Archiv der Kategorie: Gesellschaft

„Welcome to the club“

And then there’s the unrest. In the lead up to the inauguration, we started to hear about youth protests against the new regime. Come on! This is bordering on plagiarism now. Please write your own plots and stop borrowing ours. Although, we usually wait for leaders to take power before we start protesting; we like your preemptive revolution approach.

Der Satiriker Karl Sharro heißt die Vereinigten Staaten im Kreis arabischer Regime willkommen. Was er noch nicht erwähnt: die geplante Rückkehr zur Folter. Aber die Glosse ist ja auch schon vier Tage alt.

 

22.1. Amtseinführung USA, Bullies, Lammnudeln

Ich hatte mir vorgenommen, die Amtseinführung Trumps (Symbolbild) in Washington so weit wie möglich zu ignorieren.  Das wenige, was man davon mitbekam, reichte aber schon, mich in düstere, bleierne Stimmung zu versetzen. Um so hoffnungsvoller stimmen die Millionen von (vor allem) Frauen*, die gestern mit Protestmärschen in amerikanischen Städten und weltweit ein Gegengewicht setzten und klar machten, dass der Frauenhass, der Rassismus und allgemein die Menschenverachtung, wofür die neue amerikanische Regierung steht, nicht einfach hingenommen werden. Auch in der Presse scheint der Kampfgeist zu wachsen.

(Was es heißt, wenn eine Regierung offen lügt so wie der amerikanische Pressesprecher nach den Protesten gestern, dröselt dieser kurze Text auf. Leider nur als Screenshot.)

Ansonsten kann ich die von Fr. Kaltmamsell verlinkte Reportage über die Briefstelle des Weißen Hauses empfehlen. Ein tröstlicher und eigentlich sehr demokratischer Gedanke, dass es einen solchen direkten Kommunikationskanal von ganz unten nach ganz oben gibt und wenn auch nur die Wenigsten eine persönliche Antwort erhalten können, die Geschichten und Anliegen der Bürger nicht ungehört bleiben.

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Ein englischer Hobbyfotograf hat in den 80ern jede Menge Menschen in seiner kleinen Stadt fotografiert. Jetzt, Jahrzehnte später, hat er die Leute auf den Bildern gesucht, viele von ihnen wiedergefunden und an den gleichen Orten noch einmal abgelichtet. Ich mag solche Projekte.

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Jens und Christian mit zwei unabhängigen Beiträgen zum Thema Filterblasen, Bullies:

Wie konnte das, was das Internet zur Vielfalt beigetragen hat, verloren gehen und zu seinem Gegenteil gedreht werden? Wie konnte es passieren, dass Menschen in den Diensten, die mal für Empowerment und Pluralismus standen, heute so massiv Hass und Häme entgegenschlägt, sobald sie wagen, etwas zu sagen?

Eine Erklärung meinerseits dafür ist: Weil das der Mainstream ist. Er war so und ist so. Egal, wie sehr wir dachten, ihn überwunden zu haben. Haben wir nicht, wir waren nur lange an einer Stelle, in dem der Mainstream nicht die Deutungshoheit hatte. Jetzt gewinnt er ihn gerade zurück, auch im Internet. Das ist auch nicht neu, es gibt Stellen, da hat er sie schon seit Jahren: Zum Beispiel in den Kommentarspalten der Massenmedien.

und der Dynamik, die ihre Opfer zuweilen erfassen kann:

Spricht man sie aber z.B. darauf an, wenn man von ihnen mal schlecht behandelt wird oder aber übt man an dem was und wie sie es tun Kritik, dann rufen sie: Aber wir sind doch die Nerds, die Alternativen, die Unterbezahlten, die Alleinerziehenden, kurz: die Anderen, wir sind doch die Opfer! Wir sind doch die, die immer leiden mussten! Wir können doch gar nicht unfreundlich sein, wir können per Definition kein Hatespeech sprechen, unsere Tweets sind immer gut und richtig, unsere Taten immer strahlend gut. Und dabei ist es egal, ob man sie auf ihre neue Brille oder ihr StartUp, ihre Haarfarbe oder ihre Partei anspricht: Sie fühlen nicht die Frage oder Kritik von heute sondern den Angriff von damals und schießen entsprechend heftig zurück.

Sehr lesenswert.

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Angestachelt von Claudio / Anonyme Köche und seinem Lobgesang auf ein Gericht mit selbst gemachten Nudeln und ewig geschmortem Lamm haben wir es ihm nachgetan. Gestern durfte die kleine Lammkeule (1,2 kg) sieben Stunden lang im Bräter schmoren, zusammen mit etwas Gemüse, Kräutern, Wein und Olivenöl, und schon der Duft in der Wohnung war atemberaubend. Das Fleisch fiel anschließend buchstäblich vom Knochen, saftig und vollmundig, göttlich. Dazu hat die Möwe heute aus Hartweizenmehl Malloreddus gemacht (sardische Gnocchi), und zusammen mit Kichererbsen  als Ersatz für Platterbsen aus dem Rezept, die wir nicht auftreiben konnten wurde ein herzerwärmendes Sonntagsgericht daraus.

