man täglich entscheiden solle, und wie er nicht mehr ertrage, dass egal was man tue, man immer gleich auch Schuld auf sich lade, und sei es nur mit der Entscheidung, ein Hemd zu kaufen.

Doch im Gegensatz zu beispielsweise einem Hagen Rether, nach dessen Programm man sich angesichts dieser Welt nur noch die Kugel geben möchte, findet Pelzig eine positive Schlussnote: „Kein Arschloch sein. Den Hass einfach nicht zurückgeben.“ Und mit leicht trotzigem Optimismus: „Vielleicht verzweifelt ja dann am Ende die Zeit an uns.“

Geht hin, es lohnt sich.

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Schon das allererste dieser Trump-Videos unter dem Hashtag #everysecondcounts fand ich nur mäßig lustig. Die Grundidee „America first  aber dann lass XY die zweiten sein!“ ist schon unwitzig, dann die schlechte Sprechimitation, die Wiederholung rassistischer und sexistischer Witze (natürlich nur im Namen Trumps!) und so wurde es auch noch für alle möglichen Länder wiederholt, dann Regionen, dann Landstriche… nervig.

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Am Samstag ein halbes Jahr Korrespondenz sortiert und veraltete Dokumente und Rechnungen entsorgt. Heute nach der Kirche die Sonnenstunden am Nachmittag dazu genutzt, das Laub im Garten zusammenzufegen (ja, so lange habe ich nichts mehr für den Garten getan), ein paar Sträucher beschnitten, einen völlig uferlos gewucherten Efeu in die Schranken gewiesen (der dummerweise ein paar senkrechte Steinplatten von der Terrassenseite gesprengt hat), vier große Säcke Gartenabfälle gefüllt und vermutlich etwas Muskelkater bekommen. Dann Grünkohl mit Pfeffer-Birnen gekocht (aus Deutschland Vegetarisch), was raffinierter schmeckt als die einfachen Zutaten glauben lassen und auch Zeit braucht, wie man sie nach einem Bürotag eher nicht aufbringt. Lecker.

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Die Orangenzeit geht zuende. In den vergangenen Jahren bekamen wir über die Schwägerin immer mal eine ganze Kiste Zitrusfrüchte aus Italien, hauptsächlich aromatische gelbe Orangen. Diesmal haben wir einfach normale Orangen und Blutorangen gekauft, ein paar bio für die Schale, und die Möwe hat mal wieder eine Batterie von Gläsern gefüllt, deren Duft das Wohn-Ess-Zimmer füllt und deren Deckel jetzt einer nach dem anderen mit einem lauten Klack ausreichenden Unterdruck melden. Ich muss es gar nicht so englisch-bitter haben, ich bin auch mit Gelee aus normalen Orangen glücklich. Hauptsache es ist gut Ingwer drin.

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Zum Abschluss noch ein bisschen Lesefutter.

Wikipedia went from people writing an encyclopedia to people writing rules about writing an encyclopedia.

Eines von vielen kleinen Spotlights der letzten Zeit, die kein gutes Licht darauf werfen, wie die Wikipedia-Gemeinschaft mit ihren Artikeln und deren Ersteller*innen umgeht.

These new False Markets only resemble true markets just enough to pull the wool over the eyes of regulators and media, whose enthusiasm for high tech solutions is boundless, and whose understanding of markets on the Internet is still stuck in the early eBay era of 20 years ago.

Anil Dash über offene Märkte, gezinkte Märkte und Pseudomärkte im Netz, und warum es gefährlich ist, alle digitalen Umbrüche unkritisch zu feiern.

Manchmal hilft einem auch der Zufall. Ein Mann in der Runde bekommt zufällig heftiges Nasenbluten – und schon lässt sich Menstruation nicht mehr als etwas Unsauberes und Unheimliches verklären, sondern wird zu einer sich monatlich wiederholenden Körperfunktion. Der Mann, der mit einem Tampon in der Nase vor mir sitzt, ist begeistert von dessen Saugkraft.

Fr. ReadOn vermittelt Flüchtlingen Sexualkunde.

