von Scarp nach Barra, über Leverburgh, Rodel, Loch Euphoirt, Eriskay und Mingulay
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Über Leverburgh und Rodel nach Loch Euphoirt
Am nächsten Tag mussten wir zunächst einmal Frischwasser für Duschen und Toiletten auffüllen fahren, weil die Meerwasser-Aufbereitungsanlage an Bord wohl irgendwie kaputt war. Dazu fuhren wir nach Leverburgh, einem kleinen, eher uninteressanten kleinen Hafen von South Harris. Während das Schiff Wasser tankte, hatten wir zwei Stunden frei, die wir dazu nutzten, im Sonnenschein eine etwas längere Runde in den Ort zu spazieren, der eine Meile vom Hafen entfernt lag. Im Supermarkt kauften wir etwas Schokolade und ein Eis (interessant: es gab z. B. Cornetto Mint und Magnum Peanut Butter – hier auch eher unbekannt) und sahen auf dem Rückweg sogar einen Seeadler weit oben, vor dem eine aufgeregte Möwe laut warnte. Weiter ging es mit dem Schiff nach Rodel, wo eine der ältesten und bedeutendsten Kirchen der Hebriden steht, die St. Clements Church. Nach diesem Landgang schließlich schipperten wir am Sound of Harris vorbei südlich bis nach Loch Euphoirt, einem der vielen vom Meer gespeisten Seen auf North Uist. Das Wetter war inzwischen kühl, windig und sehr dunkelgrau geworden, so dass der menschenverlassene Loch mit seinen großen Fischzuchtkäfigen, in dem massig Lachse herumpeitschten, etwas sehr Unheimliches bekam. Es gab eine ganze Menge Robben, die aber von ihren Felsen verschwanden, als wir mit dem Schiff in der Nähe ankerten. Die Nacht über pfiff der Wind und wir wurden immer wieder wach, weil die Ankerkette knirschte und gegen den Bug schlug.
Tag 12: Eriskay
Das Wetter war noch nicht besser; es war fast unmöglich, bei dem Dunkelgrau der Wolken auch nur ein paar Seeschwalben zu fotografieren oder den schönen und einzigen Schwarzhalstaucher weit und breit. Wir näherten uns noch einmal dem inzwischen wieder bevölkerten Robbenfelsen und verließen dann den Loch. Und während wir dort entlangschipperten, tauchten plötzlich, neugierig geworden vom Motorengeräusch, vier Hirsche auf einer Hügelkuppe auf und schauten uns nach. Auf dem weiteren Weg Richtung Süden vorbei an South Uist lockerte die Wolkendecke allmählich auf, und wir kamen in einer Bucht auf Eriskay an, einer kleinen Insel, die mit einem Damm mit South Uist verbunden ist. Alle Briten scheinen irgendwie die Komödie Whisky Galore! zu kennen, dessen Geschichte auf dieser Insel entstanden ist: 1941 lief in der Nähe ein Schiff auf Grund, das 20.000 Flaschen Whisky für den Export in die USA geladen hatte. Die Einwohner bargen die Flaschen, versteckten sie und hielten monatelang die Zollbeamten zum Narren, die verbissen versuchten, an diese Beute zu gelangen. Der Einzige Pub im Dorf heißt wie das gestrandete Schiff, und angeblich wissen sie heute noch, Restbestände des Whiskys aus dieser Ladung aufzutreiben.
Wir hatten Landgang, liefen aber nicht in den Ort wie die anderen, sondern zum weitgehend verlassenen Weststrand und sammelten am Wasser entlang kleine, bunte Muschelstücke. Beim Weiterlaufen um die Felsnase der Insel herum schüttete es heftig; endlich zahlten sich die Regenhosen und -Jacken mal aus. Trotzdem war es ungemütlich, so dass wir in besagtem Pub einkehrten, um etwas Heißes zu trinken, und natürlich auf die vier Brüder unserer Reisegesellschaft zu treffen, die eigentlich immer im Pub bei Bier und Wifi zu finden waren, egal wo wir an Land gingen. Als es draußen aufklarte, liefen wir den gleichen Weg zurück, nicht ohne einem Pulk Sandregenpfeifer und Austernfischer zu begegnen. Am Strand außerdem wieder Raben – ich habe noch nie so viele Raben gesehen wie auf dieser Reise.
