Archiv der Kategorie: Musik

5/4

Seit einiger Zeit ist meine Energie eingeschränkt, deswegen weht Tumbleweed durchs Blog. Und fehlt nicht immer noch der letzte Teil der Insel Mull von letzten Sommer? Egal, passend zum Datum geht es heute um anderes: Musik, genauer um solche mit ungeradem Rhythmus, speziell um Rhythmen auf Basis der Fünf: 5/4, 5/8, 10/8, oder 4/4 mit Quintolen – wie auch immer sie im Einzelfall notiert werden.

5er-Rhythmen sind sozusagen die knappste Form „ungerader“ Rhythmen in der westlichen Musik. 2er-, 3er und 4er-Rhythmen empfinden wir als rund und flüssig, erst mit der 5 kommt eine gewisse Umwucht ins Spiel. Und während die nächsthöhere, „ungerade“ Taktart auf 7er-Basis schon wesentlich mehr Möglichkeiten der Akzentuierung bietet (vielleicht auch deswegen verbreiteter ist?), sind die Mittel bei der 5 begrenzt, und auch das Repertoire erstaunlich übersichtlich angesichts der Unmengen neuer Musik, die jedes Jahr das Licht der Welt erblickt.

Jedenfalls mag ich ungerade Taktarten, und im Laufe des letzten Jahres habe ich eine ganze Reihe von Musik auf 5er-Basis gesammelt. Dieser Blogeintrag ist gewissermaßen eine kommentierte Playlist ohne irgendeinen Anspruch auf Vollständigkeit (hier auch als Youtube-Playlist ohne Kommentare). Nicht alles davon gefällt mir, aber doch eine ganze Menge. Vielleicht findet ihr darin etwas, was ihr noch nicht kanntet und euch gefällt, und sei es Freude an ungeraden Takten? Enjoy!

(Bitte keine Videoplattformdiskussion. Ich nutze kein Spotify, daher sind alle Titel als Youtube-Videos verlinkt, was eine der wenigen einfachen Möglichkeiten ist, Musik überhaupt kostenlos zu teilen. Es gibt zudem Erweiterungen für manche Desktop-Browser, mit denen Werbung auf Youtube verschwindet.
Ach so, und nicht alle aufgeführten Stücke halten den 5er-Takt komplett durch, manchmal wird auch zwischenzeitlich in andere Taktarten gewechselt.)

Dave Brubeck: Take Five

First things first, das Stück, das wohl die meisten benennen können, wenn es um 5er-Takte geht. Was übrigens gar nicht von Dave Brubeck sondern Paul Desmond stammt, seinem großartigen Saxophonisten. Hier meine Lieblingsaufnahme, die Zugabe eines Konzerts im Jahr 1963. Sehr schnell gespielte und, wie ich finde, auf eine existenzielle Weise traurig gestimmte Version. Jedenfalls alles andere als weichgespülter Hotelbar-Swing.
(Apropos Dave Brubeck Quartet: Schlagzeuger Joe Morello kann auch unfassbare 10 Minuten lang Solo in 5/4 spielen.)

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Auszeit, die letzten Tage auf Orkney Mainland

Am folgenden Tag ging es auf die zweitgrößte Orkney-Insel Hoy, auf die wir täglich aus unserer Unterkunft blickten. Und wir hatten Glück – die Fähren muss man früh buchen, da sie nur wenige Autos mitnehmen können, und zu dem Zeitpunkt war alles andere als absehbar, dass wir einen Tag mit ausreichend schönem und nicht übermäßig windigem Wetter erwischen würden, um die Wanderung entlang der Steilküste zum Old Man of Hoy machen zu können. Der Old Man ist ein 137 Meter hoher Fels, quasi Helgolands Lange Anna mal drei, und stand schon seit unserem Urlaub vor vier Jahren auf der Liste der Dinge, die wir unbedingt sehen wollten.

