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Umzug

Nein, keiner, bei dem man Kisten packen muss und Möbel transportiert, sondern: online. Bei Facebook war ich nie, von Whatsapp bin ich zu Signal gewechselt und Instagram habe ich vor einiger Zeit ebenfalls aufgegeben. Von den großen, kommerziellen Plattformen blieb also noch Twitter. Okay, und Youtube, wo ich aber nur konsumiere.

Im März 2008 hatte ich mich auf Twitter angemeldet, die aus heutiger Sicht kuschelig und privat anmutenden Zeiten der ersten Jahre miterlebt, dann die spannende Zeit der zunehmenden Politisierung z. B. durch Black Lives Matter und feministische Diskurse und schließlich die vergangenen Jahre, in denen die Plattform durch Hasskampagnen gegen Frauen und Marginalisierte, zunehmend krassere Aufregungswellen und ätzendere Umgangsformen für mich immer schwerer erträglich wurde. Selbst mit per Trick komplett ausgeschalteten Retweets in der Timeline fiel es mir nicht mehr leicht, so zu tun, als würde ich mich so wie früher nur mit den geschätzten Mutuals austauschen. Die ehemals gemütliche WG geriet zu einem Treffen auf dem Bahnhofsplatz, wo man versucht, über Kochrezepte zu plaudern, während drumherum Leute irgendetwas in Megaphone brüllen oder einen beschimpfen. Die Katapultwirkung von Twitters Algorithmen, mit der ein für kleines Umfeld gedachter Tweet aus meinem Kontext gerissen binnen einer Stunde in tausenden Timelines landen kann, machte mir ein dauermulmiges Gefühl. Und selbst wenn man die eigene Timeline sorgsam kuriert hat inklusive allen möglichen blockierten und stummgeschalteten Wörtern und Namen, bekommt man immer noch jeden Furz und jede Provokation von Springer-Journalisten, AfDler*innen und anderen Populisten wahlweise in gerechter Empörung oder hübschem Spott serviert, und sei es als Drüberkommentar eines Screenshots eines Drüberkommentars eines Screenshots.

Insofern bin ich froh, dass anlässlich Leon Skums Twitterkauf zumindest in der mir wichtigen Umgebung endlich die kritische Masse zusammengekommen ist, um in eine nicht-profitorientierte und weniger giftige Umgebung zu wechseln. Ich kann die Frustration aller verstehen, die finden, man dürfe sich von rechten Populisten und Hassschürern nicht vertreiben lassen. Auch die Frustration derer, die jetzt vor der Frage stehen, ob sie auf Twitter bleiben wollen, was für sie vielleicht gut funktioniert hat, oder auf eine zunächst einmal merkwürdige und womöglich auch in irgendwelchen Beziehungen nicht unproblematische Umgebung wechseln, um nicht wertvolle Kontakte zu verlieren.

Aber ich muss für mich und mein psychisches Wohlbefinden entscheiden, und zumindest für die eigene, aktive Teilnahme bin ich lieber auf Mastodon zwischen vielen anderen sehr geschätzten Menschen. Twitter werde ich bis auf weiteres nicht ganz verlassen, alleine schon wegen der internationalen Accounts, denen ich folge (meist einseitig) und die nur dort zu finden sind, inklusive vieler, deren Vogel- und Natur-Content für mich immer schon zum schöneren Teil des Dortseins gehört haben.

Wird es dort wieder so gemütlich wie Twitter in den Grenzen von 2010? Nein. Die Welt ist eine andere, die Medien haben sich gewandelt, wir selbst sind Andere geworden, viele Mitglieder der damaligen virtuellen WG sind nicht mehr dort, nicht wenige von uns sogar für immer verloren gegangen. Aber etwas von diesem Geist beleben, weniger Empörungswellen verstärken, mehr Persönliches teilen, eine Gegenwelt zu den vereinzelnden, entsolidarisierenden Plattformen bauen, das wäre schön. Und zumindest bislang fühlt es sich so an.

(Ich bin übrigens nach einem kleinen Umzug innerhalb des Mastodon-Netzwerks jetzt unter der Adresse @giardino@fnordon.de zu finden. Die Instanz wird von Thomas gehostet, der auf seinen Servern seit Jahren auch schon dieses Weblog betreut und in dessen Händen ich meine Online-Präsenzen daher sehr gut aufgehoben weiß.)

