Archiv der Kategorie: Meer

Schottland 2018, Tag 6-8: Harris, Lewis und Bernera

Wir ankerten im Loch westlich von Tarbert auf Harris, die Wolken hingen tief und es regnete fast ununterbrochen. Trotzdem gingen wir an Land, um in dem kleinen Fährörtchen an der Landenge von Harris spazieren zu gehen bzw. uns mit den anderen Mitreisenden recht bald lieber im trockenen Café mit WLAN einzufinden und bei einem Cappuccino mal Nachrichten zu lesen. Natürlich schauten wir auch im recht großen Harris-Tweed-Shop vorbei, wo die Möwe einen schönen blau-grünen, unkarierten Stoff für eine Jacke fand.

Am Nachmittag fuhren wir im Regen ein bisschen weiter die Küste hoch bis nach Loch Tamnabhaigh, einem bis auf ein großes Ferienhaus am Hügel weitgehend verlassenen Fleckchen Erde, und verbrachten den Rest des trüben Tages an Bord mit lesen, reden und natürlich essen. Ein ganzer Tag ohne ein einziges Foto!

Am nächsten Morgen war es immer noch grau, aber es hatte wenigstens aufgehört zu regnen. Wir gingen an Land und liefen ein wenig den Hügel hoch und wieder runter, wo es einige Ruinen alter Farmhäuser gab, aus denen schon die Bäume wuchsen. Auf einer etwas längeren Fahrt ging es entlang der rauhen Felsküste von Lewis gen Norden, immer begleitet von Seeschwalben und Basstölpeln. Schließlich ankerten wir in einer Bucht nahe Kneep mit wunderbarem, kilometerlangem Sandstrand grünem Wasser, und jede Menge Vögeln wie einem Eistaucher (der so aussieht, als hätte ihn jemand in den 50ern designed) und einem ganzem Schwarm Mittelsäger, die vorbeizogen. Wir wurden an Land gebracht und liefen den Strand entlang, wo es hübsche, kleine und sehr zerbrechliche Muscheln gab, die aufgeklappt wie Schmetterlinge aussahen. Und dann war dort ein Trupp Sterntaucher, die ich nur von Fotos kannte, ganz nah, und von Zeit zu Zeit sangen sie herzzereißend, fast wie Miauen. Wunderschöne Tiere. Ein paar der anderen waren ins Gelände hinter den Dünen gewandert und hatten sogar einen Wachtelkönig gehört.

Der Morgen begann mit herrlichem Sonnenschein, und ich konnte meinen Blick kaum von diesem grünen Streifen Wasser vorm Strand abwenden, was für eine Farbe. Nach dem Frühstück machten wir eine langsame Runde durch die ganze Bucht, wobei zu den Farben des Wassers und des Himmels auch noch Sonnenflecken über die baumlose, karge, braun-grüne Felsenlandschaft wanderten. Unterwegs sahen wir einen Steinadler, meinen ersten in freier Wildbahn! Wir fuhren nur ein kurzes Stück weiter die Küste hoch, um dann von Norden her in eine kleine, idyllische Bucht zwischen den Inseln Great und Little Bernera zu fahren, wo wir bis zum nächsten Morgen bleiben würden. Und dann kreiste schon wieder ein Steinadler majestätisch über uns, minutenlang im Aufwind ohne auch nur einen Flügelschlag. Unsere Bucht lag offenbar auf seiner täglichen Strecke, denn wir sahen ihn noch mehrfach bis zur Weiterfahrt.

Wir wurden mit Lunchpaketen versorgt (Sandwich, Obst, Schokoriegel, Tütchen Chips) auf Little Bernera abgesetzt und hatten ein paar Stunden, dort herumzuwandern, wo nur Schafe, Rinder und Kaninchen zu leben schienen. Nach kleinen Orientierungsproblemen meinerseits kamen die Möwe und ich endlich am Nordostufer aus, wo es den wunderbarsten Ausblick der ganzen Bootstour gab: Sonne und dunkle Wolken, grün und blau und sandgelb und außer uns Passagieren niemand weit und breit.