Die Insel ist mit ihren fast 500 Meter hohen Hügeln, ausgedehnten Mooren und nur 400 Bewohnern sehr anders als alle anderen Orkney-Inseln: rau, bergig, einsam, karg und oft in Wolken gehüllt, insgesamt mehr Island als Schottland. Auf der Straße zum Ausgangspunkt der Wanderung kamen wir an Bettie Corrigalls Grab vorbei. Eine junge Frau, die sich um 1770 das Leben nahm, weil sie die Schande nicht ertrug, nachdem sich der Vater ihres unehelichen Kindes aus dem Staub gemacht hatte. Aufgrund des Selbstmords wurde ihr kirchlicherseits eine Bestattung in den Gemeindegrenzen verwehrt, weswegen sie draußen im Moor vergraben wurde. Im 20. Jahrhundert stieß man beim Torfabstechen auf ihren im Sarg völlig erhalten gebliebenen Leichnam und vergrub ihn wieder und stieß Jahre später wieder darauf, bis ihr schließlich ein eigens gekennzeichnetes Grab gegeben wurde, auf dem seit 1976 ein Stein mit minimaler Inschrift („Here lies Bettie Corrigall“) an sie erinnert. Immer noch mitten im Nichts. Was für eine bittere Geschichte.

Wir waren früh auf dem Wanderweg zum Old Man und hatten den Hinweg praktisch für uns alleine. Eine beeindruckende Landschaft, nur Felsen, Heide und Moor, abgesehen von wenigen Skuas und Schwarzkehlchen praktisch unbelebt. Der immer noch sehr starke Wind hielt uns davon ab, für bessere Fotos allzu nahe an den Rand der weit über hundert Meter hohen Klippen zu gehen. Der Ausflug hatte uns mit anstrengendem Weg, sehr viel Wind und Sonne ganz schön müde gemacht, weswegen wir den folgenden Tag herumschlumpfend zuhause verbrachten, bis auf das Highlight eines abendlichen (bislang einzigen) Restaurantbesuchs.

Am Wochenende fand im Ort das jährliche Orkney Folk Festival statt; vier Tage mit jeder Menge Konzerten und Livemusik (leider praktisch kaum auf der Straße), in denen das verschlafene Städtchen ungeahnt quirlig wurde. Einen Auftritt mehrerer Songwriter in der Townhall haben wir besucht und auch den nachmittäglichen Aufmarsch der zwei Dudelsack-Kapellen der Insel, die wirklich gut spielten. Den Sonntag verbrachten wir mit einem Spaziergang durch Kirkwall und dem Besuch des Orkney-Museums, dann hieß es aufräumen und für die nächste Etappe der Reise packen.

16.10. – Wahlhelfer, Arbeit, Dota

Durch Fr. Kaltmamsell und später Fr. Gröner auf die Idee gebracht, meldete ich mich bei der Stadt im Sommer 2017 ebenfalls als Wahlhelfer für die damals anstehende Bundestagswahl, bekam aber auf meine Bewerbung nie eine Antwort. Bis vor knapp drei Monaten, als mich die Stadt anschrieb, ob ich für die bayerische Landtags- und Bezirkstagswahl am 14. Oktober zur Verfügung stünde. Ich sagte zu, als Beisitzer für die Nachmittagsschicht in einem Wahllokal in meinem Stadtviertel. Auf normale Angestellte schien man im Wahlamt eher nicht eingestellt zu sein, jedenfalls war die Einführungsveranstaltung in der Stadthalle neulich an einem Donnerstag um halb drei zeitlich eher schwierig. Aber gut, immerhin hatte die große Nachbarstadt einen Foliensatz im Netz, der Abläufe und Auszählungsregeln sehr gut erklärte. (So gut, dass ich am Sonntagabend neben dem Wahlvorstand der Einzige von den neun Helfern war, der z. B. wusste, dass mehrfache Zweitstimmen unter Umständen gültig waren und wie sie gezählt würden.)

Der Morgen begann mit Lektorendienst um halb elf in der Kirche, danach frühstückten die Möwe und ich ausgiebig im Bäckereicafé eine Ecke weiter, schließlich würde ich für den Rest des Tages nurmehr mitgebrachtes Studentenfutter bekommen. Gegen zwanzig vor Eins stand ich im Wahllokal der ebenfalls benachbarten Grundschule. Als Neuling bekam ich einen der beiden einfachen Jobs: am Eingang zum Klassenzimmer die mitgebrachte Wahlbenachrichtigung checken („Ah ja, hier sind Sie richtig. Nein danke, Personalausweis brauche ich nicht.“) und die vier Wahlzettel aushändigen. Beziehungsweise wenn jemand ohne Benachrichtigung kam, ihn/sie an den Tisch mit dem Wählerverzeichnis zu verweisen. Der andere einfache Job ist übrigens, die Urnen zu überwachen und nur nach erfolgreichem Wählerverzeichnis-Check am Nachbartisch zuzulassen, dass die zwei blauen (Bezirkstag) und weißen (Landtag) Zettel eingeworfen werden.