30.1.2018 – Büro, Morgenrunde, Symbolfotos und Rossi

Den allergrößten Stress der vergangenen Wochen im Büro erst einmal hinter mich gebracht, die Projektphase erfolgreich beendet samt Tests und Dokumentation, bei durch Krankheiten und neuer Aufgabenverteilung stark reduziertem Team. Gekrönt wurde das Ganze am Freitag von der mehrstündigen Abschlusspräsentation vor dem Management als verantwortlicher Produktmanager, dazu am selben Tag ein Update zu einem schwierigen anderen Projekt vorgestellt, wofür wir auch erst einmal wieder das Okay bekommen haben, weiterzumachen. Das war alles sehr anstrengend, aber von der Sorte Anstrengung, bei der einen weniger emotionaler Mist belastet, sondern einfach nur viel zu tun ist, was aber Hand in Hand mit den anderen Kolleg_Innen durchaus Spaß machen kann.

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Habe mich überreden lassen, für den Pfarrgemeinderat unserer Pfarrei zu kandidieren. Wahl ist Ende Februar, mal sehen, ob ich als immer noch relativer Neuling im Viertel gewählt werde. Und wenn ja, was ich dort bewegen kann. Mein Schwerpunkt wäre wie bisher am ehesten Liturgie und Gottesdienstgestaltung, nur dann in offiziellerer Funktion. Darüber hinaus wird das vermutlich der letzte Pfarrgemeinderat dieser Gemeinde sein – in den kommenden Jahren sollen alle katholischen Pfarreien der Stadt zu einer einzigen (mit verschiedenen Stadtteilkirchen) zusammengefasst werden. Für diesen Übergang in eine andere Gemeindeform gibt es sicher viel nachzudenken und zu gestalten.

Viel zu früh wach gewesen, daher schon um viertel nach sechs zur Morgenrunde aufgerafft. Über den Feldern Sternenhimmel, im Westen ein absurd großer, orangefarbener Vollmonduntergang, dazu große, abgegrenzte Wolkenbänder von Nordwest nach Südost, von unten weiß über orange bis rot von Stadt und Gewächshäusern angestrahlt vor dem blauschwarzen Himmel leuchtend, nach oben hin immer dunkelgrauer werdend, was für ein unglaublich kitschiger, atemberaubend schöner Himmel.

Den Rest des Tages in jeder Minute das Sonnenlicht aufgesaugt, wer weiß, wie lange die nächste Wolkendecke hängen bleibt.

Bilder über seelische Krankheiten – ein Aspekt einer Entwicklung, die ich schon seit langem kritisiere: Symbolbilder zu sensiblen oder kritischen Themen sind häufig schlicht daneben und schaffen eine gefährlich unbewusste Einordnung von Nachrichten und Artikeln. Nicht nur bei psychischen Krankheiten. Mit zusammengekauerten Frauen im Halbdunkel werden z. B. auch gerne Beiträge über häusliche Gewalt illustriert. Klar, so stellt man sich (zumal weibliche) Opfer von Gewalt gemeinhin vor: sprachlos, passiv, gebrochen. Wehe, sie treten dann ganz anders auf, z. B. selbstbewusst und stark wie Natascha Kampusch, schon sprechen ihnen viele ihre Glaubwürdigkeit ab. Das ist nicht primär die Schuld von Symbolbildern dieser Art, aber sie zementieren durchaus die Stereotype von Opfer- und Täterschaft.

Oder ein aggressiv dem Betrachter entgegengestrecktes Messer als Bild zu einer Messerstecherei, und dann liest man in der dazugehörigen Polizeimeldung, dass jemand einen Bekannten verprügelt hat, der sich irgendwann mit einem Messer verteidigte, was so gar nicht mehr zum dargestellten „fremden Gangster mit Messer“ passt.

Ich befürchte, die Klickstatistiken sind eindeutig: Nur-Text-Teaser werden sicher viel weniger aufgerufen als solche, die von einem emotional aufgeladenen Symbolbild begleitet werden. Immerhin scheint man inzwischen in manchen Redaktionen zumindest bei Verbrechensnachrichten zu einem inhaltlich neutralen „Polizei“-Symbolbild zu greifen. Ich möchte gerne glauben, dass das aus inhaltlicher Einsicht geschieht.