Panorama auf Little Bernera

Nach unserem Picknick ging es zurück über teilweise recht sumpfige Wiesen zur kleinen Bucht, von wo aus uns Tim noch ein Stückchen weiter zu einem Strand auf Great Bernera brachte, wo wir – während die anderen irgendein Haus aus der Eisenzeit besichtigten – in der Sonne sitzen blieben. Die Attraktion des Strands, eine Gezeitenglocke am Ufer, blieb wegen der Ebbe leider nur ein tonloses Glockentürmchen. Zurück auf dem Boot gab es zum Dinner noch einen Regenbogen.


Schottland 2018, Tag 5: Shiant Isles

Früh ging es los nach Norden Richtung Shiant Isles, einer kleinen, unbewohnten Inselgruppe zwischen dem Festland und den äußeren Hebriden. Das Wetter war ruhig mit einem weiten Himmel, den ich stundenlang anschauen könnte. Es wurde aber zunehmend grauer. Auf dieser Strecke sah ich dann meinen einzigen Delfin der ganzen Reise, und auch nur ganz kurz, glücklicherweise mit Kamera um den Hals. Ein anderes Mal surfte eine Gruppe großer Tümmler in der Bugwelle, aber da war ich gerade mal für fünf Minuten unter Deck und bekam nichts mit. Schade.

Wir ankerten am späten Vormittag in der Bucht vor der Hauptinsel, wurden am Strand abgesetzt, wie immer mit dem Schlauchboot, und hatten dann gut zwei Stunden, um die Insel zu erkunden, oder zumindest den weniger steilen, breiteren Südteil. Luft und Wasser dort waren komplett voller Vögel: Tordalken, Papageitaucher, Lummen, Möwen, Krähenscharben – ein ununterbrochener Strom von Vögeln, der geschäftig aufs Meer hinaus und mit Futter zurückflog, zusammen mit anderen kreiste, oder sich auf dem Wasser ausruhte oder putzte. Wahnsinn.

Vorbei an einer Hütte von Wissenschaftlern und Freiwilligen, die auf der Insel z. B. gerade frisch Tordalken beringt hatten, liefen wir über knietiefes Gras und Moose, sahen große Skuas, wie sie unter anderen Mike, unseren ältesten Passagier, attackierten (siehe Foto unten), der das ziemlich unbeeindruckt durchstand, außerdem Strandpieper, einen wunderschönen Falter und Eissturmvögel, die an einer Klippe nisteten.

Als uns unser Skipper wieder mit dem Schlauchboot eingesammelt hatte, fuhren wir noch einmal langsam am eigentlichen Brutfelsen vorbei. Was für ein großartiges, aufregendes Gefühl, inmitten so vieler Vögel zu sein.

Es folgen ein paar Vogelfotos. Da müsst ihr jetzt durch.

Große Skua (Raubmöwe)

„Horrible, horrible birds“, sagt Tim, unser Skipper. Und tatsächlich haben diese Vögel etwas Gewalttätiges, Düsteres an sich, nicht nur weil sie Menschen angreifen, die ihren Nistplätzen zu nahe kommen. Meine erste Begegnung mit ihnen (am Ende des Beitrags) werde ich nicht vergessen.

Tordalken mit ihrer superschicken Kopfzeichnung

Trottellummen und eine Krähenscharbe (eine Kormoran-Art).

und natürlich: PUFFINS!

Wir umkreisten noch die weiteren Felsen der Inselgruppe und sahen Robben, Krähenscharben, Küstenseeschwalben und einen großen, graubraun gefleckten Vogel, der sich erst aus der Nähe als junger Basstölpel entpuppte.

Ursprünglich hatte Tim gehofft, Lewis auf dem nördlichen Weg zu umfahren, rund um den Butt of Lewis (die Landspitze heißt wirklich so). Leider waren zunehmender Wind und Regen vorhergesagt, so fuhren wir „untenherum“, durch den Sound of Harris bis nach West Tarbert und ankerten im dortigen Loch. Falls sich wer wundert: Geographisch handelt es sich nur um eine Insel, aber historisch gewachsen trägt sie die Namen Lewis (für den nördlichen) und Harris (den südlichen Teil). Eine lange, anstrengende Fahrt.