Der Sonntagnachmittag war schön, draußen auf dem Schulhof leuchteten die Bäume in allen Farben, die Fürther Kirchweih einen Kilometer entfernt hatte ihren letzten Tag, und so wurde es nach einem größeren Andrang zwischen ein und zwei Uhr, wo tatsächlich Leute Schlange standen, am Nachmittag sehr gemächlich. Der Rest des Teams schien sich seit langem als solches zu kennen, also immer wieder zusammen eingesetzt zu werden. Ich war vermutlich der Jüngste, ein Ehepaar knapp drüber, der Rest der Leute eher Ende 50 und in den 60ern, und man duzte sich. Interessant fand ich, dass zwei der Wahlhelfer mit deutlichem Akzent sprachen (einmal italienisch, einmal osteuropäisch), der sie als eingebürgert verriet. So wie überhaupt auch viele der Wählenden türkische oder osteuropäische Namen hatten – einfach ein schön buntes Viertel. Besonders in Erinnerung ist mir eine Frau, schätzungsweise Ende 20 mit arabischem Namen, begleitet von ihrem nicht wählenden Vater, die so frisch eingebürgert war, dass man ihren Eintrag im Wählerverzeichnis erst nach einer Weile fand. Wie aufgeregt und stolz sie war, ihre Stimme abzugeben!

Nach Wahlende um 18 Uhr begann dann eine vierstündige Papierorgie ohne Pause, in der die zusammen anderthalb Tausend kleinen und großen Zettel entfaltet, gecheckt, sortiert, gestapelt, gezählt und wieder gestapelt wurden, ein nicht enden wollender Lärm aus Papierknistern und -flattern, vor sich hin gemurmelten Zahlen und vereinzelten Rufen („Hat schon jemand die V³-Partei?“, „Wo sind denn die Freien Wähler, die lagen doch eben noch hier?“). Es war anstrengend, aber auch schön, als schließlich alle Zählungen passten, also die Zahl der abgehakten Wähler im Verzeichnis übereinstimmte mit der Strichliste neben der Urne mit der Zahl der Stimmzettel mit der Zahl der ermittelten Kandidatenstimmen. Wobei es durchaus einen Moment gab, in dem ich mich ganz undemokratisch darüber freute, dass die Wahlbeteiligung in unserem Wahllokal nur bei 40% lag. Inzwischen weiß ich, dass unser „Dienstschluss“ um kurz vor zehn Uhr auch durchaus nicht spät war, wenn man so hört, wie es in München lief. Wobei ich allerdings auch nicht nachvollziehen kann, warum man das enorm aufwändige Zweitstimmenverfahren unbedingt auch beim Bezirkstag braucht, einem offiziell nur 24 Abgeordnete starken Gremium (diesmal wurden es wegen Überhangmandaten 33) mit sehr klar umrissenen Aufgaben hauptsächlich im Bereich Bildung, Kultur und Soziales.

Aber insgesamt war es spannend und hat Spaß gemacht. Ich mag diese langweilige, deutsche Demokratie mit ihren unspektakulären Wahlen, in Klassenzimmern unserer Schulen, die ja auch gleich schon mal einen wichtigen Ort unseres Gemeinwesens darstellen, für den wir Steuern zahlen und auf den unsere Entscheidungen Auswirkungen haben. Und mitzuerleben, mit welchen einfachen Mitteln sichergestellt wird, dass Wahlmanipulationen größeren Stils praktisch nicht möglich sind, finde ich ausgesprochen beruhigend. Weswegen ich auch entschieden gegen zentralisierte, rein elektronische Systeme bin.

Ich hoffe, zu den Europawahlen nächsten Mai werde ich wieder rekrutiert.

