… im Knoblauchsland.
(Jetzt, wo ich kein Instagram mehr habe, kommt das alles ins Blog.)
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Der Himmel ist grau in grau, es schneit, und in den ersten anderthalb Stunden scheint außer mir niemand unterwegs zu sein, so dass außer dem knark knork meiner Schritte im Schnee, dem beständigen Knistern in den Bäumen und hin und wieder einem Vogel nichts zu hören ist. Es tut sehr gut, draußen zu sein, die frische Luft zu atmen, Augen und Ohren offen zu halten, und nach langer Zeit richte ich die Kamera auch mal wieder bewusster auf anderes als nur Vögel. (Was natürlich keineswegs heißt, dass ich den Trupp Erlenzeisige links liegen lasse, der sich gerade am Wegrand durch die kleinen Zapfen ihres Namensbaums futtert.) Ich habe sogar Glück, die drei Przewalski-Pferde aus nächster Nähe zu Gesicht zu bekommen, die auf dem großen Freigelände des ehemaligen Truppenübungsplatzes überwintern. Als ich zurückkomme, empfängt mich die Möwe mit selbstgebackenen Krapfen mit Himbeersahne. <3
Es ist schon wieder vier Jahre her, dass wir in Taizé waren. Taizé ist gewissermaßen mein spirituelles Zuhause; in den 90ern zu Studienzeiten war ich in manchen Jahren sogar zwei Mal dort. Gedacht ist der Aufenthalt dort nach wie vor hauptsächlich für junge Leute zwischen 16 und 30, aber auch „Erwachsene“ sind grundsätzlich willkommen. Eine Woche mit augenöffnenden Bibelstunden, Gesangsunterricht, gemeinsamer Arbeit (wir waren wieder zum Geschirr spülen eingeteilt, was Spaß macht), und als Taktschlag die drei gemeinsamen Gebete am Tag mit den wunderbaren, stets mehrstimmigen Gesängen und der langen Zeit der Stille darin – ich kenne keinen Ort, an dem ich müheloser den ganzen Alltagskrampf hinter mir lassen kann, meiner Seele und Gott hinterherspüren, und darüber nachdenken, wo ich im Leben eigentlich gerade stehe.
Der kaputte Reifen gleich am ersten Abend hätte nicht sein müssen, und insgesamt war es Anfang Oktober auch im Burgund zwischendurch schon ziemlich kühl und nass, aber das hat nichts an dem geändert, dass die Woche dort wie jedes Mal eine ganz besondere Erholung und innere Ruhe mit sich brachte. Die Handyfotos als Impressionen können das nicht wirklich einfangen.
Anschließend verbrachten wir, quasi auf halber Strecke zurück, noch vier Nächte im Elsass, mit kleinen Wanderungen, viel Rumschlumpferei, und gutem Essen (etwas, wofür Taizé nicht so sehr berühmt ist). Die Möwe arbeitet heute Abend schon wieder, meine Arbeit geht dann am Montag wieder los, unter neuer Organisationsstruktur und neu zusammengewürfelten (aber bekannten) Chefs. Ich bin nicht gerade enthusiastisch, aber sehe dem Büro und der Zeit bis zum Jahresende schon wieder sehr viel gelassener entgegen.
Der Tag begann dunstig, aber später wurde der Himmel wolkenlos – jedoch kühlte man bei starkem Wind im Nu aus. Den Morgen verschlumpft, später zum Unterstand gefahren, an dem wir die Eule gesehen hatten, aber der Wind hatte fast alle Vögel vertrieben. Den Mittag lesend verbracht und später nach Kirkwall gefahren. Am Peedie-See mitten im Ort zum allerersten Mal die merkwürdig gescheckten Eisenten gesehen sowie jede Menge Flussseeschwalben. Endlich auch mal die prächtige St. Magnus-Kathedrale besichtigt mit ihrem warmem, roten Sandstein. Für die geführte Tour durch die höheren Etagen hätten wir uns offenbar schon Tage vorher anmelden müssen, sie war leider längst ausgebucht. Die Besichtigung der Palastruine nebenan haben wir uns wieder geschenkt, auch wenn sie auf den Fotos online recht beeindruckend rüberkommt. In der Kombination Sonne und Windschatten konnten wir sogar draußen sitzen und einen Cappuccino trinken.
Noch ein wenig durch den Ort spaziert, uns am Strand von Scapa etwas Sand um die Nase wehen lassen und dann zum Restaurant gefahren, um auch einmal richtig essen zu gehen. Mit Blick auf die Bucht Scapa Flow aßen wir Jakobsmuscheln / Meeresfrüchtplatte, North Ronaldsay Schaf / Wolfsbarschfilet und Chocolate Brownie mit Orange-Frozen-Joghurt. (Den Nachtisch aßen wir ausnahmsweise zu zweit, ansonsten bestellen wir eigentlich immer verschiedene Gänge und tauschen zwischendurch die Teller, damit jeder doppelt so viele Sachen probieren kann. Frage an die Paare: Sind wir da die Einzigen, oder macht ihr das auch?) Außerdem probierte die Möwe einen Gin Tonic mit dem lokal produzierten Old Tom Rhubarb, der so gut schmeckte, dass wir am nächsten Tag gleich eine Flasche davon gekauft haben. Zurück zuhause noch ein wenig gelesen und ferngesehen, während der nach wie vor heftige Wind im Kamin pfiff.