„Dresden. Modernes Pompeji.“ Das schreibt der Jude Klemperer […] dieser Satz ist das Wahrste was je geschrieben wurde über Dresden. Die Zerstörung Dresdens begann doch wie die Pompeijs nicht mit dem Knall der ersten Bomben, sondern als feiner Haarriss im Jahr 1933, zog sich langsam durch die Mauern, bis dann alles zerbarst in dem unfasslichen Schrecken jener Februarnacht.

Fr. ReadOn nimmt in einem sehr persönlichen Text den Opfermythos Dresdens auseinander.

Man möchte ohnehin ständig verlinken, was Fr. ReadOn schreibt, und angesichts eines Blogarchivs von drei Jahren frage ich mich schon, warum ihr mich nicht viel früher auf ihr Blog aufmerksam gemacht habt. Ts.

11.02. – Rassismus, Trump, Kriminalistik

In den vergangenen Tagen sind mir jede Menge lesenswerte Beiträge vor die Füße gelaufen.

Die amerikanische Feministin Ijeoma Oluo mit einer flammenden Aufforderung an Weiße, sich endlich ihres eigenen Weiß-Seins und der damit verbundenen Kultur und Geschichte bewusst zu werden. Denn ein Hauptproblem weißer Kultur ist, dass sie sich selbst als so normal betrachtet, dass sie für Weiße nicht einmal als solche sichbar ist, und damit auch der Rassismus aus ihrer Wahrnehmung verschwindet.

Find yourselves white people. Find yourselves so that you can know what whiteness is. Find yourselves so that you can determine what you want whiteness to be. Find yourselves so that you can stop your loved ones from voting for a definition of whiteness that you no longer want to subscribe to. Find yourselves so that racism no longer surprises you.

Der Schweizer Bruno Ziauddin darüber, wie sich Rassismus in der Schweiz für ihn über die Jahrzehnte hinweg angefühlt hat, und nach einer Zeit beendet geglaubter Feindlichkeit offenbar wieder aufflammt. Sehr differenziert und nicht nur gegen rechts:

So wie es Antisemitismus von links gibt, gibt es auch Rassismus von links. Wobei Rassismus möglicherweise ein zu starkes Wort ist. Es geht eher um paternalistischen Dünkel. Um die sehr klare Vorstellung davon, wie eine Person mit Migrationshintergrund zu sein hat und welche Rollen ihr zustehen. Und um die ebenso klare Vorstellung, wie über Personen mit Migrationshintergrund geredet und geschrieben werden soll, wie diese in Filmen, Zeitungen und Büchern dargestellt gehören (wichtigste Regel: keine Witze, nichts Negatives). Im Zentrum dieser Vorstellung steht der Migrant als Opfer – als bedürftiges Wesen, dem es die Hand zu reichen gilt und der diese Hand doch bitte dankbar ergreifen möge.

Wehe aber, der Migrant weigert sich, den ihm zugeschriebenen Part zu übernehmen. Dann werden die besonders Rigorosen unter den Ausländerfreunden rasch aggressiv. Das habe ich bei eigenen Texten erlebt, die sich dem Opfernarrativ verweigerten, das erfahren derzeit deutschsprachige Autorinnen und Autoren mit muslimischem Hintergrund, die sich kritisch mit dem Islam auseinandersetzen und die hier lebenden Muslime für ihr Handeln und Sprechen in die Verantwortung nehmen, statt sie zu willenlosen Statisten und Opfern der Umstände zu degradieren.

Ein kleines Diagramm rassistischer Haltungen und Politiken, die nicht immer so offensichtlich wie N-Witze daherkommen.

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Auch in der vergangenen Woche kam man an Trump natürlich nicht vorbei, und weil sein autokratischer Regierungsstil grundlegende Fragen zu Demokratie, Staatsmacht und Minderheitenschutz berührt, wird sich das wohl auch nicht so bald ändern. So wenig die Person Trump selbst für Europa relevant genug sein mag, um sich ständig mit ihr zu beschäftigen, so sehr sind es doch die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen, für die er steht. Zum Beispiel halte ich den Rassismus, der sich z. B. im amerikanischen Justizsystem und dem Umgang mit Einwanderern und Flüchtlingen ausdrückt, alles andere als nur ein „interkulturelles Problem der USA“, wie man in deutschen Leitartikeln lesen darf, sondern als Symptome und Auswüchse von Haltungen und gesellschaftlicher Ordnung, wie sie im weißen Europa genauso existieren. Siehe oben.

