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Schottland 2018, Tag 12-14: über Tarbert nach Islay

Nachdem wir in Oban an Land gegangen waren, mussten wir erst einmal mit unserem Gepäck im Regen zur Autovermietung laufen. Nach der ersten, nervösen Viertelstunde Fahrt mit einem unvertrauten Wagen hatte ich mich wieder einigermaßen an den Linksverkehr gewöhnt, nur der Regen war lästig. Auf dem Weg gen Süden hielten wir im hübschen Kilmartin auf einen Kaffee im archäologischen Museum an und fuhren aber ohne weitere Besichtigung durch bis nach Tarbert, wo wir vor zwei Jahren schon einmal waren, allerdings nur zu Fuß per Fähre für einen Nachmittag. Diesmal hatten wir ein recht heimeliges Bed-and-Breakfast ausgesucht, um am nächsten Tag mit der ersten Fähre vom nahe gelegenen Kennacraig nach Islay zu fahren, und da es inzwischen aufgehört hatte zu regnen, verbrachten wir den Rest des Tags mit ein wenig faulenzen und Spaziergängen rund um den kleinen, geschäftigen Hafen, an dem jede Menge Fisch und Meeresfrüchte verladen wurden.

Nach dem Frühstück ging es auf die Fähre, die uns in über zwei Stunden Fahrt an der Insel Jura vorbei nach Islay brachte, unserem Ziel für die Woche. Wir konnten unser Ferienhäuschen erst am Nachmittag beziehen, so schauten wir uns erst einmal im Hauptort Bowmore sowie Port Ellen um, wo wir auch schon Milch, Obst, Gemüse und was man sonst noch so braucht einkauften. Unser Haus lag in Lagavulin, noch einmal wenige Kilometer von Port Ellen entfernt, mit Blick auf die kleine Bucht mit der gleichnamigen Distillerie und der alten, sehr kleinen Burgruine Dunyvaig. Das Wetter war nicht mehr so wirklich verlockend, und so verbrachten wir den Abend mit Lesen, Essen und Zurück in die Zukunft III im britischen Fernsehen.

Am Sonntag fuhren wir bei diesigem Wetter zur Machir Bay an der Westküste. Wie bei den meisten Wanderungen auch schon in den vergangenen Jahren folgten wir einem Vorschlag von Walkhighlands, einer hervorragenden Webseite mit hunderten Wanderwegen in Schottland, samt detaillierter Beschreibung, Fotos, GPS-Daten, User-Bewertungen und vielem mehr. Hinter den Dünen, wo wir unter anderem seltene Alpenkrähen gesehen hatten, ein kilometerlanger, feinsandiger Strand, an dem sich nur wenige Menschen verliefen. Es war diesig und windig, doch anders als noch während unserer Schiffstour z. B. auf Lewis war die Luft richtig mild, und wir aßen in den Dünen sitzend ein Wanderpicknick wie früher auf Island mit Käsebrot und Tee.

Weiter nach Süden ging es über Port Charlotte bis Portnahaven an der südwestlichen Landspitze, immer um Loch Indaal herum, dem Meeresarm, der die westliche und östliche Halbinsel trennt. Wir waren dabei überrascht, wie überschaubar der Tourismus auf der Insel ist. Zum einen verteilten sich wirklich nur wenige Touristen über die ganze Insel, obwohl große Landstriche nicht einmal bewohnt sind und sich das Leben im Wesentlichen entlang weniger Straßen und Orte abspielt. (Vielen Leuten begegneten wir daher auch mehrmals während der Woche.) Zum anderen gibt es in den Örtchen auch kaum touristische Infrastruktur wie einen Supermarkt oder auch nur eigene Parkplätze, meist nicht einmal ein Café, so dass man sich schon überlegen muss, wann und wo man etwas essen oder trinken will. Immerhin haben die Hauptstraßen über die Insel fast durchweg zwei Fahrbahnen; auf dem Festland gibt es selbst bei größerem Verkehr oft nur Single-Track-Roads.

Im pittoresken Portnahaven wurden wir von Robben im Wasser begrüßt. Wir liefen eine kleine Runde über den Nachbarort Port Wemyss, von dem aus man auf eine vorgelagerten Felsen mit Leuchtturm schaut, und wo noch viel mehr von ihnen herumlungerten und zwischendurch traurig sangen. (Bedrückend war allerdings der Anblick einer großen, massigen Robbe, die am gegenüberliegenden Ufer auf einem Felsen chillte, mit einer Art Halskrause, einem grünen Plastiknetz, in das sie vermutlich irgendwann einmal ihren Kopf gesteckt hatte und wohl nicht mehr losgeworden war. )

Insgesamt schien das Leben hier zwei Gänge langsamer als anderswo zu laufen und dieses Gefühl übertrug sich auch langsam auf uns. Zurück am Haus liefen wir noch einmal um die kleine Bucht, und später machten wir uns Spaghetti mit Butter und Parmesan, schauten den Kaninchen im Garten zu und planten, was wir in der Woche unternehmen wollten.