(cc by-sa, Original von Eric Gaba)

Schottland 2017, Tage 14-16 und Schluss

von Barra nach Oban, über Canna und Tobermory/Mull
Original by Kelisi, edited, GNU free documentation license 1.2 and CC BY-SA 3.0

Tag 14: von Barra nach Canna

Bei schönem Wetter ging es nach dem Frühstück über die hebridische See in Richtung der Small Isles (Canna, Rum, Eigg und Muck), und die in den vergangenen Tagen oft am Horizont zu sehenden Umrisse Skyes rückten wieder ganz nah, besonders wo wir uns jetzt südöstlich näherten, wo die Cuillins hoch hinausragen. Schon von weitem konnte man eine sehr isländisch anmutende Insel erkennen mit vergleichsweise niedrigem Tafelberg und Basaltsäulen. Im Wasser rundherum flogen und schwammen viele Atlantiksturmtaucher, die ich zuvor noch nirgends bewusst wahrgenommen hatte. Auf den Fotos wirkt ihr Gefieder wie Samt.

Canna inklusive ihrer gezeitenweise getrennten Schwesterinsel Sanday hat keine zwei Dutzend Einwohner, ein Café, drei Kirchen, einen Selbstbedienungsladen (honesty shop) und nur eine kurze Straße, die man auf Sanday auch nicht einmal als solche bezeichnen kann – eine bei Flut überspülte Schotterstrecke. Nur ein paar Mal die Woche geht eine Rundfähre nach Rum, Eigg, Muck und Mallaig. Wir liefen um die Bucht herum und über die kleine Brücke nach Sanday, immer die Kirche auf dem Hügel im Blick mit den großartigen Bergen der Nachbarinsel Rum dahinter. Hier war die Zeit irgendwie verlangsamt. Es gab nicht wenig friedliche Orte auf der Reise, aber das war der idyllischste von allen.

(Auch der Wikipedia-Eintrag zu Canna mit seinen Details über Inselleben und z. B. die bekämpfte Rattenplage ist lesenswert.)

Tag 15: von Canna nach Tobermory

Der Tag begann windig und die erste Passage nach Süden zwischen Sanday und Rum kamen uns ziemliche Wellen entgegen, so dass wir zum ersten Mal sicher sein konnten, dass unsere Seefestigkeit gegeben und nicht bloß den fast durchgehend ruhigen Gewässern seit St. Kilda geschuldet war. Rum wirkte im Vorbeifahren wild und schroff mit seinen bis auf 800 Meter hohen Bergen und seiner Quasi-Unbewohntheit. Man kann dort aber wohl übernachten (beziehungsweise: muss, weil nur wenige Fähren in der Woche fahren), und ich stelle mir vor, dass es ein wunderbarer Ort für einen abgeschiedenen Urlaub mit Wildnis ist. Nach den üblichen 4-5 Stunden Fahrt erreichten wir den Sound of Mull, wo sich die Wellen sofort legten, und schipperten gen Tobermory, unserem Tagesziel. EIne Meile vorher wurde das Schiff langsam; ich dachte, weil wir bald den Hafen erreichen, doch dann sah ich, dass alle an der rechten Reling standen und an Land schauten: Ein Seeadler und ein Jungvogel saßen am Ufer und flogen etwas hin und her.

Schon die ganze Fahrt über hieß es über jeden Ort, es gebe dort auch Seeadler und Steinadler (für den die Engländer den viel schöneren Namen golden eagle haben), vor allem die vogelverrückten, mit Ferngläsern und Bestimmungsbüchern bewaffneten Brüder waren auf ständiger Ausschau, und jeder kurz über einen entfernten Hügel kreisende Greifvogel wurde aufgeregt diskutiert. Nur aus der Nähe hatten wir keinen gesehen. Aber hier saß er nun, vielleicht nur 40-50 Meter entfernt, am letzten Abend unserer Reise. Majestätisch und von Natur aus grimmig blickend betrachtete er eine Weile das Ufer, schwang sich in die Luft um mit wenigen Schlägen seiner großen Flügel zum nächsten Aussichtspunkt zu fliegen. Wundervoll.

In Tobermory konnten wir an Land gehen, doch es schüttete und war kalt, so dass wir nach einmal hübsches Hafensträßchen hin und zurück wieder an Bord gingen, etwas Heißes tranken und ich eine lange und gute Unterhaltung mit Paul hatte, einem vermutlich Anfang-70jährigen Hornisten, der nach vielen Jahren als Ingenieur in seine Berufung, die Orchestermusik zurückgekehrt war. Das Dinner war gut, aber leider kein Höhepunkt wie wir erwartet hatten – die Webseiten suggerieren, es gebe auch mal so richtig Meeresfrüchte, aber das war auf unserer Fahrt nicht der Fall, obwohl die Hummer- und Krabbenkutter teilweise direkt neben uns in den Häfen festmachten, Skipper Tim kam wie jeden Abend zu Käse und Rotwein dazu, wir bedankten uns bei der Crew und redeten ein wenig darüber, was uns in der Woche unterwegs besonders gefallen hatte. Für mich waren das ganz klar St. Kilda mit seinen Vogelfelsen und Canna.

