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Taizé

Es ist schon wieder vier Jahre her, dass wir in Taizé waren. Taizé ist gewissermaßen mein spirituelles Zuhause; in den 90ern zu Studienzeiten war ich in manchen Jahren sogar zwei Mal dort. Gedacht ist der Aufenthalt dort nach wie vor hauptsächlich für junge Leute zwischen 16 und 30, aber auch „Erwachsene“ sind grundsätzlich willkommen. Eine Woche mit augenöffnenden Bibelstunden, Gesangsunterricht, gemeinsamer Arbeit (wir waren wieder zum Geschirr spülen eingeteilt, was Spaß macht), und als Taktschlag die drei gemeinsamen Gebete am Tag mit den wunderbaren, stets mehrstimmigen Gesängen und der langen Zeit der Stille darin – ich kenne keinen Ort, an dem ich müheloser den ganzen Alltagskrampf hinter mir lassen kann, meiner Seele und Gott hinterherspüren, und darüber nachdenken, wo ich im Leben eigentlich gerade stehe.

Der kaputte Reifen gleich am ersten Abend hätte nicht sein müssen, und insgesamt war es Anfang Oktober auch im Burgund zwischendurch schon ziemlich kühl und nass, aber das hat nichts an dem geändert, dass die Woche dort wie jedes Mal eine ganz besondere Erholung und innere Ruhe mit sich brachte. Die Handyfotos als Impressionen können das nicht wirklich einfangen.

Anschließend verbrachten wir, quasi auf halber Strecke zurück, noch vier Nächte im Elsass, mit kleinen Wanderungen, viel Rumschlumpferei, und gutem Essen (etwas, wofür Taizé nicht so sehr berühmt ist). Die Möwe arbeitet heute Abend schon wieder, meine Arbeit geht dann am Montag wieder los, unter neuer Organisationsstruktur und neu zusammengewürfelten (aber bekannten) Chefs. Ich bin nicht gerade enthusiastisch, aber sehe dem Büro und der Zeit bis zum Jahresende schon wieder sehr viel gelassener entgegen.

Orkney – Tag 13 bis 14 und Schluss

Der Tag begann dunstig, aber später wurde der Himmel wolkenlos – jedoch kühlte man bei starkem Wind im Nu aus. Den Morgen verschlumpft, später zum Unterstand gefahren, an dem wir die Eule gesehen hatten, aber der Wind hatte fast alle Vögel vertrieben. Den Mittag lesend verbracht und später nach Kirkwall gefahren. Am Peedie-See mitten im Ort zum allerersten Mal die merkwürdig gescheckten Eisenten gesehen sowie jede Menge Flussseeschwalben. Endlich auch mal die prächtige St. Magnus-Kathedrale besichtigt mit ihrem warmem, roten Sandstein. Für die geführte Tour durch die höheren Etagen hätten wir uns offenbar schon Tage vorher anmelden müssen, sie war leider längst ausgebucht. Die Besichtigung der Palastruine nebenan haben wir uns wieder geschenkt, auch wenn sie auf den Fotos online recht beeindruckend rüberkommt. In der Kombination Sonne und Windschatten konnten wir sogar draußen sitzen und einen Cappuccino trinken.

Noch ein wenig durch den Ort spaziert, uns am Strand von Scapa etwas Sand um die Nase wehen lassen und dann zum Restaurant gefahren, um auch einmal richtig essen zu gehen. Mit Blick auf die Bucht Scapa Flow aßen wir Jakobsmuscheln / Meeresfrüchtplatte, North Ronaldsay Schaf / Wolfsbarschfilet und Chocolate Brownie mit Orange-Frozen-Joghurt. (Den Nachtisch aßen wir ausnahmsweise zu zweit, ansonsten bestellen wir eigentlich immer verschiedene Gänge und tauschen zwischendurch die Teller, damit jeder doppelt so viele Sachen probieren kann. Frage an die Paare: Sind wir da die Einzigen, oder macht ihr das auch?) Außerdem probierte die Möwe einen Gin Tonic mit dem lokal produzierten Old Tom Rhubarb, der so gut schmeckte, dass wir am nächsten Tag gleich eine Flasche davon gekauft haben. Zurück zuhause noch ein wenig gelesen und ferngesehen, während der nach wie vor heftige Wind im Kamin pfiff.

