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Ein Morgen mit Nachtigallen

Urlaub. Das waren drei Wochen Costa Rica geplant für Mai 2020, dann umgewandelt in zwei Wochen Lewis & Harris im Mai 2021, dann Anfang des Jahres umgewandelt in je eine Woche Ferienhaus im Allgäu und am Bodensee, dann vor zwei Wochen wg. Beherbergungsverbot gekürzt in eine Woche zuhause. Die geplanten Fahrradtouren zu zweit zerfleddert gerade der Sturm. Ich weiß, das ist verglichen mit vielen anderen ein Luxusproblem, aber wir beide hätten die Erholung wirklich, wirklich nötig, und die ist in den eigenen Wänden gering, wenn der einzige Unterschied zu sonst das Nichteinschalten des Arbeitsrechners ist.

Gestern morgen war zumindest das Wetter noch schön. Die Möwe musste leider doch noch arbeiten, weil Corona ihre Arbeit gerade nicht in Ruhe lässt, so plante ich einen Vogelmorgen am Obermain. Fünf Uhr morgens war ich nach nicht mal fünf Stunden Schlaf knallwach, also los ins eine Autostunde entfernte Naturschutzgebiet Mainaue zwischen Bamberg und Schweinfurt, wo ich kurz nach Sonnenaufgang ankam und von Hasen auf den Feldern im Gegenlicht und einem vollen Vogelkonzert begrüßt wurde. Darunter mit als erstes ein Wendehals. Bis letzte Woche hatte ich noch nie bewusst einen gesehen oder gehört, am Samstag war ich dann gezielt zum nahegelegenen ehemaligen Truppenübungsplatz gefahren um welche zu finden – erfolgreich, siehe Foto – und seitdem ist ihr Ruf für mich klar mit ihnen verbunden. Früher habe ich ihn vermutlich unter Buntspecht oder so verbucht. Wie es so ist, wenn man etwas Neues lernt: Plötzlich nimmt man es überall wahr.

Was mich den Morgen nicht mehr verlassen würde war Nachtigallengesang. Um den ganzen See herum und später noch an zwei anderen Stellen war alles voll von ihren Trällern und Seufzern, alle hundert Meter die nächste. Oft so laut, dass man kaum die anderen Vögel hören konnte. Ich habe noch nie so viele an einem Tag gesehen und gehört. Wunderbar.

4 Minuten Gesangsvortrag (mit dem Handy aufgenommen), begleitet vom Zilpzalp, Gänsen und ein paar anderen Statisten

Am Ende habe ich beachtliche 58 Arten gezählt, die mir begegnet sind, darunter Rohrweihe, Pirol, Schwarzmilan, Mauersegler, ein ganzer Baum mit brütenden Kormoranen (auf dem Foto sieht man links schon eine Fütterung), ein ungleiches Gänsepaar aus Kanada- und Saatgans, Knäkenten und ansonsten allem, was der Mai bei uns an Arten dieser Landschaft bietet. Dabei fehlten noch jegliche Watvögel; vermutlich wusste ich aber nur nicht, wo schlammige Flachwasserflächen zu finden gewesen wären.

Und dann war da noch der Kuckuck. Wo Schilf ist, sind Kuckucke oft nicht weit; Teichrohrsänger gehören zu ihren bevorzugten Wirtsvögeln. Seit Jahren versuche ich vergeblich, einen nicht nur als verschwommenen kleinen Fleck aufs Foto zu bekommen. Sie flattern pausenlos von einer Warte zur nächsten, nicht vorhersagbar wo sie sich niederlassen, sind scheu und wenn sie mal in Fotografierweite sitzen, dann verdeckt hinter Zweigen. Ich hatte es mir ein Weilchen am Ufer des kleinen Sees bequem gemacht, um die Kanadagänse zu beobachten, da hörte ich ihn unmittelbar hinter mir ganz nah und ohne den üblichen Hall der Landschaft rufen. Ich wusste, wenn ich mich jetzt umdrehe, nimmt er mich wahr und haut ab. Ich versuchte es in Zeitlupe. Aus dem Augenwinkel saß er vier Meter weiter auf einem Ast, aber dann war er auch schon wieder weg. Irgendwann krieg ich dich, Freundchen!