Tage 16-17: zurück nach Hause über Oban und Glasgow

Früh wurde der Motor angeworfen und es ging die letzten drei Stunden durch den Sound of Mull zurück nach Oban, begleitet von abwechselnden Schauern und Sonnenflecken.

Der Rest unserer Rückreise war nicht sehr berichtenswert – vielleicht abgesehen von der Zugfahrt durch die Highlands von Oban nach Glasgow, die als eigenes touristisches Event durchgehen können. Für Glasgow hatten wir nichts vorbereitet; da die Gepäckaufbewahrung sehr teuer war und wir kein echtes Ziel hatten, liefen wir halt einmal mit unseren Handgepäck-Rollkoffern die Buchanan Street und George Square ab. Aber wenn man sich nicht auskennt, hat es auch wenig Zweck, so fuhren wir mit einem Standard-Linienbus zum gebuchten Hotel, das sich zwar „Airport Hotel“ nannte, aber anderthalb Meilen entfernt in einem nur mittel-heimeligen Viertel von Paisley lag. Immerhin gab es einen guten Fish-and-Chips-Imbiss um die Ecke.

Die Nacht war eher anstrengend (ein Hotelzimmer direkt neben dem Hauseingang, d.h. Türklingel, Telefon, Rezeptionsgespräche, Türdonnern…), es ging schon früh um sieben mit dem Taxi zum Terminal, und da sich der Flug um eine Stunde verspätete, verpassten wir auch in Amsterdam den Anschluss und waren schließlich erst gegen sechs Uhr abends statt um zwei wieder zurück. Die Möwe hatte noch ein paar Tage Urlaub, aber da ich im Zuge des Gesundheitstrainings mein Jahreskontingent so weit aufgebraucht hatte, dass es nur noch für Weihnachten reicht, musste ich direkt am Mittwochmorgen schon wieder ins Büro.

Seitdem bin ich immer noch mit einem Bein und halbem Kopf in Schottland (wogegen das Foto-Sortieren und die Blogeinträge natürlich wenig geholfen haben) und kann es kaum erwarten, irgendwann wieder dorthin zu kommen.

[Northern Light Cruising, verschiedene mehrtägige Schiffsreisen rund um die Hebriden von Oban aus, jährlich zwischen April und September. Keine Hochglanz-Kreuzfahrten, sondern Touren mit verantwortungsvollen Leuten, die das aus Leidenschaft machen. Für uns war es genau das Richtige. Für diese Werbung bekomme ich übrigens nichts.]

Schottland 2017, Tage 11-13: South Harris, North Uist, Eriskay, Mingulay und Barra

von Scarp nach Barra, über Leverburgh, Rodel, Loch Euphoirt, Eriskay und Mingulay
Original by Kelisi, edited, GNU free documentation license 1.2 and CC BY-SA 3.0

Über Leverburgh und Rodel nach Loch Euphoirt

Am nächsten Tag mussten wir zunächst einmal Frischwasser für Duschen und Toiletten auffüllen fahren, weil die Meerwasser-Aufbereitungsanlage an Bord wohl irgendwie kaputt war. Dazu fuhren wir nach Leverburgh, einem kleinen, eher uninteressanten kleinen Hafen von South Harris. Während das Schiff Wasser tankte, hatten wir zwei Stunden frei, die wir dazu nutzten, im Sonnenschein eine etwas längere Runde in den Ort zu spazieren, der eine Meile vom Hafen entfernt lag. Im Supermarkt kauften wir etwas Schokolade und ein Eis (interessant: es gab z. B. Cornetto Mint und Magnum Peanut Butter – hier auch eher unbekannt) und sahen auf dem Rückweg sogar einen Seeadler weit oben, vor dem eine aufgeregte Möwe laut warnte. Weiter ging es mit dem Schiff nach Rodel, wo eine der ältesten und bedeutendsten Kirchen der Hebriden steht, die St. Clements Church. Nach diesem Landgang schließlich schipperten wir am Sound of Harris vorbei südlich bis nach Loch Euphoirt, einem der vielen vom Meer gespeisten Seen auf North Uist. Das Wetter war inzwischen kühl, windig und sehr dunkelgrau geworden, so dass der menschenverlassene Loch mit seinen großen Fischzuchtkäfigen, in dem massig Lachse herumpeitschten, etwas sehr Unheimliches bekam. Es gab eine ganze Menge Robben, die aber von ihren Felsen verschwanden, als wir mit dem Schiff in der Nähe ankerten. Die Nacht über pfiff der Wind und wir wurden immer wieder wach, weil die Ankerkette knirschte und gegen den Bug schlug.