Letzter ganzer Tag der Reise. Nachts aus irgendwelchen Gründen wach gelegen, dann nochmal eingeschlafen und schließlich den ganzen Tag neben der Kappe gewesen, dazu noch eine Portion Letzter-Urlaubstag-Blues. Am späten Nachmittag in Richtung der südlichen Inseln gefahren. An einer der Barriers sollte es eine Zwergschwalben-Kolonie geben – auch eine Art, die ich noch nie gesehen hatte. Und tatsächlich, nach ein paar Metern am Strand, den man von der Straße nicht sehen konnte, saßen, putzten, flogen eine ganze Menge von ihnen herum. So elegante, zarte Vögel! Wunderschön. Naturschützer_innen und Schüler_innen hatten ihnen ein eigenes, abgezäuntes Areal eingerichtet samt Überwachungskamera gegen Hermelinbesuche und herzerwärmenden Plakaten aus Kinderhand, die dazu ermahnten, den gefährdeten Schwalben und ihren Küken nicht so nahe zu rücken.

Ein paar Schritte durch St. Margaret’s Hope gelaufen, einem sehr süßen Ort, dann ein letztes Mal nach Stromness gefahren, wo wir Fischfilet kauften und bei Sonne am Hafen ein paar Pommes aßen und zusahen, wie sich die Fähre leerte und wieder füllte. Was einem auf den Inseln übrigens auffällt: Hübsche Häuser sind eher selten. Nur wenige, alte Häuser sind aus schönen, grauen Granitsteinen gebaut wie unser Cottage, und noch viel weniger sind weiß verputzt wie sonst oft in Schottland, dafür dominieren Häuser aus grau-braunem Waschbeton. Sie geben einem das Gefühl, dass das Leben hier nicht eben luxuriös ist und viele nur wegen der Arbeit hierher gekommen sind. Klar! Aber vergisst man schon mal als von der landschaftlichen Schönheit begeisterter Tourist, der gerne auch ein bisschen rumspinnt, ob man nicht hierher ziehen und die zum Verkauf stehende ehemalige Kirche..?

Zuhause machten wir den Fisch mit Bratkartoffeln und Salat, und gegen Neun fuhren wir noch einmal zur Bucht in der Nähe, um bei wolkenlosem Himmel einen grandiosen, kitschigen Sonnenuntergang über dem Meer zu erleben. Der richtige Schlusspunkt für zwei sehr entschleunigte, erholsame Wochen mit viel Natur.

Wir hatten den Zeitpunkt Anfang Mai ja gezielt ausgesucht; alle Vögel brüten, es sind noch wenige Touristen (vor allem noch keine täglichen Besuche großer Kreuzfahrtschiffe), und laut Klimatabellen waren auf den Orkneys im Mai und Juni auch die wenigsten Regentage und meisten Sonnenstunden zu erwarten. Dass wir aber nördlich der schottischen Highlands praktisch 12 von 14 Tagen ohne Regen, meist sonnig und zuweilen sogar wolkenlos verbringen würden, hätten wir nicht erwartet.

Apropos Vögel: Ich habe eine tägliche Artenliste geführt, Bilanz:
76 Arten insgesamt (es hätten locker über 90 sein können, wenn man es drauf angelegt hätte; vor allem einigen bei uns total häufigen Singvögeln begegnet man dort nur an den wenigen Stellen, wo es auch Bäume gibt)
8 erstmals gesehene Arten: Berghänfling, Eisente, Prachttaucher, Schwarzkehlchen, Steinwälzer, Sumpfohreule, Uferschwalbe, Zwergseeschwalbe
Highlights außerdem: Papageitaucher, Eistaucher und Sterntaucher, Sanderling und Steinwälzer, Kornweihe, Löffelente, Rabe und Steinschmätzer
Arten, die uns jeden Tag begegneten, quasi das Grundzwitschern Orkneys: Amsel, Austernfischer, Bachstelze, Brachvogel, Fasan, Feldlerche, Graugans, Haussperling, Höckerschwan, Kiebitz, Krähenscharbe, Lachmöwe, Nebelkrähe, Rauchschwalbe, Rotschenkel, Saatkrähe, Silbermöwe, Skua, Star, Stockente und Wiesenpieper
Wen es interessiert: Ein Spektiv mitzunehmen lohnt sich nur bei ausgesprochenen Vogeltouren. Hier war es 1. zu schwer, 2. nur an wenigen Stellen wirklich sinnvoll und 3. zu den meisten Tageszeiten wegen Luftflimmern ohnehin nicht nutzbar. Ein gutes Fernglas reichte völlig aus.

Der Abreisetag war grau und trüb, wie es sich gehört. Wir hatten schon abends das meiste gepackt, verabschiedeten uns noch von unserer sehr netten Vermieterin, machten auf dem Weg noch einen kleinen Abstecher zu einer Kirche mit altem Friedhof und verbrachten schließlich ein-zwei Stunden in Kirkwall, bevor uns der Autovermieter mit seinem Shuttle zum Flughafen brachte und wir den Rest des Tages an Gates und in Flugzeugen zubrachten, bis wir irgendwann vor Mitternacht zuhause ankamen.

Orkney – Tag 11 bis 12

Wolkenlos und windstill, so dass man dauerhaft im T-Shirt draußen sitzen konnte. Unglaublich. So haben wir den ganzen Tag im bzw. vor dem Cottage verschlumpft, lesend oder die Vögel auf dem See beobachtend. Am frühen Abend an den nächstgelegenen Strand gefahren, viele Wat- und andere Vögel getroffen sowie tatsächlich einen feschen Hermelin, der an der Böschung zum Strand entlang huschte. Später gegoogelt – Hermeline sind auf den Orkneys eine vom Menschen eingeschleppte Spezies, die den hier brütenden Vögeln in mehrfacher Hinsicht schaden. Zum einen direkt, weil sie Nester von Bodenbrütern plündern, und zum anderen, weil sie die Orkney-Wühlmaus jagen, die auch eine Hauptnahrungsquelle für die gefährdeten Kornweihen und Sumpfohreulen ist. Um für eine geplante Enthermelinisierung die nötigen Daten zusammenzubringen, gibt es eine eigene E-Mail-Adresse, wo man Sichtungen melden soll, was ich gleich tat. Abends gab’s wieder Nudeln mit geschmorter Paprika.

Nach ausschlafen und Frühstück ging es zum Brough of Birsay, einer kleinen Gezeiteninsel an der nordwestlichen Ecke von Mainland. In den Tagen zuvor hatten die Ebbezeiten nie so recht zur Tagesplanung gepasst; jetzt war das Wasser weit genug gesunken, um trockenen Fußes hinüberzukommen. Eine kleine Steilküste (mit Puffins, wie ich später erfuhr, aber wir sahen mal wieder keine), ein solarbetriebener Leuchtturm, das war es eigentlich schon. Aber sehr schön entlangzulaufen mit Blick bis nach Marwick Head, wo wir an einem der ersten Tage waren. Hier schien ausnahmsweise mal ein echter Touristen-Hotspot zu sein; so viele, wie in den folgenden Stunden auftauchten, sahen wir die ganzen zwei Wochen nicht an einem Fleck. (Und da sie im Wesentlichen mit eigenen Autos kamen, konnten es auch keine Kreuzfahrer sein, die regelmäßig zu Hunderten in Kirkwall für ein paar Stunden anlanden.)

Unterhalb des Parkplatzes zum allerersten Mal Uferschwalben gesehen, die in der sandigen Abbruchkante unterhalb der Straße ihre Bruthöhlen hatten. Und lange fast vergeblich versucht, sie irgendwie aufs Foto zu bekommen. Schwalben sind vogelfotografische Endgegner: so klein und in so erratischen Flugmanövern unterwegs, dass man praktisch keine Chance hat, sie scharf und einigermaßen formatfüllend zu erwischen. Zumal sie auch direkt in und aus ihren Höhlen herausflogen, ohne sich auch nur eine Sekunde Zeit für mein Foto zu nehmen.

Weiter die Küste mit tiefen eingeschnittenen Buchten entlang gelaufen, die früher als Slipanlagen für Boote dienten. Gepicknickt und über die Felder wieder zurück zum Ausgangspunkt, wobei wir am Ende eines Feldwegs unvermutet vor einem stacheldrahtbewehrten und mit viel Draht festgezurrten Tor standen. Es war nicht sofort erkennbar, wie wir das überwinden sollten, weswegen wir vor der Alternative standen, in der Mittagshitze einen großen Umweg zurück machen zu müssen. Glücklicherweise kam eine Frau aus einem nahegelegenen Haus und half uns, das Tor aus der Fixierung zu heben, wobei sie über den Landwirt schimpfte, der – wohl nicht zum ersten Mal – hier das Right to Roam verletzte, das Landeigner in Schottland verpflichtet, Wanderern keinesfalls die Passage zu versperren.

Auf dem Weg zum Parkplatz kurz im Augenwinkel einen Wal entdeckt, der mit irrer Geschwindigkeit springend durch die Bucht schoss. So eben noch mit der Kamera eingefangen. Auf dem Bild stellte sich der Wal allerdings als springende Robbe heraus. Hm. Aber hey, als planloser Wildlifeknipser nimmt man, was man kriegen kann! Eine beeindruckend große, etwas langweilige Palastruine besucht, in einem kleinen Supermarkt ein Orkney-Eis gekauft und vernichtet, und bei einem Abzweig zum Schilfsee in der Nähe aus dem Unterstand jede Menge Bilder eines niedlichen Zwergtauchers gemacht, der sich nur wenige Meter entfernt ausgiebig putzte. Wir wussten nicht so recht, was wir noch machen wollten, so fuhren wir auf gut Glück noch zum Broch of Gurness, einer Stätte aus der Eisenzeit. Die hätte aber Eintritt gekostet, und 6 Pfund pro Nase war uns das Rumlaufen zwischen alten Steinen an diesem Tag nicht mehr wert. Zurück über Dounby, in unserem Coop eingekauft und zuhause Hacksteak mit Bratkartoffeln und Salat gegessen, während der Wind draußen am Abend deutlich auffrischte.

