Eigentlich fand ich Krimis mit realistischem Setting und aktuellen Themen immer interessanter als andere. Jetzt so: Bürgerwehr, och nö… Können sie nicht einfach mal einen Mord aus Habgier erzählen?
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EIL!!1!-Meldungen, dass der Flughafen auch in diesem Jahr nicht fertig wird. So schön.
Ein Kommentar auf Spektrum beschäftigt sich mit den Schätzungen der volkswirtschaftlichen Kosten psychischer Krankheiten (aka „finanzieller Schaden“), die regelmäßig durch die Medien gehen, und der Ethik, die dahinter steht. Diesen Gedanken finde ich bemerkenswert:
Drittens, und am wichtigsten, gehen die Berechnungen aber davon aus, dass jeder von uns die Gesellschaft Geld kostet, sobald er nicht zu 100 Prozent arbeitsfähig ist. Bei diesen „Kosten“ geht es natürlich vor allem um Arbeitsausfall. Interessanterweise zählt etwas, das vielleicht erwirtschaftet werden könnte, schon als Verlust, wenn es nicht erwirtschaftet wird.
[…] Würden Gesundheitsökonomen nicht von einem 100-Prozent-Menschen, sondern realistischerweise nur von einem 95-Prozent- oder gar nur 90-Prozent-Menschen ausgehen, der eben manchmal krank ist und darum nicht arbeiten kann, dann verschwände auch ein Großteil der berechneten „Kosten“. Das wäre dann aber schlecht für die PR.
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Nach mehr als fünf sehr zufriedenen Jahren in der Arbeit an einem Punkt angelangt, an dem es nicht mehr weitergeht und mir die Situation dauerhaft zusetzt. Was gut ist: Es braucht bei mir zwar meist Zeit, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem mein Selbstschutz und Trotz aufwachen. So habe ich heute ganz ruhig und klar die Entscheidung getroffen, etwas neues zu suchen, dazu erste Kontakte in Erfahrung gebracht. Aus der Mühle aussteigen und wieder Handlungsfähigkeit gewinnen, ein gutes Gefühl.
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Die Möwe hat genäht und sprach:
https://www.instagram.com/p/BPTEI6CBYBP/
… was natürlich eine Referenz auf diesen Song ist. Erstaunlich, wie gut man den mal wieder hören kann:
Nachdem ich über Monate hinweg alle CDs digitalisiert hatte und unser Platz für Bücher spätestens seit Weihnachten endgültig nicht mehr reicht, habe ich jetzt über 700 CDs in Plastikboxen verstaut, die CD-Regale entfernt, und an Stelle der 4 Bennos ein passgenaues Billy-Regal gestellt, das bislang im Keller vor sich hin staubte. Gestern Abend sortierte ich die Bücher aus insgesamt 2,80 m Regal neu, weil ohnehin alles Kraut und Rüben war, und verteilte sie auf den neu gewonnenen Platz.
Tja. Goodbye CDs! Ich glaube, ich werde sie nicht vermissen. Genauso wenig wie: Hallo Rückenschmerzen, ihr alten Saftsäcke! (Ich fürchte, der alte Saftsack bin ich inzwischen selbst, rein fitnessmäßig.)
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Heute abwechselnd Schnee und Sonne, und im Garten feierten plötzlich alle möglichen Vögel Party, die sich vergangenen Sonntag zur Zählung komplett verdrückt hatten. Ganz besonders schön waren die Besuche von Eichelhäher und Grünspecht, wobei der Specht überhaupt kein Problem damit hatte, nur 3 Meter von uns entfernt im Wiesenboden nach Insekten zu wühlen. Was für ein schönes Viech. Und der Bussard war auch mal zu sehen, wenn auch immer noch zu weit weg für mein Tele. (Bitte das Fotobombing des Hähers beachten.)
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Zum Abend zwei Forellen gebraten (zuvor mit einer Mischung aus Olivenöl, Thymian und Zitronenschale eingepinselt), dazu gab’s einen Spinat-Kartoffel-Auflauf, angelehnt an das Rezept von Paprika Meets Kardamom, d.h. mit Knoblauch und getrockneten Tomaten, mit denen wir auch sonst gerne frischen Blattspinat verfeinern.