Schottland 2018, Tag 10-12: Scarp, Skye, Rum und Mull

Nicht ganz so karibisch-grün wie vergangenes Jahr: Scarp

Nach dem Frühstück gingen wir auf Scarp spazieren, wo neben wenigen, im Sommer bewohnten Häusern nur ein paar Ruinen und ein alter Friedhof stehen, und ließen uns von krawalligen Austernfischern bepiepsen. Nach dem Mittagessen an Bord fuhren wir durch den Sound of Harris. Schon in den Tagen zuvor, wenn wir an der Küste von Lewis entlang fuhren, sahen wir oft ganze Schwärme fischender Basstölpeln in der Ferne, aus denen sekündlich Vögel wie Kamikazeflieger ins Wasser stürzten, was ein fantastischer Anblick ist. (Hier ein Beispielvideo aus Kanada aus unmittelbarer Nähe zu einem riesigen Schwarm.) Hier kamen wir auch an ein paar Dutzend Basstölpeln vorbei, nahe genug, um einen solchen Sturz ins Wasser auch mal festhalten zu können:

zwischem dem Abdrehen Richtung Beute (1. Bild) übers Flügeleinfalten bis zum Einschlag ins Wasser mit der Form eines Missiles (6.+7. Bild) liegt gerade mal 1 Sekunde

Der Himmel blieb dramatisch-bedeckt mit minütlichem Wechsel der Schattierungen, ein Anblick, den ich bekanntermaßen – sofern windgeschützt eingepackt (siehe Foto) – stundenlang genießen kann. Durch den Little Minch fuhren wir so wieder nach Skye, vorbei am Neist Point, den Maiden of MacNeil (drei imposanten Felsnadeln) tief hinein nach Loch Harport bis Carbost, dem Ort, an dem der Talisker Whisky gebrannt wird. Wo die Gipfel der Black Cuillins während unserer Woche auf Skye im vergangenen Jahr immer von Wolken verdeckt waren, thronten sie diesmal düster und vollständig sichtbar hinter den grünen Hügeln. Ein phantastischer Anblick. Ohne an Land zu gehen, verbrachten wir den Abend und die Nacht auf dem Boot.

Am Morgen waren die Berge auch schon wieder komplett hinter tief hängenden Wolken verschwunden und es regnete. Die längste Tour der Reise am vorletzten Tag führte zunächst nach Rum, neben Canna, Mugg und Eick eine der Small Isles. Allerdings die größte und mit bis zu 810 Metern auch die gebirgigste. Auf der bis auf den kleinen Ort Kinloch nicht besiedelten Insel lebt eine große  Zahl Rotwild, und ihre Hügel sind der größte Brutplatz von Atlantiksturmtauchern weltweit. Kurios ist Kinloch Castle, ein überbordend luxuriöses Hotel-Schloss, das sich ein Textilfabrikant im Jahr 1900 baute, komplett mit Billiardräumen, Telefon, Elektrik, erotischen Badezimmern und einem großen Orchestrion. Leider war niemand zu erreichen, der uns eine Besichtigung ermöglicht hätte, und die vielen Gerüste rundherum ließen auch nichts Gutes vermuten. Es scheint insgesamt Geld zu fehlen, es zu erhalten. Auf den Wiesen drumherum grasten pittoresk mehrere Hirsche und Pferde.

Rum strahlte die gleiche friedliche Ruhe aus wie die Nachbarinsel Canna. Vielleicht kein Wunder, wenn selbst im Sommer nur 4-5 mal in der Woche eine Fähre von oder zum Festland fährt. Eine Ausnahme war nur die Baustelle am Pier, hier wurden mehrere Gebäude errichtet. Marine Harvest, eine der großen Fischzuchtfirmen, legt derzeit wie über ganz Schottland verteilt auch nahe der Insel eine Farm an, wo sie vermutlich Lachs züchten. Interessanterweise inzwischen sogar außerhalb schützender Meeresarme in der offenen See. Das Geschäft scheint zu boomen. Haben wir vergangenes Jahr vereinzelt eine Fischfarm hier oder dort gesehen, schienen nun nahezu überall welche aus dem Wasser zu schießen. Der Anblick hat etwas von dystopischer Science Fiction: Vieleckige Käfige, in denen wild die Fische springen, mehrere von ihnen mit großen Schläuchen an ein gemeinsames Mutterschiff angebunden. Art und Umfang dieser industriellen Fischproduktion bringen inzwischen jede Menge ökologischer Probleme mit sich und der Ruf der Firmen ist entsprechend. Auch deswegen scheinen sie sich mit Investitionen in die lokale Infrastruktur der ansonsten strukturschwachen Inseln beliebter zu machen.