14.1. – Sturm, Curry Houses und Frauensachen

Was für ein Sturm gestern. Hätte ich am Donnerstag meinen Rechner nicht im Büro gelassen, wäre ich im Home-Office geblieben, anstatt mit beiden Händen fest am Lenkrad über die Autobahn zu eiern.

(Soundtrack: Flatternde Fahnen vor der Firma)

Es brauchte dann im Büro auch nur zwei, drei Ausfälle von Telefon und Netz (irgendwie haben sie die Technik im neuen Gebäude noch nicht im Griff), um mich wieder auf den Heimweg zu machen und den Rest des Tages vom Esszimmertisch aus zu arbeiten. Hatte ich mir sowieso vorgenommen öfter zu tun, vor allem wenn wenig Meetings und hauptsächlich Dokumentenarbeit anstehen.

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Im Guardian ein sehr langer, interessanter Beitrag über Aufstieg und langsamen Abstieg der britischen Curry Houses in den vergangenen 50 Jahren. Es geht um Migrationsgeschichten über mehrere Generationen, um kulinarische Weltoffenheit, die Frage, wie authentisch eine Küche sein kann, um Brexit und die Veränderung von Esskultur und Gesellschaft an sich.

The curry house taught a white population that was eager to shed its colonial past to relinquish an earlier generation’s suspicion of garlic and chilli. For a while, curry lovers could tell themselves that openness about spice was a form of cultural broad mindedness. But the curry house’s current predicament shows that a national attachment to Indian food did not necessarily extend to the people who made it.

Eigentlich wollte ich ausführlicher darauf eingehen, aber Fr. Kaltmamsell hat das schon hervorragend getan und dazu versucht, Parallelen zum deutschen Döner zu ziehen.

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Hase auf verschneiter Wiese, mit leicht verschneitem Fell

Schneehase

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Auf Reddit hat jemand Männer gefragt: „Was würdet ihr tun, wenn es nicht als so feminin oder gesellschaftlich inakzeptabel gälte?“

Viele Antworten drehen sich um Körper und Kleidung: Ausführliche Hautpflege. Schaumbäder. Nagellack. Makeup gegen Augenringe. Nach Blüten und Früchten duften. In bequemen Leggins rumlaufen. Laser-Haarentfernung am Po. In weiblichen Posen sitzen. Handtaschen. Anale Stimulation mögen. Beine rasieren. Sein Baby an der Brust stillen. (Okay, das scheitert wohl öfter an körperlichen als gesellschaftlichen Hürden. Aber den Wunsch kann ich gut verstehen.)

Aber auch: Stricken. Nähen. Quilten. Häkeln. Dinge lautstark süß finden. Bei der Partnerin einkuscheln. Sich über Frauenkleidung unterhalten. Fruchtige Drinks. Über die Schönheit von Männern reden. Zu seinem Faible für romantische Liebesgeschichten stehen. Frauen Komplimente machen, ohne dass es als Flirten verstanden wird. Nicht für das Funktionieren alles Technischen verantwortlich sein. Nicht interessiert tun müssen, wenn andere über Sport reden. Um Hilfe fragen. Offen verletzlich oder schwach sein. Über schwierige Dinge reden. Vor anderen weinen.

Die traurigsten Antworten sind sicher: Vorschulkinder unterrichten dürfen, arglos (fremde) Kinder anlächeln und mit ihnen interagieren zu dürfen.

Was würde ich selbst tun? Was mir spontan einfällt ist, wie sehr ich Frauen jeden Sommer darum beneide in luftigen Kleidern herumlaufen zu können und keine geschlossenen Schuhe, Socken, lange Hose und Hemd tragen zu müssen. Ansonsten bilde ich mir ein, viele der genannten Dinge ohnehin zu tun, wenn mir danach ist bzw. wäre. Nun gut, Kosmetik oder Handarbeiten waren eh noch nie so mein Ding, aber ihr habt keine Ahnung, wie leicht man mich zum Weinen bringt. Oder wie gerne ich Kleidung und Schmuck für die Möwe aussuche oder aussuchen helfe. Ich selbst bin jetzt keiner, der besonders toll mit kleinen Kindern umgehen kann, aber über den Argwohn, mit dem man Männern begegnet, die gerne mit (fremden) Kindern reden und spielen, würde ich mich allerdings auch dann nicht hinwegsetzen wollen.

Ich hadere nun schon ein Leben lang mit Männlichkeitsbildern; bei so lustigen Internet-Umfragen wie Which <fictional character> are you? werde ich auch regelmäßig als weiblich gedeutet. Das zu akzeptieren wurde mit der Zeit aber immer leichter; inzwischen bin ich sehr gerne Mann, auch wenn ich in mancherlei Hinsicht nicht den Männlichkeitsidealen entspreche. Vielleicht ein Vorteil, wenn man älter wird und lernt, die vorgegebenen Rollen irgendwann nicht mehr für bare Münze zu nehmen:

Tweet: "Es gibt keine positiven 'männlichen' oder 'weiblichen' Charaktereigenschaften, die nicht allen Geschlechtern gleich gut stehen. #infotweet", giardino 24.08.2013

(Und natürlich ein Vorteil, wenn man cis ist und von anderen eindeutig als (heterosexueller) Mann gelesen wird.)