Bei manchen Themen ist die teilweise offene Lächerlichkeit von Symbolbildern schon legendär, ob lachende Frauen mit Salat, oder der böse Hacker im Kapuzenpulli mit Maske und Handschuhen am Laptop, oder einfach alles, was der extrem unterhaltsame Twitteraccount @darkstockphotos ausgräbt. Aber man sollte meines Erachtens auch jenseits von Verbrechen bewusster wahrnehmen, wie Symbolbilder unsere Perspektive auf Vorkommnisse und Menschen beeinflussen. (Und seitens Redaktionen auf stereotype Darstellungen hoffentlich ganz verzichten.)

Dass Realnamenzwang im Internet problematisch ist, ist ja nichts neues. Aber in der Wissenschaft setzt sich auch die Erkenntnis durch, dass er nicht nur wenig bringt, sondern sogar gegensätzlich wirkt – zumindest, wenn man tatsächlich meint, Hassrede und Trollerei dadurch eindämmen zu können. (Darüber hinaus mögen Organisationen oder Internetkonzerne natürlich noch weitere Motive für Realnamen haben, über die sie nicht immer gerne sprechen, z. B. eine plattformübergreifende Zuordnung von Accounts zu Menschen aus Gründen des Targetings für Werbekunden.)

Im Vokalensemble erarbeiten wir uns gerade Michelangelo Rossi. Mit welchem Spaß der Komponist die Stimmen in ständige Tonartwechsel und Dissonanzen wirft! Herrlich zu singen. Und schwer vorstellbar, dass diese Musik praktisch 400 Jahre alt ist. Hier ein Madrigal, das wir derzeit proben, gefunden auf Youtube:

#12von12, sonntags, text-only

[#1von12]
Blick aus dem Schlafzimmerfenster auf die Wiesen vorm Haus, zarter Reif in der Morgensonne, ein paar Krähen, Elstern und Wacholderdrosseln, die sonst viel befahrene Straße im Hintergrund angenehm sonntagsleer

[#2von12]
Selfie auf der Esszimmerbank im Schneidersitz, in ein Brötchen mit zerteiltem, weichgekochtem Ei beißend, vor mir eine Tasse Cappuccino

[#3von12]
Blick über den Fahrradlenker auf sonnige, frisch beackerte aber noch kahle Felder, im Hintergrund die angrenzende Wohnsiedlung

[#4von12]
Selfie mit Lesebrille am Ambo, konzentriert vorlesend, dahinter der Kirchenchor, gespannt auf seinen nächsten Einsatz wartend

[#5von12]
Zuhause auf dem Sofa, Handy mit Inoreader, Alle Artikel: 67 wollen gelesen werden

[#6von12]
Fernseher, darauf läuft eine 90-Minuten-Folge von Schnell Ermittelt, geschenkt von @jirjen

[#7von12]
Mandelreis im Auberginenmantel aus Türkei Vegetarisch, gekocht von der Möwe (nicht im Bild: mein offenstehender Mund beim Anblick)

[#8von12]
Wäschestapel, ein Haufen Schuhe und ein großer, aufgeklappter Koffer: probepacken für drei Wochen Gesundheitstraining ab Mittwoch

[#9von12]
Das grün-türkis leuchtende Außenbecken des Fürthermare im Dunkeln, darüber Dampfschwaden, im Hintergrund die Silhouette eines kahlen Baums, in dessen Zweigen ein sanft umnebelter Vollmond hängt

[#10von12]
Selfie mit Föhn vorm Schwimmbadspiegel mit kleinen Augen, nicht ganz klar ob Chlor oder wohlige Müdigkeit

[#11von12]
Notebook mit offener Google-Maps-Karte von Fort William und Fußgänger-Routenberechnung zwischen noch zu buchendem Hotel und der Autovermietung, daneben eine Tasse Espresso #urlaubsplanung

[#12von12]
Auf dem Sofa mit Sudoku zum langsamen Runterfahren Richtung Schlaf