Kennt ihr eigentlich die Rezeptsuche in deutschsprachigen Foodblogs? Seit Jahren unsere erste Anlaufstelle um herauszufinden, was wir mit den eingekauften Zutaten so kochen werden, so wie heute. Auch wenn leider noch ein paar gern gelesene Blogs fehlen.
Was für ein Sturm gestern. Hätte ich am Donnerstag meinen Rechner nicht im Büro gelassen, wäre ich im Home-Office geblieben, anstatt mit beiden Händen fest am Lenkrad über die Autobahn zu eiern.
(Soundtrack: Flatternde Fahnen vor der Firma)
Es brauchte dann im Büro auch nur zwei, drei Ausfälle von Telefon und Netz (irgendwie haben sie die Technik im neuen Gebäude noch nicht im Griff), um mich wieder auf den Heimweg zu machen und den Rest des Tages vom Esszimmertisch aus zu arbeiten. Hatte ich mir sowieso vorgenommen öfter zu tun, vor allem wenn wenig Meetings und hauptsächlich Dokumentenarbeit anstehen.
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Im Guardian ein sehr langer, interessanter Beitrag über Aufstieg und langsamen Abstieg der britischen Curry Houses in den vergangenen 50 Jahren. Es geht um Migrationsgeschichten über mehrere Generationen, um kulinarische Weltoffenheit, die Frage, wie authentisch eine Küche sein kann, um Brexit und die Veränderung von Esskultur und Gesellschaft an sich.
The curry house taught a white population that was eager to shed its colonial past to relinquish an earlier generation’s suspicion of garlic and chilli. For a while, curry lovers could tell themselves that openness about spice was a form of cultural broad mindedness. But the curry house’s current predicament shows that a national attachment to Indian food did not necessarily extend to the people who made it.
Eigentlich wollte ich ausführlicher darauf eingehen, aber Fr. Kaltmamsell hat das schon hervorragend getan und dazu versucht, Parallelen zum deutschen Döner zu ziehen.
Viele Antworten drehen sich um Körper und Kleidung: Ausführliche Hautpflege. Schaumbäder. Nagellack. Makeup gegen Augenringe. Nach Blüten und Früchten duften. In bequemen Leggins rumlaufen. Laser-Haarentfernung am Po. In weiblichen Posen sitzen. Handtaschen. Anale Stimulation mögen. Beine rasieren. Sein Baby an der Brust stillen. (Okay, das scheitert wohl öfter an körperlichen als gesellschaftlichen Hürden. Aber den Wunsch kann ich gut verstehen.)
Aber auch: Stricken. Nähen. Quilten. Häkeln. Dinge lautstark süß finden. Bei der Partnerin einkuscheln. Sich über Frauenkleidung unterhalten. Fruchtige Drinks. Über die Schönheit von Männern reden. Zu seinem Faible für romantische Liebesgeschichten stehen. Frauen Komplimente machen, ohne dass es als Flirten verstanden wird. Nicht für das Funktionieren alles Technischen verantwortlich sein. Nicht interessiert tun müssen, wenn andere über Sport reden. Um Hilfe fragen. Offen verletzlich oder schwach sein. Über schwierige Dinge reden. Vor anderen weinen.
Die traurigsten Antworten sind sicher: Vorschulkinder unterrichten dürfen, arglos (fremde) Kinder anlächeln und mit ihnen interagieren zu dürfen.
Was würde ich selbst tun? Was mir spontan einfällt ist, wie sehr ich Frauen jeden Sommer darum beneide in luftigen Kleidern herumlaufen zu können und keine geschlossenen Schuhe, Socken, lange Hose und Hemd tragen zu müssen. Ansonsten bilde ich mir ein, viele der genannten Dinge ohnehin zu tun, wenn mir danach ist bzw. wäre. Nun gut, Kosmetik oder Handarbeiten waren eh noch nie so mein Ding, aber ihr habt keine Ahnung, wie leicht man mich zum Weinen bringt. Oder wie gerne ich Kleidung und Schmuck für die Möwe aussuche oder aussuchen helfe. Ich selbst bin jetzt keiner, der besonders toll mit kleinen Kindern umgehen kann, aber über den Argwohn, mit dem man Männern begegnet, die gerne mit (fremden) Kindern reden und spielen, würde ich mich allerdings auch dann nicht hinwegsetzen wollen.
