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Orkney – Tag 8

Ein ruhiger Samstag. In Kirkwall eingekauft, dann noch einmal Richtung Barriers gefahren und in einer Keramikwerkstatt zwei kleine, schöne Tassen gefunden, aus denen man auch Espresso trinken kann. (Wir nehmen immer schon eine Kanne für den Herd mit in den Urlaub, aber an Espressotassen hatten wir nicht gedacht, weil Unterkünfte normalerweise zumindest Schnapsgläser haben.) Später fanden wir auch noch Wolle von North-Ronaldsay-Schafen, eine ganz besondere Rasse. Nicht nur, dass sie sich hauptsächlich von Seetang ernähren und ihren Stoffwechsel schon so weit darauf umgestellt haben, dass sie von zuviel normalem Gras eine Vergiftung bekämen, sie haben auch eine besonders gute Wolle in verschiedenen natürlichen Farben (siehe die Lämmer von gestern). Falls übrigens jemand ein paar Jahre auf einer abgelegenen Insel mit einer eng verbundenen, freundlichen Inselgemeinschaft verbringen will: Der lange Sheep Dyke muss ständig erneuert und repariert werden, eine rund um North Ronaldsay laufende Mauer aus aufgeschichteten Steinen, die die Schafe am Strand halten soll, und dafür sucht man einen Deichwart. Mit eigens gedrehtem Werbevideo.

Nach ein wenig Lesezeit zuhause fuhren wir am Abend noch einmal zu verschiedenen RSPB-Unterständen an Hochheide und Moor. Was für fürstliche Beobachtungshäuser! Der britische Vogelschutzbund scheint wirklich gut finanziert zu sein. Am ersten Standpunkt sahen wir neben denn überall zu findenden Wiesenpiepern auch Raben mit Nachwuchs im Nest (zu weit weg fürs Foto), und tatsächlich auch endlich eine Kornweihe, ein Weibchen, das hoch über der Landschaft kreiste. Überhaupt diese Landschaft und diese Farben!

Am zweiten Standpunkt, wo ich einige Tage zuvor alleine in der Frühe war, schien wieder einmal kaum etwas los zu sein, sah man von den vielen Graugansfamilien mit Nachwuchs einmal ab. Oder dem Kaninchen, das sich in unmittelbarer Nähe putzte. (Die ganze Insel wimmelt nur so von Kaninchen.) Doch irgendwann flog etwas Graues in geringer Höhe durch die Szene, den Kopf nach unten gerichtet und offenbar den Boden abscannend: eine männliche Kornweihe. Sie flog bestimmt eine halbe Minute herum und schließlich auf uns zu, bis auf weniger Meter, um dann abzudrehen. Und ich fotografierte aufgeregt drauflos durchs Fenster des Häuschens, anstatt mich sofort ans offene Fenster zu bewegen. Leider machte der von der Glasscheibe in die Irre geführte Autofokus fast alle Aufnahmen unbrauchbar. (Heul-Emoji)

Nur die Sumpfohreule, die schon vor der Reise ganz, ganz oben auf der Liste meiner unbedingt zu sehenden Arten stand, ließ sich nach wie vor nicht blicken. Das heißt, ausgerechnet als ich gerade von anderer Vogel-Action abgelenkt war, hatte die Möwe sehr wohl einen eulenartigen Vogel gesehen, der aber schnell verschwunden war. Es durfte nicht wahr sein. Als sich längere Zeit nichts mehr zu tun schien, packten wir zusammen und verließen das Häuschen. Aber hockte da nicht was Größeres hinten auf dem Zaunpfahl..? Und tatsächlich saß sie dort. Wir stiegen behutsam ins Auto und rollten in ihre Richtung. Sie ließ uns langsam näher kommen und ihr eine Weile in die von der tiefstehenden Sonne erleuchteten, hellgelben Augen schauen, bevor sie sich erhob, noch kurz auf einem anderen Pfahl landete, um schließlich ganz davonzufliegen. Was für eine wunderbare Begegnung! Den Rest des Abends verbrachten wir zuhause, aßen schlichte Nudeln mit Butter und Parmesan und ich war glücklich.