Tag 12: Eriskay

Das Wetter war noch nicht besser; es war fast unmöglich, bei dem Dunkelgrau der Wolken auch nur ein paar Seeschwalben zu fotografieren oder den schönen und einzigen Schwarzhalstaucher weit und breit. Wir näherten uns noch einmal dem inzwischen wieder bevölkerten Robbenfelsen und verließen dann den Loch. Und während wir dort entlangschipperten, tauchten plötzlich, neugierig geworden vom Motorengeräusch, vier Hirsche auf einer Hügelkuppe auf und schauten uns nach. Auf dem weiteren Weg Richtung Süden vorbei an South Uist lockerte die Wolkendecke allmählich auf, und wir kamen in einer Bucht auf Eriskay an, einer kleinen Insel, die mit einem Damm mit South Uist verbunden ist. Alle Briten scheinen irgendwie die Komödie Whisky Galore! zu kennen, dessen Geschichte auf dieser Insel entstanden ist: 1941 lief in der Nähe ein Schiff auf Grund, das 20.000 Flaschen Whisky für den Export in die USA geladen hatte. Die Einwohner bargen die Flaschen, versteckten sie und hielten monatelang die Zollbeamten zum Narren, die verbissen versuchten, an diese Beute zu gelangen. Der Einzige Pub im Dorf heißt wie das gestrandete Schiff, und angeblich wissen sie heute noch, Restbestände des Whiskys aus dieser Ladung aufzutreiben.

Wir hatten Landgang, liefen aber nicht in den Ort wie die anderen, sondern zum weitgehend verlassenen Weststrand und sammelten am Wasser entlang kleine, bunte Muschelstücke. Beim Weiterlaufen um die Felsnase der Insel herum schüttete es heftig; endlich zahlten sich die Regenhosen und -Jacken mal aus. Trotzdem war es ungemütlich, so dass wir in besagtem Pub einkehrten, um etwas Heißes zu trinken, und natürlich auf die vier Brüder unserer Reisegesellschaft zu treffen, die eigentlich immer im Pub bei Bier und Wifi zu finden waren, egal wo wir an Land gingen. Als es draußen aufklarte, liefen wir den gleichen Weg zurück, nicht ohne einem Pulk Sandregenpfeifer und Austernfischer zu begegnen. Am Strand außerdem wieder Raben – ich habe noch nie so viele Raben gesehen wie auf dieser Reise.

Wie jeden Abend wurde der Tag mit einem Dreigängemenü an Bord beschlossen. Ein interessanter Aspekt der Reise waren auch die Essgewohnheiten. Morgens zum Frühstück wurde gefragt, wer Porridge wolle (was immer einige mit Begeisterung bejahten), es gab Obst und Zerealien, frischen Toast, und täglich wechselnd auch Rührei, gebratenen Speck und Würstchen und einmal sogar Black Pudding. Außerdem tendenziell ingwerlastige Marmeladen… pardon, Konfitüren – Marmalade wurde tatsächlich nur die Orangenmarmelade genannt, und das jeweilige Glas war heiß begehrt. Am Vormittag konnte man sich selbst bei Heiß- oder Kaltgetränken bedienen, oft gab es frisch gebackene Scones und Konfitüre dazu. Mittags gab es beispielsweise Quiche oder einen Burger zum Selberbasteln, immer dabei Salat und Kartoffelchips (!), oder eben ein Lunchpaket, wenn wir den Mittag an Land verbrachten. Nachmittags, wenn an Bord, auch wieder Gebäck und Tee/Kaffee, und abends schließlich drei Gänge wie bei uns mit Vor-, Haupt- und Nachspeise. Interessant, dass immer Batterien von Saucen herumstanden und genutzt wurden. Und interessant sogar die Art, mit Messer und Gabel zu essen. Oder schiebt ihr das Essen mit dem Messer auf die Rückseite der Gabel (die man hier ja nur nach oben dreht, wenn man schneidet)? Und der Käsegang nach dem Essen: Es ist schon lustig, wenn man eine kulturelle Eigenart wie die Vorliebe der Engländer für Cracker und Käse aus einem Kinder-Animationsfilm kennt und dann in Wirklichkeit erlebt. Insgesamt machten die gemeinsamen Essen Spaß; wir saßen zwar recht eng auf den Bänken beisammen für eine zusammengewürfelte Reisegemeinschaft, aber die Stimmung war gut und wir verstanden uns.

