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Rauchschwalbenfütterung

Vor ungefähr einem Jahr stand ich nachmittags auf der Terrasse und bemerkte, dass ein Trupp Rauchschwalben direkt ums Haus flatterte. Normalerweise sind sie eher einzeln und lose unterwegs, irgendwo über den Wiesen. