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Orkney – Tag 7

Als sich im Lauf der Woche abzeichnete, dass am Freitag gutes Wetter herrschen würde, beschlossen wir, den Tag auf North Ronaldsay zu verbringen, der nordöstlichsten Orkneyinsel, etwa 50 Kilometer von Kirkwall entfernt. Dazu hatten wir Tickets gekauft für eine kleine Propellermaschine (8 Plätze), die täglich mehrfach zwischen den Inseln verkehrt. Sowohl über North Ronaldsay als auch diese Fluglinie hatten wir schon vor Jahren eine Doku gesehen, wo es um die Besonderheiten und Schwierigkeiten des Lebens auf einer so abgelegenen, kleinen Insel mit gerade mal 50 Einwohnern ging. Wir waren beide noch nie in so einen fliegenden Landrover gestiegen, das war wirklich spannend. Sowohl der ultrakurze Start („oh Gott, gleich hört die Startbahn au… oh, wir sind schon in der Luft“) als auch die Viertelstunde Flug mit Blick über die Inseln und die genauso kurze Landung waren faszinierend. Durch irgendeine Security muss man für die Flüge zwischen den Inseln übrigens nicht; man läuft vom Warteraum direkt aufs Flugfeld und steigt ein. Fertig.

Am „Flughafen“ der Insel stiegen die wenigen anderen Gäste aus und waren schnell verschwunden. Übrig blieb nur ein freundlicher alter Mann, mit dem sich die Möwe ein bisschen unterhielt (nicht wirklich, weil sein Dialekt oder vielleicht auch nur Genuschel praktisch nicht zu verstehen waren), und als das Flugzeug wieder gestartet war, blieben schließlich nur noch Stille und Vogelzwitschern übrig. Auch die Bediensteten des Flughafens sind letzlich normale Inselbewohner_innen, von denen jede_r noch mehrere andere Jobs und Aufgaben hat. Wir nahmen zwei Mietfahrräder aus der Hütte, schrieben der Besitzerin dazu eine SMS, und dann fuhren wir gemächlich auf den Fahrrädern die nur wenige Kilometer lange Insel entlang, erst bis zur einen Landspitze mit dem Leuchtturm (und Café, leider noch geschlossen), dann zur anderen mit dem Vogelobservatorium (Hostel, Café und winziger „Supermarkt“, glücklicherweise geöffnet). Zwischendurch hielten wir oft an, warteten mal einen Schauer ab, lauschten den Vögeln, machten Picknick, besuchten das Heimatmuseum in der alten Kirche, betrachteten die Schafe (eine ganz eigene Rasse, die sich hauptsächlich von Seetang ernährt), saßen am Strand und schauten den Robben, Steinwälzern (Erstsichtung!) und Sanderlingen zu… Diese Insel war ein Traum, komplett entschleunigt und irgendwie heimelig und freundlich. So vergingen die Stunden, und obwohl wir sehr früh angekommen waren, war es plötzlich fortgeschrittener Nachmittag und wir mussten zurück zum Flugfeld („10 minutes before departure is enough“).

Wie klein diese Insel ist, zeigte sich noch einmal, als die Maschine ankam. Es war Freitag Nachmittag, eine junge Frau stieg aus und die Möwe hatte sie sofort erkannt – samt Vornamen – als eines der Mädchen aus der TV-Doku, damals noch Teenie, die jetzt vermutlich von ihrer Ausbildungswoche auf Mainland zurückkam. Zurück in Kirkwall hatten wir keine Lust zu kochen und aßen stattdessen einen Burger am Hafen. Rechtschaffen müde ging es nach Hause zurück. Das war jetzt schon der sechste Tag in Folge mit Sonnenschein, und sicher einer der schönsten Tage des ganzen Urlaubs.