Orkney – Tag 10

Ein weiterer Tagesausflug auf eine andere Insel stand an, wir hatten Tickets für die Fähre nach Westray, einer nordwestlichen Insel der Orkneys, diesmal mit Auto, weil die Insel schon etwas größer ist. Die Überfahrt führte gut anderthalb Stunden durchs Archipel, bis wir an der Südspitze Westrays ankamen. Unser erstes Ziel war ein nur wenige Kilometer entfernter Küstenabschnitt, mit dem vorgelagertem Felsen Castle O’Burrian, einem der erstaunlich wenigen Orte der Orkneys, an dem zuverlässig Papageitaucher brüten. Nun, es war später Vormittag, und auch wenn draußen auf dem Wasser ein paar von ihnen dümpelten, war von Puffins an Land fast nichts zu sehen. Ein Paar, das mit uns auf der Fähre war, klärte uns auf, dass sie hauptsächlich früh morgens oder abends zu sehen seien, wenn sie noch an ihrer Höhle oder nach Fischfang wieder zurück an Land wären. Ich nehme an, sobald ihre Jungen geschlüpft sind, würde auch tagsüber mehr Betrieb herrschen. Immerhin konnten wir ein paar von ihnen mit dem Fernglas beobachten, aber wie letztes Jahr schon befürchtet, hatten die uns die Flannan Isles in punkto Puffin-Erlebnis wohl für immer versaut.

Wir fuhren weiter zum landschaftlichen Höhepunkt von Westray, den Klippen von Noup Head, einer der größten Seevogelkolonien Großbritanniens. Für den mehrstündigen offiziellen Wanderweg entlang der Küste war die Zeit etwas knapp, so fuhren wir mit unserem Mietauto in Richtung des Leuchtturms. Auf dem Weg wurde die Schotterstraße immer welliger, so dass nicht nur die Steinchen in den Radkästen prasselten, sondern wir irgendwann sogar mit dem Unterboden aufsetzten. Da unser kleiner Seat Mii recht neu und die Mietwagenfirma offenbar recht pingelig war, wollten wir nichts weiter riskieren und gingen die letzten zwei Kilometer zu Fuß. Nach einem Picknick am Leuchtturm liefen wir die Felskante entlang, um an jeder Ecke Blicke auf die gewaltige Seevogelstadt zu werfen können: Tausende von Basstölpeln, Lummen, Dreizehenmöwen und Tordalken, die auf den schmalen natürlichen Balkons der bis zu 75 Meter hohen Felsen hockten, balzten, stritten, Nester bauten und sich fortpflanzten. Was für ein Erlebnis.

Der Weg zurück zum Auto war länger als gedacht, auch weil wir erst zurück zum Leuchtturm und dem Kissing Gate mussten, wenn wir nicht über Stacheldrahtzäune steigen wollten. Jetzt wäre ein Kaffee gut gewesen, aber irgendwie gab es nirgends eines, nicht einmal im Hauptort Pierowall. Überhaupt war die Atmosphäre der Insel völlig anders als North Ronaldsay drei Tage zuvor, irgendwie verschlossen, abweisender. Es blieb noch eine Stunde Zeit bis zur Abfahrt der Fähre, was uns zu knapp schien, um noch mal bei den Papageitauchern vorbeizuschauen. Daher fuhren wir durch bis zum Hafen, wo man immerhin in einem urigen Laden auch einen Kaffee bekommen konnte. Dort unterhielten wir uns ganz hervorragend mit dem kauzigen Inhaber, einem Fotografen, bis schließlich die Fähre kam.

Die Rückfahrt verbrachte ich komplett an Deck, in einer windgeschützten Ecke bei Abendlicht unter Wolkenschleiern, und offen für Vögel (oder sogar Delfine..?) die uns unterwegs begegnen würden. Naja, Delfine gab es keine, aber dafür jede Menge Seeschwalben und andere Vögel und schließlich kurz vorm Ziel auch ein seit Tagen erhoffter Eistaucher mit seinem 50er-Jahre-Dekor.

Am Hafen in Kirkwall ganz hervorragende Fish&Chips gekauft und auf der Mauer in der Abendsonne verspeist. Zurück nach Hause und noch eine Weile aus den hunderten Fotos des Tags schon mal jede Menge gelöscht.