Trumps Regierung ist nicht die Erste, die Minderheiten zu Sündenböcken macht, die Gewaltenteilung missachtet oder lügt. Sarah Kendzior in wütenden Worten:

But as Lincoln’s letter reminds us, this has always been America. We have always vacillated between lofty precepts on paper and the refusal of white men to apply them in practice. This refusal has resulted in slavery of African Americans, genocide against Native Americans, internment camps for ethnic minorities. It has also systematically denied most of the population the right to vote over most of our history, rationalized discrimination against and banning of immigrants on racial and ethnic lines, and shored up segregation and Jim Crow. Today, this same white male authoritarian outlook fuels a prison and police system that disproportionately targets non-white citizens.

Ein ruhiger Artikel im Atlantic listet ebenfalls auf, wie auch schon vergangene U.S.-Regierungen die Öffentlichkeit belogen, das Parlament umgangen oder das Justizsystem missachtet hatten und fährt fort:

Authoritarianism lies not in any individual presidential action but in the patterns of action that emerge over the course of a presidency. Lincoln and Eisenhower and all the others I’ve just named were committed small-d democrats. Their excesses were exceptional or occasional. Unlike Nixon, they did not engage in concerted efforts to undermine the integrity of the Constitution or the government. Moreover, and more important, when excesses did happen, the rest of the system usually pushed back, usually successfully. Whether any particular presidential action, or pattern of action, is authoritarian thus depends not just on the action itself but on how everyone else responds to it.

So betrachtet der Autor bei allem Ernst der Lage mit verhaltenem Optimismus, wie sich spätestens seit Nixon jede Menge zivile Strukturen gebildet haben, um amerikanischen Regierungen auf die Finger zu schauen und zuweilen auch in die Schranken zu weisen:

Nixon’s gift to American democracy was to inadvertently establish the infrastructure that will contain Trump. The harder he pushes to stretch or violate the law, the more he’ll be swarmed. As a result, where Nixon-style illegality or naked power grabs are concerned, I’m optimistic that the constitutional framework will hold.

Wo wir bei Trump sind, diese beiden Karikaturen zur vermuteten Abhängigkeit Trumps von seinem Berater Bannon sind einfach zu großartig: eins / zwei.
(Leider konnte ich die jeweiligen Urheber nicht finden.)

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Etwas ganz anderes: Kriminalistik. Da haben wir zunächst den Bericht über einen Mann, der unentdeckten Serienverbrechen mit Hilfe von Statistik-Software auf den Pelz rückt. Was die verantwortlichen Polizeidirektionen offenbar nicht immer so toll finden.

In 2004, Hargrove’s editors asked him to look into statistics surrounding prostitution. The only way to study that was to get a copy of the nation’s most comprehensive repository of criminal statistics: the FBI’s Uniform Crime Report, or UCR. When Hargrove called up a copy of the report from the database library at the University of Missouri, attached to it was something he didn’t expect: the Supplementary Homicide Report. “I opened it up, and it was a record I’d never seen before,” he says. “Line by line, every murder that was reported to the FBI.”

This report, covering the year 2002, contained about 16,000 murders, broken down by the victims’ age, race, and sex, as well as the method of killing, the police department that made the report, the circumstances known about the case, and information about the offender, if the offender was known. “I don’t know where these thoughts come from,” Hargrove says, “but the second I saw that thing, I asked myself, ‘Do you suppose it’s possible to teach a computer how to spot serial killers?’ ”

Und dann der Fall russischer Banden, die das „pseudo-“ in „pseudo-Zufallszahl“ für sich zu nutzen wussten und mit einer raffinierten Kombination aus Labor-Dauertests, unauffälligen Spielern und einer eigens programmierten App erfolgreich in die Lage kamen, die Ergebnisse bestimmter Glücksspielautomaten vorherzusagen. Sehr spannend.

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Wie man mit einer kleinen, nichts kostenden Entschuldigung eine Streitsituation entschärft: Deeskalation.

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Die Preisträger eines Drohnenfotografie-Wettbewerbs. Großartig. Hinter „Gallery“ verbergen sich noch mehr tolle Aufnahmen.