Schöner Tag. Ich mag diese Landschaft sehr: Schilf, kleine Seen und Teiche, stille Flussarme, Wiesen, Hecken und kleine Auwälder, ganz ähnlich wie z. B. das Donauries bei Günzburg oder die Regentalaue bei Cham. Der kühle Wind ließ einen fast vergessen, wie kräftig die Sonne schon ist. Und im Gegensatz zu anderen Vogel-Hotspots wie z. B. der Goldbergsee in Coburg oder gar die Altmühlseeinsel bleibt man sogar weitgehend ungestört von anderen Spaziergängern, Radlern oder Joggern.

Hohler Fels und Happurger See

Nach einem sehr stressigen und langen Tag ist die vorletzte heftige Quartalswoche auf der Arbeit nun auch geschafft. Wobei… bis morgen Abend werde ich noch einmal einen ganzen Stapel erledigen müssen. (seufzt) Wie immer, wenn mein Kopf rotiert, war ich heute früh nach nur 5 Stunden Schlaf schon wieder wach. Da der Himmel überraschend gut aussah (es hätte lt. Wetterochs auch Inversionsbewölkung sein können), wollte ich die frühe Stunde mit etwas anderem als Timelinegescrolle nutzen und bin nach Happurg in die Hersbrucker Schweiz gefahren. Um zehn nach sieben war ich am Wanderparkplatz, freute mich über die überraschende Schneelandschaft (rund um Nürnberg und Fürth war diese Woche nichts liegen geblieben) und frühstückte in Ruhe einen Kaffee samt Rosinenstütchen, Verzeihung: Osterlaibchen, die ich unterwegs aufgegabelt hatte. Dann ging es hoch auf die Houbirg, einem etwa 250 über Happurg ragenden Berg.

Der Matschpfad durch ein schattiges Tal war nicht nur sehr steil, sondern durch das heruntergeflossene und wieder angefrorene Schmelzwasser auch eine einzige Rutschbahn. Der gefrorene Schnee am Rand war noch am trittsichersten – dennoch ließen sich ganze Abschnitte nur in Tippelschritten besteigen und ich hätte mich mehrfach fast hingelegt. Sehr anstrengend, zumal mir jegliche Kondition nach Monaten ohne Morgenrunden fehlt. Glücklicherweise wurde der Anstieg ein paar hundert Meter vorm Gipfel seichter, dort oben schien auch endlich die Sonne und ich war völlig geflasht von den Lichtstreifen zwischen den Bäumen.

Kurz drauf erreicht man den hohlen Fels, eine Felsformation mit Karsthöhle hoch über dem Happurger See, in offenbar schon in der Steinzeit Menschen lebten. Was für ein Ort und eine wunderbare Aussicht. Wow.

Weiter ging es auf der anderen Seite durch den Wald wieder hinunter, an manchen Stellen nicht weniger glatt, aber lange nicht mehr so steil. Ich hatte mir die Wanderung hauptsächlich wegen der Landschaft rausgesucht, aber natürlich vorher auch mal geschaut, welche Vögel in der Gegend so gemeldet werden: Spechte! Klein-, Mittel-, Bunt- und Grau- bis Schwarzspecht scheinen sich in den Wäldern der Hersbrucker Schweiz recht wohl zu fühlen, was für viel alten Baumbestand spricht. Und wenn ich heute auch sonst keine bemerkenswerten Vögel gesehen habe, flog mir doch immerhin ein Schwarzspecht über den Weg und ließ sich ein paar Minuten dabei beobachten, wie er Baumstümpfe nach Fressbarem abklopfte. Nach letztem Jahr meine zweite Sichtung überhaupt!

Über den Ort, dann zwischen Obstgärten am Hang und die letzte Strecke am See entlang ging es zurück zum Ausgangspunkt, wo der Parkplatz inzwischen voll und die Wege gut mit Ausflüglern bevölkert waren; gut, dass ich dass ich schon auf dem Heimweg war. Was für ein schöner Spätwintermorgen.