Orkney – Tag 6

Lange geschlafen. Das Wetter versprach einen sonnigen Tag mit erträglichem Wind, ideal für eine Wanderung. Wir fuhren an die Ostküste Mainlands auf die Halbinsel Deerness, um eine Wanderung um die nordöstliche Landspitze zu machen. Schon nach wenigen Metern erreicht man The Gloup, eine kuriose Kluft aus einer eingestürzten Höhle mit Verbindung zum Meer. Von da aus ging es an der Steilküste entlang, wo wir nur wenigen anderen Wanderern begegneten, aber jeder Menge toller Vögel (Schmarotzerraubmöwen, Gryllteisten, Raben, natürlich Krähenscharben und Eistturmvögel, Skuas, …) und das bei grandiosem Wetter.

Auf dem Rückweg machten wir an der Landenge nach Deerness Halt, um an den Strand zu gehen. Dort saßen wir bestimmt eine Stunde lang und hielten unsere Gesichter in die Sonne. In Kirkwall machten wir noch Halt beim großen Supermarkt. Ich wollte unbedingt noch einmal diesen köstlichen Räucherlachs von der Insel essen, den gab es dann zuhause mit Salat. Erfüllt von Wind und Sonne ging es früh ins Bett.

Orkney – Tag 4 bis 5

Die Orkney-Inseln waren quasi immer schon von Menschen bewohnt, älteste Funde wurden auf 8-10 tausend Jahre v. C. datiert. Besonders viele Zeugnisse früher Besiedlung finden sich ab dem Neolithikum vor etwa 5000 Jahren. Einzelne Gebäude bis hin zu ganzen steinzeitlichen Siedlungen für an die hundert Bewohner haben die Jahrtausende unter Sand und Erde überdauert. Zu diesem Erbe gehört auch der Ring of Brodgar, große Feldblöcke in einem großen Kreis angeordnet und noch tausend Jahre früher errichtet als das bekannte Stonehenge im Süden Englands. Am Vormittag wanderten wir von dort die kleine Landzunge zwischen den Seen Harray und Stenness entlang bis zu den ganz ähnlichen Stones von Stenness und nach einem Picknick (Tee, Käsebrot, Minitüte Chips und ein Schokoriegel – unsere schottische Normverpflegung) wieder zurück.

Nach einem Spaziergang durch den Hauptort Kirkwall und Einkaufen ließen wir den Rest des Nachmittags mit Lesen und Herumschlumpfen im Cottage verstreichen. Abends gab’s panierten Fisch und Bratkartoffeln. Als sich gegen neun abzeichnete, dass die Sonne trotz einiger Wolken womöglich sichtbar untergehen sollte, machten wir uns noch einmal auf zum Ring of Brodgar und konnten die Steine so noch einmal in richtig mystischem Abendlicht sehen. Rundherum wummerten die Bekassinen in der Luft, ein Sound, den ich seit Jahren nicht mehr gehört hatte und der mich sehr froh gemacht hat.

In aller Frühe aufgewacht und alleine zu den Birsay Moors aufgebrochen. Ein Grund für Orkney als Reiseziel war neben der Landschaft und überhaupt Schottland die Vielfalt der Vogelarten und die hervorragende Infrastruktur zur Beobachtung. Alleine auf Mainland finden sich 6 Naturreservate des RSPB, teilweise mit tollen Beobachtungshäusern, alleine 5 im Umkreis von 10 Kilometern zu unserer Unterkunft, mit Habitaten (gibt es das als Plural?) von Moor und Hochheide bis hin zur Steilküste. Einer dieser Unterstände war am Rand eines Moors, und ich hoffte, dort Sterntaucher, Rohrweihen und Sumpfohreulen zu sehen. Sterntaucher waren tatsächlich dort, wenn auch nur ein Paar und recht weit entfernt, aber von den Greifvögeln keine Spur. Ich verbrachte bestimmt anderthalb Stunden dort, natürlich gab es auch verschiedene Enten, Graugänse mit ihren Jungen und die obligatorische Skua von Zeit zu Zeit, aber sonst war nicht viel los. Ein anderer Unterstand in der Nähe war auch nicht viel ergiebiger, wenn auch immerhin Pfeifenten dabei waren, die ich bislang nur ein einziges Mal im Donauries bei Günzburg gesehen hatte.