Orkney – Tag 7

Als sich im Lauf der Woche abzeichnete, dass am Freitag gutes Wetter herrschen würde, beschlossen wir, den Tag auf North Ronaldsay zu verbringen, der nordöstlichsten Orkneyinsel, etwa 50 Kilometer von Kirkwall entfernt. Dazu hatten wir Tickets gekauft für eine kleine Propellermaschine (8 Plätze), die täglich mehrfach zwischen den Inseln verkehrt. Sowohl über North Ronaldsay als auch diese Fluglinie hatten wir schon vor Jahren eine Doku gesehen, wo es um die Besonderheiten und Schwierigkeiten des Lebens auf einer so abgelegenen, kleinen Insel mit gerade mal 50 Einwohnern ging. Wir waren beide noch nie in so einen fliegenden Landrover gestiegen, das war wirklich spannend. Sowohl der ultrakurze Start („oh Gott, gleich hört die Startbahn au… oh, wir sind schon in der Luft“) als auch die Viertelstunde Flug mit Blick über die Inseln und die genauso kurze Landung waren faszinierend. Durch irgendeine Security muss man für die Flüge zwischen den Inseln übrigens nicht; man läuft vom Warteraum direkt aufs Flugfeld und steigt ein. Fertig.

Am „Flughafen“ der Insel stiegen die wenigen anderen Gäste aus und waren schnell verschwunden. Übrig blieb nur ein freundlicher alter Mann, mit dem sich die Möwe ein bisschen unterhielt (nicht wirklich, weil sein Dialekt oder vielleicht auch nur Genuschel praktisch nicht zu verstehen waren), und als das Flugzeug wieder gestartet war, blieben schließlich nur noch Stille und Vogelzwitschern übrig. Auch die Bediensteten des Flughafens sind letzlich normale Inselbewohner_innen, von denen jede_r noch mehrere andere Jobs und Aufgaben hat. Wir nahmen zwei Mietfahrräder aus der Hütte, schrieben der Besitzerin dazu eine SMS, und dann fuhren wir gemächlich auf den Fahrrädern die nur wenige Kilometer lange Insel entlang, erst bis zur einen Landspitze mit dem Leuchtturm (und Café, leider noch geschlossen), dann zur anderen mit dem Vogelobservatorium (Hostel, Café und winziger „Supermarkt“, glücklicherweise geöffnet). Zwischendurch hielten wir oft an, warteten mal einen Schauer ab, lauschten den Vögeln, machten Picknick, besuchten das Heimatmuseum in der alten Kirche, betrachteten die Schafe (eine ganz eigene Rasse, die sich hauptsächlich von Seetang ernährt), saßen am Strand und schauten den Robben, Steinwälzern (Erstsichtung!) und Sanderlingen zu… Diese Insel war ein Traum, komplett entschleunigt und irgendwie heimelig und freundlich. So vergingen die Stunden, und obwohl wir sehr früh angekommen waren, war es plötzlich fortgeschrittener Nachmittag und wir mussten zurück zum Flugfeld („10 minutes before departure is enough“).

Wie klein diese Insel ist, zeigte sich noch einmal, als die Maschine ankam. Es war Freitag Nachmittag, eine junge Frau stieg aus und die Möwe hatte sie sofort erkannt – samt Vornamen – als eines der Mädchen aus der TV-Doku, damals noch Teenie, die jetzt vermutlich von ihrer Ausbildungswoche auf Mainland zurückkam. Zurück in Kirkwall hatten wir keine Lust zu kochen und aßen stattdessen einen Burger am Hafen. Rechtschaffen müde ging es nach Hause zurück. Das war jetzt schon der sechste Tag in Folge mit Sonnenschein, und sicher einer der schönsten Tage des ganzen Urlaubs.

Orkney – Tag 6

Lange geschlafen. Das Wetter versprach einen sonnigen Tag mit erträglichem Wind, ideal für eine Wanderung. Wir fuhren an die Ostküste Mainlands auf die Halbinsel Deerness, um eine Wanderung um die nordöstliche Landspitze zu machen. Schon nach wenigen Metern erreicht man The Gloup, eine kuriose Kluft aus einer eingestürzten Höhle mit Verbindung zum Meer. Von da aus ging es an der Steilküste entlang, wo wir nur wenigen anderen Wanderern begegneten, aber jeder Menge toller Vögel (Schmarotzerraubmöwen, Gryllteisten, Raben, natürlich Krähenscharben und Eistturmvögel, Skuas, …) und das bei grandiosem Wetter.