Wasseramseln

Vor knapp zwei Jahren hatte ich meine erste Wasseramsel gesehen, und das nicht zufällig (obwohl man ihr in der Gegend an Flüssen mit klarem Wasser grundsätzlich begegnen kann), sondern gezielt an einer Stelle eine Autostunde entfernt in Oberfranken. Zum einen sind sie dort seit Jahren im Frühling absolut zuverlässig zu finden, weil ein Abflussrohr in einer alten Eisenbahnbrücke ihnen wohl Jahr für Jahr ein ideales Nest bietet, zum anderen kann man dort parken und sie aus dem Auto heraus aus wenigen Metern Entfernung betrachten, ohne sie zu beunruhigen. Schwierig sind nur die Lichtverhältnisse: Reinweiß- bis anthrazitfarbene, sehr flinke kleine Vögel im Brückenschatten, dahinter grelles Sonnenlicht. Aber ideal, um gestern das gute Wetter zu nutzen und die Möglichkeiten der Kamera auszutesten. (Nicht, dass ich einen besonderen Grund gebraucht hätte, einen Lieblingsvogel aufzusuchen. Gut, die Stunde Autofahrt macht schon ein bisschen schlechtes Gewissen. Obwohl… nein. :-)

Kaum den Motor abgestellt, sah ich schon die erste auf ihrem Stein gegenüber sitzen und reviermarkierend knicksen. Schnell zeigte sich, dass es ein Pärchen war, offensichtlich entweder noch bei der Besichtigung verschiedener Nistmöglichkeiten, oder schon in der Zeit zwischen fertigem Nest und Eiablage, denn beide flogen und tauchten die ganze Zeit herum praktisch ohne Nistmaterialien zu transportieren. Zwischenzeitlich waren sie immer mal wieder flussauf- oder -abwärts verschwunden, z. B. wenn sie von einem vorbeilaufenden Spaziergangshund vertrieben wurden, aber kamen eine Viertelstunde später mit ihrem lauten, kratzigen Ruf zurück. Und ich war glücklich, weil ich jede Menge Zeit hatte, Fotos und Videos von ihnen aufzunehmen. Highlight sind natürlich ihre unglaublich schnellen Tauchgänge in der starken Strömung. Ein Bonbon war aber auch der Moment, wo sich Wasseramsel und normale Amsel für kurze Zeit am Ufer trafen – und einander komplett ignorierten. Beide Arten haben außer ihrem deutschen Namen nichts gemein.

beim Putzen – zunächst in 4fach-Zeitlupe, dann noch einmal in normaler Geschwindigkeit
hier sieht man, wie sie eine gefangene Muschel auf dem Stein aufklopft
Das typische Knicksen samt Flügelschlag, bevor sie abtaucht. Man kann richtig sehen, wie sie sich unter Wasser fortbewegt.
das Pärchen gemeinsam
Tauch-Action! Einmal in Normalgeschwindigkeit und einmal in Zeitlupe. Bis sie im Wasser plötzlich von ihrem Partner angerempelt und mitgerissen wird.

Ich hatte aber auch noch nie soviel Aufwand mit der Nachbearbeitung. Nicht nur wollten aberhunderte von Serienfotos erst von der Kamera geladen und dann auf wenige Keeper eingedampft werden, auch die Videos habe ich gekürzt und reingezoomt und musste mich zum ersten Mal mit einer Schnittsoftware auseinandersetzen. Eigentlich hätte dieser ganze Blogeintrag ein komplettes Video werden können, samt eingeblendeter Fotos und Vertonung mit Originalsound, gesprochener Beschreibung, womöglich sogar Vlog-mäßiger Aufnahme meiner selbst unterwegs? Weiß aber nicht, ob ich da hin will, von den zustätzlichen Stunden an Aufwand ganz zu schweigen. Ich denke, ich kann meine Freude an den Tieren fürs erste auch so mit euch teilen.