Wie jeden Abend wurde der Tag mit einem Dreigängemenü an Bord beschlossen. Ein interessanter Aspekt der Reise waren auch die Essgewohnheiten. Morgens zum Frühstück wurde gefragt, wer Porridge wolle (was immer einige mit Begeisterung bejahten), es gab Obst und Zerealien, frischen Toast, und täglich wechselnd auch Rührei, gebratenen Speck und Würstchen und einmal sogar Black Pudding. Außerdem tendenziell ingwerlastige Marmeladen… pardon, Konfitüren – Marmalade wurde tatsächlich nur die Orangenmarmelade genannt, und das jeweilige Glas war heiß begehrt. Am Vormittag konnte man sich selbst bei Heiß- oder Kaltgetränken bedienen, oft gab es frisch gebackene Scones und Konfitüre dazu. Mittags gab es beispielsweise Quiche oder einen Burger zum Selberbasteln, immer dabei Salat und Kartoffelchips (!), oder eben ein Lunchpaket, wenn wir den Mittag an Land verbrachten. Nachmittags, wenn an Bord, auch wieder Gebäck und Tee/Kaffee, und abends schließlich drei Gänge wie bei uns mit Vor-, Haupt- und Nachspeise. Interessant, dass immer Batterien von Saucen herumstanden und genutzt wurden. Und interessant sogar die Art, mit Messer und Gabel zu essen. Oder schiebt ihr das Essen mit dem Messer auf die Rückseite der Gabel (die man hier ja nur nach oben dreht, wenn man schneidet)? Und der Käsegang nach dem Essen: Es ist schon lustig, wenn man eine kulturelle Eigenart wie die Vorliebe der Engländer für Cracker und Käse aus einem Kinder-Animationsfilm kennt und dann in Wirklichkeit erlebt. Insgesamt machten die gemeinsamen Essen Spaß; wir saßen zwar recht eng auf den Bänken beisammen für eine zusammengewürfelte Reisegemeinschaft, aber die Stimmung war gut und wir verstanden uns.
Abends und nachts hörte man die Seehunde in der kleinen Bucht singen.
Tag 12: nach Mingulay und Barra
Von Eriskay fuhren wir weiter südlich, vorbei an Barra, als das Schiff langsamer wurde. „Shark!“ Draußen zogen Haiflossen neugierig um unser Schiff. Mehrere Minuten lang dachte ich, da wären zwei Haie, ein großer und vielleicht ein junger Hai beim Elternteil, bis ich begriff: Diese beiden Flossen gehören zu ein und demselben Tier. Wahnsinn, was für ein Riese. Und vollkommen friedich; Riesenhaie machen nichts anderes als täglich tausende Kubikmeter Wasser nach Zooplankton zu filtern.
Kurze Zeit später wurden wir wieder langsam. Alles stürzt an Deck: Da hinten, das Schwarze, könnte die Flosse eines… Eimers!? An unserer Gruppe lauter mit Kamera und Fernglas bewaffneter Schiffstouristen dümpelte tatsächlich ein schwarzer Plastikeimer vorbei. Wir lachten uns kaputt, und unser „Bucket Whale“ wurde natürlich fortan zum Running Gag.
Mingulay ist ein Inselchen, auf dem nur zwei, drei Ruinen von lange aufgegebener Bewohnung zeugen. Wobei Rosie, die Lebensgefährtin unseres Skippers, von einer Künstlerin erzählte, die vor einiger Zeit wohl mal ein ganzes Jahr mit einfachen Mitteln verbracht habe. Irgendwo hatte ich gelesen, Mingulay sei eine Art kleines St. Kilda, nur nicht so weit weg, und das traf es ganz gut. Nur ein-zwei Kilometer lang und breit, ging es auch hier mit 273 Metern sehr weit nach oben mit einer der höchsten Felsenklippen Großbritanniens. Die Brutzeit war natürlich auch hier weitgehend vorbei, und als wir in Regenschauern auf den Sattel zwischen den Hügeln hochgestapft waren (Bog Factor 4,5 von 5), waren außer einer Zahl von Großen Skuas keine Vögel zu sehen, aber sie ließen uns in Ruhe. Auf dem Weg nach unten fotografierte ich reflexartig eine ungewöhnliche Silhouette am Himmel, die wir später mit Hilfe eines Bestimmungsbuchs als Merlin identifizierten, was unseren Skipper richtig begeisterte; er habe hier schon ewig keinen mehr gesehen. Leider waren die zwei Stunden Aufenthalt viel zu kurz bemessen; ich wäre gerne noch zur Klippe gelaufen und wir hätten gerne noch am langen, wunderbaren Sandstrand gesessen und wenigstens unser Lunchpaket verzehrt, aber Tim und Craig holten uns schon wieder mit ihrem Schlauchboot ab, und vorbei an Kormoranen und einer großen Gruppe Robben fuhren wir wieder ein Stückchen zurück nach Norden nach Castlebay auf Barra, das überraschenderweise über ein Castle in einer Bucht verfügt. Der Ort war einer der größten, die wir in der vergangenen Woche gesehen hatten, hier gab es sogar ein kleines Krankenhaus und Schulen. Die Möwe und ich liefen aber lieber noch einmal ein paar Meilen zum nächsten Strand, ähnlich wie auf Eriskay, saßen dort wieder fast für uns in der Sonne im Sand und stellten uns vor, es wäre noch etwas wärmer und man könnte schwimmen gehen.