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Auf dem Heimweg mit dem Fahrrad begann zufällig gerade, als ich die große Wiese mit der freien Sicht aufs Zentrum passierte, das Abschlussfeuerwerk der Fürther Kärwa. So konnte ich zum ersten Mal quasi auf einem fernen Logenplatz und in voller Länge alles anschauen, wovon ich in den vergangenen Jahren immer nur das Geknatter mitbekommen hatte. Wusstet ihr, dass es inzwischen Raketen gibt, die Smilies und Herzen an den Himmel werfen?

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Das Projekt, für das ich im Büro jetzt zwei Monate lang verstärkt reingekloppt habe, hat gestern Abend mit einer Präsentation vorm unlängst ausgewechselten Management seinen wichtigsten Meilenstein passiert. Die neuen Chefs waren ausgesprochen angenehm, ihre kritischen Nachfragen absolut in Ordnung, wir bekamen unsere Unterschriften, und schließlich gab es große Gratulation von allen Seiten. Und nicht zu vergessen, wir haben ein klasse Produkt gemacht, das jetzt Zug um Zug intern und extern gelauncht wird. Darin steckt noch jede Menge weitere Arbeit, aber das wichtigste Etappenziel ist genommen. Allerdings war ich nach dem Vortrag so vollkommen groggy und hinüber, dass ich mir für heute einen freien Tag genommen habe, was mir sehr gut getan hat. Abgesehen davon wäre mein Hirn im Büro heute ohnehin nicht produktiv gewesen.

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Irgendwann vor Jahren hatte ich im Netz schon mal Dota Kehr entdeckt, vermutlich auf tvnoir oder in den Küchensessions, dann aber wieder aus den Augen verloren. Nun hat sie vergangenen Monat ein neues Album („Die Freiheit“) rausgebracht, und es ist großartig. Gute Texte zwischen Liebesliedern und Gesellschaftskritik, von unbeschwert bis hintergründig-böse, von Milliardären, die den Planeten verlassen, unverbindlichen Liebschaften, Sexismus, Zuversicht vermittelnden Schwangeren im Baumarkt, Überwachungsstaat, … Klare Stimme, ungewohnt schöne, ohrwurmige Melodien und knackige Arrangements – so viel Freude an einer neuen Entdeckung hatte ich schon lange nicht mehr. Große Empfehlung!

Anspieltipps:

30.1.2018 – Büro, Morgenrunde, Symbolfotos und Rossi

Den allergrößten Stress der vergangenen Wochen im Büro erst einmal hinter mich gebracht, die Projektphase erfolgreich beendet samt Tests und Dokumentation, bei durch Krankheiten und neuer Aufgabenverteilung stark reduziertem Team. Gekrönt wurde das Ganze am Freitag von der mehrstündigen Abschlusspräsentation vor dem Management als verantwortlicher Produktmanager, dazu am selben Tag ein Update zu einem schwierigen anderen Projekt vorgestellt, wofür wir auch erst einmal wieder das Okay bekommen haben, weiterzumachen. Das war alles sehr anstrengend, aber von der Sorte Anstrengung, bei der einen weniger emotionaler Mist belastet, sondern einfach nur viel zu tun ist, was aber Hand in Hand mit den anderen Kolleg_Innen durchaus Spaß machen kann.

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Habe mich überreden lassen, für den Pfarrgemeinderat unserer Pfarrei zu kandidieren. Wahl ist Ende Februar, mal sehen, ob ich als immer noch relativer Neuling im Viertel gewählt werde. Und wenn ja, was ich dort bewegen kann. Mein Schwerpunkt wäre wie bisher am ehesten Liturgie und Gottesdienstgestaltung, nur dann in offiziellerer Funktion. Darüber hinaus wird das vermutlich der letzte Pfarrgemeinderat dieser Gemeinde sein – in den kommenden Jahren sollen alle katholischen Pfarreien der Stadt zu einer einzigen (mit verschiedenen Stadtteilkirchen) zusammengefasst werden. Für diesen Übergang in eine andere Gemeindeform gibt es sicher viel nachzudenken und zu gestalten.