Letzter ganzer Tag der Reise. Nachts aus irgendwelchen Gründen wach gelegen, dann nochmal eingeschlafen und schließlich den ganzen Tag neben der Kappe gewesen, dazu noch eine Portion Letzter-Urlaubstag-Blues. Am späten Nachmittag in Richtung der südlichen Inseln gefahren. An einer der Barriers sollte es eine Zwergschwalben-Kolonie geben – auch eine Art, die ich noch nie gesehen hatte. Und tatsächlich, nach ein paar Metern am Strand, den man von der Straße nicht sehen konnte, saßen, putzten, flogen eine ganze Menge von ihnen herum. So elegante, zarte Vögel! Wunderschön. Naturschützer_innen und Schüler_innen hatten ihnen ein eigenes, abgezäuntes Areal eingerichtet samt Überwachungskamera gegen Hermelinbesuche und herzerwärmenden Plakaten aus Kinderhand, die dazu ermahnten, den gefährdeten Schwalben und ihren Küken nicht so nahe zu rücken.
Ein paar Schritte durch St. Margaret’s Hope gelaufen, einem sehr süßen Ort, dann ein letztes Mal nach Stromness gefahren, wo wir Fischfilet kauften und bei Sonne am Hafen ein paar Pommes aßen und zusahen, wie sich die Fähre leerte und wieder füllte. Was einem auf den Inseln übrigens auffällt: Hübsche Häuser sind eher selten. Nur wenige, alte Häuser sind aus schönen, grauen Granitsteinen gebaut wie unser Cottage, und noch viel weniger sind weiß verputzt wie sonst oft in Schottland, dafür dominieren Häuser aus grau-braunem Waschbeton. Sie geben einem das Gefühl, dass das Leben hier nicht eben luxuriös ist und viele nur wegen der Arbeit hierher gekommen sind. Klar! Aber vergisst man schon mal als von der landschaftlichen Schönheit begeisterter Tourist, der gerne auch ein bisschen rumspinnt, ob man nicht hierher ziehen und die zum Verkauf stehende ehemalige Kirche..?
Zuhause machten wir den Fisch mit Bratkartoffeln und Salat, und gegen Neun fuhren wir noch einmal zur Bucht in der Nähe, um bei wolkenlosem Himmel einen grandiosen, kitschigen Sonnenuntergang über dem Meer zu erleben. Der richtige Schlusspunkt für zwei sehr entschleunigte, erholsame Wochen mit viel Natur.
Wir hatten den Zeitpunkt Anfang Mai ja gezielt ausgesucht; alle Vögel brüten, es sind noch wenige Touristen (vor allem noch keine täglichen Besuche großer Kreuzfahrtschiffe), und laut Klimatabellen waren auf den Orkneys im Mai und Juni auch die wenigsten Regentage und meisten Sonnenstunden zu erwarten. Dass wir aber nördlich der schottischen Highlands praktisch 12 von 14 Tagen ohne Regen, meist sonnig und zuweilen sogar wolkenlos verbringen würden, hätten wir nicht erwartet.
Apropos Vögel: Ich habe eine tägliche Artenliste geführt, Bilanz:
76 Arten insgesamt (es hätten locker über 90 sein können, wenn man es drauf angelegt hätte; vor allem einigen bei uns total häufigen Singvögeln begegnet man dort nur an den wenigen Stellen, wo es auch Bäume gibt)
8 erstmals gesehene Arten: Berghänfling, Eisente, Prachttaucher, Schwarzkehlchen, Steinwälzer, Sumpfohreule, Uferschwalbe, Zwergseeschwalbe
Highlights außerdem: Papageitaucher, Eistaucher und Sterntaucher, Sanderling und Steinwälzer, Kornweihe, Löffelente, Rabe und Steinschmätzer
Arten, die uns jeden Tag begegneten, quasi das Grundzwitschern Orkneys: Amsel, Austernfischer, Bachstelze, Brachvogel, Fasan, Feldlerche, Graugans, Haussperling, Höckerschwan, Kiebitz, Krähenscharbe, Lachmöwe, Nebelkrähe, Rauchschwalbe, Rotschenkel, Saatkrähe, Silbermöwe, Skua, Star, Stockente und Wiesenpieper
Wen es interessiert: Ein Spektiv mitzunehmen lohnt sich nur bei ausgesprochenen Vogeltouren. Hier war es 1. zu schwer, 2. nur an wenigen Stellen wirklich sinnvoll und 3. zu den meisten Tageszeiten wegen Luftflimmern ohnehin nicht nutzbar. Ein gutes Fernglas reichte völlig aus.
Der Abreisetag war grau und trüb, wie es sich gehört. Wir hatten schon abends das meiste gepackt, verabschiedeten uns noch von unserer sehr netten Vermieterin, machten auf dem Weg noch einen kleinen Abstecher zu einer Kirche mit altem Friedhof und verbrachten schließlich ein-zwei Stunden in Kirkwall, bevor uns der Autovermieter mit seinem Shuttle zum Flughafen brachte und wir den Rest des Tages an Gates und in Flugzeugen zubrachten, bis wir irgendwann vor Mitternacht zuhause ankamen.