Zurück an Bord fuhren wir vorbei an Tobermory (wo wir gerne nochmal an Land gegangen wären) durch den Sound of Mull, bis nach Loch Spelve auf Mull. Unterwegs begegneten wir einem Riesenhai und einem Seeadler (zu weit fürs Foto). Das Steinadlernest in den Felsen, das unser Skipper uns zeigte, war aber leider verlassen. Ansonsten wurde es stockdunkel und fing an zu regnen. Ein letztes Dreigang-Dinner an Bord, und die Reise war fast zuende.

Der Regen hatte in der Nacht nicht aufgehört, und so machte uns das Wetter auf der kurzen letzten Fahrt den Abschied von Boot, Crew und den sympathischen Mitpassagieren leichter, als wir am späten Vormittag in Oban an Land gingen. (Immerhin bekam ich noch ein paar Atlantiksturmtaucher gesehen, nach denen ich schon tagelang Ausschau gehalten hatte.) Eine wunderbare Fahrt, so wie im letzten Jahr, und auch wenn wir nächstes Jahr vermutlich anders Urlaub machen, womöglich (und ehrlicherweise: hoffentlich) nicht die letzte.

Nun stand uns aber erst einmal der zweite Teil des Urlaubs bevor, eine Woche auf der Insel Islay.


Schottland 2018, Tag 9: Flannan Isles

An diesem Tag war das Wetter endlich so freundlich, dass wir zum eigentlichen Ziel der Tour aufbrechen konnten, den Flannan Isles. Nicht viel mehr als ein paar größere Felsen mit Leuchtturm, ca. 30 Kilometer westlich vom „Festland“ der Insel Lewis im Nordatlantik gelegen. Ein Paradies für brütende Meeresvögel, insbesondere Basstölpel, Tordalke und Papageitaucher. Am ehesten sind die Flannans vermutlich für das mysteriöse, abrupte Verschwinden dreier Leuchtturmwärter im Jahre 1900 bekannt, das bis heute zu allen möglichen Spekulationen anregt, wofür aber vermutlich eine Riesenwelle während eines Sturms verantwortlich war.

Die mehrstündige Überfahrt gegen den Wind war trotz einigermaßen ruhiger See etwas bewegter als alle anderen Fahrten, weswegen auch ich einen Teil lieber in der Koje liegend verbrachte. Als wir ankamen, mussten wir noch etwas warten, weil ein anderes Schnellboot noch Passagiere am recht verwitterten Kai absetzte. Auch für uns war der Ausstieg aus dem Schlauchboot abenteuerlich, wenn man sich alte, rostige Leitersprossen greift und sich das Boot unter den Füßen plötzlich 1-2 Meter hebt oder senkt, und auch die folgenden Stufen brüchig, steil und schmal waren. Aber alles vergessen, wenn man auf allen Vieren die Treppen hochgeklettert war und den Kopf hob: Papageitaucher. Nicht zwei. Hunderte. Tausende. Sie standen, saßen, flogen in nächster Nähe um uns herum, beäugten uns neugierig, flatterten über unsere Köpfe hinweg, mit Sandaalen (sic!) im Schnabel oder ohne, manchmal hunderte auf einmal wie auf ein geheimes Kommando startend (wie im Video bei 00:28), daneben viele Tordalken, ein paar Skuas, die sich auf die Beute freuten, die sie den Vögeln abpressen würden, und unten im Wasser Robben, die immer mal wieder die Köpfe übers Wasser hoben um nachzusehen, was nun schon wieder los war. Wir waren nur eine gute Stunde auf der Insel, weil der Himmel langsam zuzog und unser Skipper nervös wurde, wie sich Flut und Wetter entwickeln würden, aber ich habe sie in Erinnerung wie einen einzigen, glücklichen Rausch. Ein absoluter Höhepunkt der Reise.

die Insel

Robben: neugierig, aber letztlich unbeeindruckt

Tordalken

Papageitaucher

Nach dem nicht weniger abenteuerlichen Abstieg zurück ins Schlauchboot und der Rückkehr aufs Schiff ging es an einem reinen Basstölpelfelsen vorbei (der übrigens nach ranzigem Fisch stinkt wie die Pest) für drei Stunden zurück gen Osten zur Insel Scarp, in deren geschütztem Meeresarm wir auch schon vergangenes Jahr ankerten, nur diesmal von Norden her kommend. Beim Abendessen sahen wir noch im flachen Wasser jagende Basstölpel sowie einen kleinen, scheuen Schweinswal, der zwei Mal kurz neben dem Schiff auftauchte und leider nicht wiederkehrte.