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Zum Abschluss ein Video fürs Herz. Könnte man sich vor Augen halten, wenn man gerade wieder dabei ist, Menschen in getrennte Schubladen zu sortieren, ob nun Land- vs. Stadtbevölkerung, soziale Schicht oder was auch immer:

27.1. – Emojis, Twitterdiplomatie, Urfaschismus

Ich: *hustet sich nen Wolf*
Wolf: *steht auf, schaut vorwurfsvoll und trottet kopfschüttelnd davon*

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mopsfidel, aber als Hundevioline

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Emojis. Zwei Quadratmillimeter Bedeutungsträger. In einer unzoombaren Handy-App, zumal wo ich unterwegs meist keine Lesebrille auf habe, oft unentzifferbar. Ich bin froh, dass man zumindest im Browser am Desktop die Webseiten bis auf Molekülgröße aufzoomen kann, so entdeckt man zum Beispiel, dass der Smiley mit… laufender Nase? in WIrklichkeit Wut schnaubt. Aber zur Sicherheit lieber nochmal per Mouseover das Tooltip befragen:

Nicht entzifferbares Emoji, soll "triumphierendes Gesicht" darstellen.

„Triumphierendes Gesicht“! Ernsthaft? Ach Kinder, seht mir einfach nach, wenn ich vielleicht mal merkwürdig oder sicherheitshalber gar nicht auf Emojis in euren Nachrichten reagiere. (Gibt es eigentlich ein Seufz-Emoji?)

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Twitter als der Volksempfänger, über den der Führer Staatsoberhäupter die Massen ganz direkt, ähm, informieren, das war natürlich pointierter Quatsch. Andererseits vielleicht auch nicht ganz. Schon als Trump stolz von Taiwans Wahlglückwünschen twitterte und damit China brüskierte, kam ernsthafte Besorgnis auf, dass sein unmittelbarer Zugriff auf dieses Medium noch Kriege auslösen wird. (Ganz abgesehen davon, dass es möglich ist, dass sein offenbar weitgehend ungesichertes Handy längst von fremden Geheimdiensten gehackt wurde.)

Jetzt erweitert sich diese neue Bühne internationaler Konflikte. Vicente Fox, früherer mexikanischer Präsident, versucht Trump in seiner eigenen Arena zu schlagen, und er ist gewieft. Er liefert sich Wortgefechte mit Trump zum Thema Mauerbau an der gemeinsamen Grenze, erfindet mit #FuckingWall einen Hashtag, den PR-Texter nicht griffiger hätten formulieren können, und befragt einfach selbst das amerikanische Volk:

Der frühere mexikanische Präsident Fox macht Twitterumfragen beim amerikanischen VolkDieser Tweet ist eine Lehrstunde in politischer Rhetorik und hat Unterhaltungswert, wie der ganze Schlagabtausch (wenn man kurz die realen Folgen ausblendet, die diese Mauer oder auch nur ein Handelskrieg zwischen den Ländern haben würden). Nur: Wie geht das weiter? Nicht genug, dass aller Voraussicht nach Social Bots und gefakte Profile in diesem Jahr mit Propaganda und Lügen versuchen werden, die Stimmung vor den Wahlen in Frankreich und Deutschland zugunsten von Demokratiefeinden zu beeinflussen, müssen jetzt auch noch hochrangige Politiker ohne mediale Pufferzone die Öffentlichkeiten ihrer Länder in Echtzeit aufwiegeln? Auch wenn es kurzzeitig Freude macht, wenn ein verhasster Politiker in einem Social Network zurechtgestutzt wird, die Entwicklung macht mir allergrößte Sorgen.

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Ja doch, ich lese schon wieder zu viel auf Twitter.

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Umberto Eco hielt 1995 anlässlich des 50. Jahrestags der Befreiung Europas eine Vorlesung, in der er zunächst seine ganz persönliche Erfahrung mit dem italienischen Faschismus erzählt, um schließlich in 14 Punkten Eigenschaften, Propagandaziele und Methoden zu beschreiben, die sich in der einen oder anderen Form in den meisten totalitären Regimen und Ideologien der Geschichte wiederfinden. Erschreckend zeitlos angesichts der momentanen politischen Entwicklungen, und daher ganz besonders am heutigen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus gut, es zu lesen:

„Urfaschismus“.