Auf dem Rückweg machten wir an der Landenge nach Deerness Halt, um an den Strand zu gehen. Dort saßen wir bestimmt eine Stunde lang und hielten unsere Gesichter in die Sonne. In Kirkwall machten wir noch Halt beim großen Supermarkt. Ich wollte unbedingt noch einmal diesen köstlichen Räucherlachs von der Insel essen, den gab es dann zuhause mit Salat. Erfüllt von Wind und Sonne ging es früh ins Bett.

Orkney – Tag 4 bis 5

Die Orkney-Inseln waren quasi immer schon von Menschen bewohnt, älteste Funde wurden auf 8-10 tausend Jahre v. C. datiert. Besonders viele Zeugnisse früher Besiedlung finden sich ab dem Neolithikum vor etwa 5000 Jahren. Einzelne Gebäude bis hin zu ganzen steinzeitlichen Siedlungen für an die hundert Bewohner haben die Jahrtausende unter Sand und Erde überdauert. Zu diesem Erbe gehört auch der Ring of Brodgar, große Feldblöcke in einem großen Kreis angeordnet und noch tausend Jahre früher errichtet als das bekannte Stonehenge im Süden Englands. Am Vormittag wanderten wir von dort die kleine Landzunge zwischen den Seen Harray und Stenness entlang bis zu den ganz ähnlichen Stones von Stenness und nach einem Picknick (Tee, Käsebrot, Minitüte Chips und ein Schokoriegel – unsere schottische Normverpflegung) wieder zurück.

Nach einem Spaziergang durch den Hauptort Kirkwall und Einkaufen ließen wir den Rest des Nachmittags mit Lesen und Herumschlumpfen im Cottage verstreichen. Abends gab’s panierten Fisch und Bratkartoffeln. Als sich gegen neun abzeichnete, dass die Sonne trotz einiger Wolken womöglich sichtbar untergehen sollte, machten wir uns noch einmal auf zum Ring of Brodgar und konnten die Steine so noch einmal in richtig mystischem Abendlicht sehen. Rundherum wummerten die Bekassinen in der Luft, ein Sound, den ich seit Jahren nicht mehr gehört hatte und der mich sehr froh gemacht hat.

In aller Frühe aufgewacht und alleine zu den Birsay Moors aufgebrochen. Ein Grund für Orkney als Reiseziel war neben der Landschaft und überhaupt Schottland die Vielfalt der Vogelarten und die hervorragende Infrastruktur zur Beobachtung. Alleine auf Mainland finden sich 6 Naturreservate des RSPB, teilweise mit tollen Beobachtungshäusern, alleine 5 im Umkreis von 10 Kilometern zu unserer Unterkunft, mit Habitaten (gibt es das als Plural?) von Moor und Hochheide bis hin zur Steilküste. Einer dieser Unterstände war am Rand eines Moors, und ich hoffte, dort Sterntaucher, Rohrweihen und Sumpfohreulen zu sehen. Sterntaucher waren tatsächlich dort, wenn auch nur ein Paar und recht weit entfernt, aber von den Greifvögeln keine Spur. Ich verbrachte bestimmt anderthalb Stunden dort, natürlich gab es auch verschiedene Enten, Graugänse mit ihren Jungen und die obligatorische Skua von Zeit zu Zeit, aber sonst war nicht viel los. Ein anderer Unterstand in der Nähe war auch nicht viel ergiebiger, wenn auch immerhin Pfeifenten dabei waren, die ich bislang nur ein einziges Mal im Donauries bei Günzburg gesehen hatte.

Zurück zuhause verbrachten wir den Nachmittag lesend (und schlafend), bis wir am späten Nachmittag beschlossen, noch einmal die östliche Inselkette über die Barriers entlang bis zur Südspitze von South Ronaldsay zu fahren, von der aus man gut das erstaunlich nahe schottische „Mainland“ und die Küste bei Thurso sehen konnte. Wir aßen aus Hunger eine Kleinigkeit in einem abgelegenen Restaurant (wo mir beim Schild „Bistro“ eigentlich sowas wie Pommes vorgeschwebt war – aber der Salat mit dem geräucherten Orkney-Lachs war dann sehr lecker) und fuhren mit einigen Aussichtspausen wieder zurück – wobei mich an einer der Barriers auch noch ein Paar Sterntaucher zum abrupten Anhalten und fotografieren brachte. Insgesamt hatte uns der Wind an dem Tag etwas ausgekühlt, da tat ein Rindereintopf mit Möhren und Kartoffeln abends richtig gut. Ich schlief früh ein; offenbar kam immer noch Müdigkeit aus der Zeit vor dem Urlaub durch.