rund um die Basstölpelfelsen zurück


Schottland 2018, Tag 6-8: Harris, Lewis und Bernera

Wir ankerten im Loch westlich von Tarbert auf Harris, die Wolken hingen tief und es regnete fast ununterbrochen. Trotzdem gingen wir an Land, um in dem kleinen Fährörtchen an der Landenge von Harris spazieren zu gehen bzw. uns mit den anderen Mitreisenden recht bald lieber im trockenen Café mit WLAN einzufinden und bei einem Cappuccino mal Nachrichten zu lesen. Natürlich schauten wir auch im recht großen Harris-Tweed-Shop vorbei, wo die Möwe einen schönen blau-grünen, unkarierten Stoff für eine Jacke fand.

Am Nachmittag fuhren wir im Regen ein bisschen weiter die Küste hoch bis nach Loch Tamnabhaigh, einem bis auf ein großes Ferienhaus am Hügel weitgehend verlassenen Fleckchen Erde, und verbrachten den Rest des trüben Tages an Bord mit lesen, reden und natürlich essen. Ein ganzer Tag ohne ein einziges Foto!

Am nächsten Morgen war es immer noch grau, aber es hatte wenigstens aufgehört zu regnen. Wir gingen an Land und liefen ein wenig den Hügel hoch und wieder runter, wo es einige Ruinen alter Farmhäuser gab, aus denen schon die Bäume wuchsen. Auf einer etwas längeren Fahrt ging es entlang der rauhen Felsküste von Lewis gen Norden, immer begleitet von Seeschwalben und Basstölpeln. Schließlich ankerten wir in einer Bucht nahe Kneep mit wunderbarem, kilometerlangem Sandstrand grünem Wasser, und jede Menge Vögeln wie einem Eistaucher (der so aussieht, als hätte ihn jemand in den 50ern designed) und einem ganzem Schwarm Mittelsäger, die vorbeizogen. Wir wurden an Land gebracht und liefen den Strand entlang, wo es hübsche, kleine und sehr zerbrechliche Muscheln gab, die aufgeklappt wie Schmetterlinge aussahen. Und dann war dort ein Trupp Sterntaucher, die ich nur von Fotos kannte, ganz nah, und von Zeit zu Zeit sangen sie herzzereißend, fast wie Miauen. Wunderschöne Tiere. Ein paar der anderen waren ins Gelände hinter den Dünen gewandert und hatten sogar einen Wachtelkönig gehört.

Der Morgen begann mit herrlichem Sonnenschein, und ich konnte meinen Blick kaum von diesem grünen Streifen Wasser vorm Strand abwenden, was für eine Farbe. Nach dem Frühstück machten wir eine langsame Runde durch die ganze Bucht, wobei zu den Farben des Wassers und des Himmels auch noch Sonnenflecken über die baumlose, karge, braun-grüne Felsenlandschaft wanderten. Unterwegs sahen wir einen Steinadler, meinen ersten in freier Wildbahn! Wir fuhren nur ein kurzes Stück weiter die Küste hoch, um dann von Norden her in eine kleine, idyllische Bucht zwischen den Inseln Great und Little Bernera zu fahren, wo wir bis zum nächsten Morgen bleiben würden. Und dann kreiste schon wieder ein Steinadler majestätisch über uns, minutenlang im Aufwind ohne auch nur einen Flügelschlag. Unsere Bucht lag offenbar auf seiner täglichen Strecke, denn wir sahen ihn noch mehrfach bis zur Weiterfahrt.

Wir wurden mit Lunchpaketen versorgt (Sandwich, Obst, Schokoriegel, Tütchen Chips) auf Little Bernera abgesetzt und hatten ein paar Stunden, dort herumzuwandern, wo nur Schafe, Rinder und Kaninchen zu leben schienen. Nach kleinen Orientierungsproblemen meinerseits kamen die Möwe und ich endlich am Nordostufer aus, wo es den wunderbarsten Ausblick der ganzen Bootstour gab: Sonne und dunkle Wolken, grün und blau und sandgelb und außer uns Passagieren niemand weit und breit.

Panorama auf Little Bernera

Nach unserem Picknick ging es zurück über teilweise recht sumpfige Wiesen zur kleinen Bucht, von wo aus uns Tim noch ein Stückchen weiter zu einem Strand auf Great Bernera brachte, wo wir – während die anderen irgendein Haus aus der Eisenzeit besichtigten – in der Sonne sitzen blieben. Die Attraktion des Strands, eine Gezeitenglocke am Ufer, blieb wegen der Ebbe leider nur ein tonloses Glockentürmchen. Zurück auf dem Boot gab es zum Dinner noch einen Regenbogen.