Abends und nachts hörte man die Seehunde in der kleinen Bucht singen.

Tag 12: nach Mingulay und Barra

Von Eriskay fuhren wir weiter südlich, vorbei an Barra, als das Schiff langsamer wurde. „Shark!“ Draußen zogen Haiflossen neugierig um unser Schiff. Mehrere Minuten lang dachte ich, da wären zwei Haie, ein großer und vielleicht ein junger Hai beim Elternteil, bis ich begriff: Diese beiden Flossen gehören zu ein und demselben Tier. Wahnsinn, was für ein Riese. Und vollkommen friedich; Riesenhaie machen nichts anderes als täglich tausende Kubikmeter Wasser nach Zooplankton zu filtern.

Kurze Zeit später wurden wir wieder langsam. Alles stürzt an Deck: Da hinten, das Schwarze, könnte die Flosse eines… Eimers!? An unserer Gruppe lauter mit Kamera und Fernglas bewaffneter Schiffstouristen dümpelte tatsächlich ein schwarzer Plastikeimer vorbei. Wir lachten uns kaputt, und unser „Bucket Whale“ wurde natürlich fortan zum Running Gag.

Mingulay ist ein Inselchen, auf dem nur zwei, drei Ruinen von lange aufgegebener Bewohnung zeugen. Wobei Rosie, die Lebensgefährtin unseres Skippers, von einer Künstlerin erzählte, die vor einiger Zeit wohl mal ein ganzes Jahr mit einfachen Mitteln verbracht habe. Irgendwo hatte ich gelesen, Mingulay sei eine Art kleines St. Kilda, nur nicht so weit weg, und das traf es ganz gut. Nur ein-zwei Kilometer lang und breit, ging es auch hier mit 273 Metern sehr weit nach oben mit einer der höchsten Felsenklippen Großbritanniens. Die Brutzeit war natürlich auch hier weitgehend vorbei, und als wir in Regenschauern auf den Sattel zwischen den Hügeln hochgestapft waren (Bog Factor 4,5 von 5), waren außer einer Zahl von Großen Skuas keine Vögel zu sehen, aber sie ließen uns in Ruhe. Auf dem Weg nach unten fotografierte ich reflexartig eine ungewöhnliche Silhouette am Himmel, die wir später mit Hilfe eines Bestimmungsbuchs als Merlin identifizierten, was unseren Skipper richtig begeisterte; er habe hier schon ewig keinen mehr gesehen. Leider waren die zwei Stunden Aufenthalt viel zu kurz bemessen; ich wäre gerne noch zur Klippe gelaufen und wir hätten gerne noch am langen, wunderbaren Sandstrand gesessen und wenigstens unser Lunchpaket verzehrt, aber Tim und Craig holten uns schon wieder mit ihrem Schlauchboot ab, und vorbei an Kormoranen und einer großen Gruppe Robben fuhren wir wieder ein Stückchen zurück nach Norden nach Castlebay auf Barra, das überraschenderweise über ein Castle in einer Bucht verfügt. Der Ort war einer der größten, die wir in der vergangenen Woche gesehen hatten, hier gab es sogar ein kleines Krankenhaus und Schulen. Die Möwe und ich liefen aber lieber noch einmal ein paar Meilen zum nächsten Strand, ähnlich wie auf Eriskay, saßen dort wieder fast für uns in der Sonne im Sand und stellten uns vor, es wäre noch etwas wärmer und man könnte schwimmen gehen.