Ich hadere nun schon ein Leben lang mit Männlichkeitsbildern; bei so lustigen Internet-Umfragen wie Which <fictional character> are you? werde ich auch regelmäßig als weiblich gedeutet. Das zu akzeptieren wurde mit der Zeit aber immer leichter; inzwischen bin ich sehr gerne Mann, auch wenn ich in mancherlei Hinsicht nicht den Männlichkeitsidealen entspreche. Vielleicht ein Vorteil, wenn man älter wird und lernt, die vorgegebenen Rollen irgendwann nicht mehr für bare Münze zu nehmen:
(Und natürlich ein Vorteil, wenn man cis ist und von anderen eindeutig als (heterosexueller) Mann gelesen wird.)
Wow, sieht die Elbphilharmonie nicht großartig aus? Dieser Saal mit den Terrassen rund um das Orchester herum, so schön. Ich hoffe, irgendwann auch einmal dort zu sitzen, mit geschlossenen Augen, und von der Musik und dem Klang weggefegt zu werden, z. B. mit Prokofiev.
(eines der Fotos ist nicht im Miniaturwunderland gemacht worden :-)
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Obamas Abschiedsrede gesehen, so wie viele seiner Reden der letzten acht Jahre. (Und wie immer mit leichtem Phantomschmerz – würden doch deutsche Politiker*innen so reden können.) Ich war sehr gespannt, wie er auf die sich anbahnende Katastrophe der zukünftigen Regierung eingehen würde, auf die schon angekündigte Rücknahme aller innenpolitischen Errungenschaften der letzten Jahre, auf den brandgefährlichen neuen außenpolitischen Kurs. Doch kein Wort davon. Stattdessen hielt er eine optimistisch gestimmte Ode an die Demokratie, betonte den selbstverständlichen, friedlichen Übergang von einer demokratisch gewählten Regierung zur nächsten, beschwor den Gemeinsinn der USA und die Stärke der Vielfalt.
Ein wenig ratlos hat mich das schon zurückgelassen. Ich glaube, es wird sehr viel mehr brauchen als das, um in den kommenden Jahren die jetzt schon sichtbaren Angriffe auf demokratische Grundrechte wie Pressefreiheit, die gewollte weitere Spaltung der Gesellschaft und die Korruption durch Trumps Familie und ihre Günstlinge sowie die außenpolitische Unberechenbarkeit zu kontern. Woher nimmt Obama seinen Optimismus (oder Naivität gar?) und hält eine Rede, als hieße der nächste Präsident John McCain und sein Stab und Kabinett wären nicht Nazis, Hardliner oder Profitgeier, sondern Republikaner mit Staatssinn wie früher? Warum beschwört er nicht die geringste Gefahr (abgesehen von abstrakten Allgemeinplätzen wie dass die Demokratie dann am gefährdetsten sei, wenn man sie für selbstverständlich hält)?
Aber ich selbst bin ja naiv, denn insgeheim hoffe ich immer noch, dass er und andere in den vergangenen Wochen im Stillen jede Menge Dinge geregelt haben, dass Obama vielleicht schon weiß, dass Bundesbehörden, Geheimdienste oder Militär nicht alles mitmachen werden, vielleicht sogar in der Lage sind, Trump zu demontieren, was weiß ich.
Obama kann man sicher für vieles kritisieren, was in seiner Amtszeit passiert oder gerade auch nicht passiert ist, aber in Summe bleibt der Respekt für einen außergewöhnlichen Politiker. Und für eine ebenso außergewöhnliche Michelle Obama, die nicht nur genauso großartige Reden gehalten hat, sondern auch zusammen mit ihrem Mann einen ganz neuen, modernen und menschlichen Stil von Präsidentschaft vorgelebt hat.
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Ich finde ja, es gibt keine Materialkosten. Deine Materialkosten sind der Lohn eines anderen.
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Bad Staffelstein, oder wie mein Vater sagt: Bad Stachelschwein.
Generationen um Generationen tragen die Frauen die Namen ihrer Väter und ihrer Männer. Eigentlich müsste es also „Vatername“ heißen und nicht „Mädchenname“. Genau, wie ein Teil von mir mit dem Ablegen des Namens meines Vaters verschwindet, so verschwindet ein Teil der Identität aller Frauen und wird zu privater Geschichte, die nach außen nicht mehr ohne Weiteres sichtbar ist. Mit dieser Erkenntnis sehe ich bildhaft die langen Linien der Frauen meiner Familie vor mir und verstehe, wie wenig ich eigentlich weiß.