Zurück zuhause verbrachten wir den Nachmittag lesend (und schlafend), bis wir am späten Nachmittag beschlossen, noch einmal die östliche Inselkette über die Barriers entlang bis zur Südspitze von South Ronaldsay zu fahren, von der aus man gut das erstaunlich nahe schottische „Mainland“ und die Küste bei Thurso sehen konnte. Wir aßen aus Hunger eine Kleinigkeit in einem abgelegenen Restaurant (wo mir beim Schild „Bistro“ eigentlich sowas wie Pommes vorgeschwebt war – aber der Salat mit dem geräucherten Orkney-Lachs war dann sehr lecker) und fuhren mit einigen Aussichtspausen wieder zurück – wobei mich an einer der Barriers auch noch ein Paar Sterntaucher zum abrupten Anhalten und fotografieren brachte. Insgesamt hatte uns der Wind an dem Tag etwas ausgekühlt, da tat ein Rindereintopf mit Möhren und Kartoffeln abends richtig gut. Ich schlief früh ein; offenbar kam immer noch Müdigkeit aus der Zeit vor dem Urlaub durch.

Orkney – Tag 3

Das Wetter versprach wechselhaft, aber auch schön zu werden. Nach dem Frühstück fuhren wir nach Stromness, den zweitgrößten Ort von Orkney Mainland. Der Ortskern ist eigentlich eher ein Ortsfaden – eine lange, enge Gasse die Küste entlang, die man hinter den Häusern kaum zu sehen bekommt. Unser Spaziergang begann mit einem kräftigen Schauer, der aber der letzte sein sollte, dessen Tropfen uns an diesem Tag erreichten. Hinter dem Ort ging es vorbei an einem Golfplatz um eine kleine Landzunge, von der aus man die direkt gegenüberliegenden Inseln Hoy und Graemsay sieht. Die meisten der rund 70 Orkney-Inseln sind recht flach oder etwas hügelig, nur die spärlich bewohnte Insel Hoy sticht mit ihren fast 500 m heraus und ist daher auch an den verschiedensten Orten am Horizont zu sehen.

Auf dem Golfplatz tummelten sich Steinschmätzer, Stare und Kaninchen, und am Wasser Eiderenten, Saatkrähen, Rotschenkel und Möwen. Inzwischen schien wieder die Sonne, der Wind war erträglich, und unser Spaziergang rund um Stromness führte uns schließlich über Felder zurück zum Ausgangspunkt, untermalt vom ständigen Sound blubbernder Brachvogelrufe, der uns die ganzen zwei Wochen begleiten sollte.

Nach einem Kaffee und Kuchen in einer sehr heimeligen Teestube fuhren wir weiter die Küste hinauf bis zum Strand von Marwick Head, einem Naturreservat des britischen Vogelbunds RSPB. Während wir vom Strand aus die Küstenlinie hoch wanderten, lieferte das Schauerwetter um uns herum ein tolles Schauspiel von Licht, Wolken und Meer, mit uns im Sonnenlicht. Die Steilküste von Marwick Head unterhalb des Memorials war schon voll besetzt mit tausenden Lummen und Tordalken, die in den kommenden Wochen auf den winzigen Felssprüngen ihre Eier ausbrüten würden. Dazu kreisten Eissturmvögel um die Klippen, Basstölpel und Krähenscharben flogen geschäftig übers Wasser, und von Zeit zu Zeit patroullierten düstere Skuas die Felslinie entlang. Hach!

Am Strand waren noch jede Menge Brachvögel, Brandenten, Dreizehenmöwen und Seeschwalben unterwegs, und auf dem Rückweg nach Hause machten wir noch in einem RSPB-Unterstand am Moor halt, von dem aus man vor allem jede Menge Entenarten bequem und aus nächster Nähe beobachten konnte. Zuhause gab es Nudeln mit geschmorter Paprika (eines meiner schlichten Lieblingsessen), und der Tag ging gemütlich mit Lesen und Recherchieren für die nächsten Ausflüge zuende.