Viel zu früh wach gewesen, daher schon um viertel nach sechs zur Morgenrunde aufgerafft. Über den Feldern Sternenhimmel, im Westen ein absurd großer, orangefarbener Vollmonduntergang, dazu große, abgegrenzte Wolkenbänder von Nordwest nach Südost, von unten weiß über orange bis rot von Stadt und Gewächshäusern angestrahlt vor dem blauschwarzen Himmel leuchtend, nach oben hin immer dunkelgrauer werdend, was für ein unglaublich kitschiger, atemberaubend schöner Himmel.

https://twitter.com/giardino/status/958222359244296192

Den Rest des Tages in jeder Minute das Sonnenlicht aufgesaugt, wer weiß, wie lange die nächste Wolkendecke hängen bleibt.

Bilder über seelische Krankheiten – ein Aspekt einer Entwicklung, die ich schon seit langem kritisiere: Symbolbilder zu sensiblen oder kritischen Themen sind häufig schlicht daneben und schaffen eine gefährlich unbewusste Einordnung von Nachrichten und Artikeln. Nicht nur bei psychischen Krankheiten. Mit zusammengekauerten Frauen im Halbdunkel werden z. B. auch gerne Beiträge über häusliche Gewalt illustriert. Klar, so stellt man sich (zumal weibliche) Opfer von Gewalt gemeinhin vor: sprachlos, passiv, gebrochen. Wehe, sie treten dann ganz anders auf, z. B. selbstbewusst und stark wie Natascha Kampusch, schon sprechen ihnen viele ihre Glaubwürdigkeit ab. Das ist nicht primär die Schuld von Symbolbildern dieser Art, aber sie zementieren durchaus die Stereotype von Opfer- und Täterschaft.

Oder ein aggressiv dem Betrachter entgegengestrecktes Messer als Bild zu einer Messerstecherei, und dann liest man in der dazugehörigen Polizeimeldung, dass jemand einen Bekannten verprügelt hat, der sich irgendwann mit einem Messer verteidigte, was so gar nicht mehr zum dargestellten „fremden Gangster mit Messer“ passt.

Ich befürchte, die Klickstatistiken sind eindeutig: Nur-Text-Teaser werden sicher viel weniger aufgerufen als solche, die von einem emotional aufgeladenen Symbolbild begleitet werden. Immerhin scheint man inzwischen in manchen Redaktionen zumindest bei Verbrechensnachrichten zu einem inhaltlich neutralen „Polizei“-Symbolbild zu greifen. Ich möchte gerne glauben, dass das aus inhaltlicher Einsicht geschieht.

Bei manchen Themen ist die teilweise offene Lächerlichkeit von Symbolbildern schon legendär, ob lachende Frauen mit Salat, oder der böse Hacker im Kapuzenpulli mit Maske und Handschuhen am Laptop, oder einfach alles, was der extrem unterhaltsame Twitteraccount @darkstockphotos ausgräbt. Aber man sollte meines Erachtens auch jenseits von Verbrechen bewusster wahrnehmen, wie Symbolbilder unsere Perspektive auf Vorkommnisse und Menschen beeinflussen. (Und seitens Redaktionen auf stereotype Darstellungen hoffentlich ganz verzichten.)

Dass Realnamenzwang im Internet problematisch ist, ist ja nichts neues. Aber in der Wissenschaft setzt sich auch die Erkenntnis durch, dass er nicht nur wenig bringt, sondern sogar gegensätzlich wirkt – zumindest, wenn man tatsächlich meint, Hassrede und Trollerei dadurch eindämmen zu können. (Darüber hinaus mögen Organisationen oder Internetkonzerne natürlich noch weitere Motive für Realnamen haben, über die sie nicht immer gerne sprechen, z. B. eine plattformübergreifende Zuordnung von Accounts zu Menschen aus Gründen des Targetings für Werbekunden.)

Im Vokalensemble erarbeiten wir uns gerade Michelangelo Rossi. Mit welchem Spaß der Komponist die Stimmen in ständige Tonartwechsel und Dissonanzen wirft! Herrlich zu singen. Und schwer vorstellbar, dass diese Musik praktisch 400 Jahre alt ist. Hier ein Madrigal, das wir derzeit proben, gefunden auf Youtube: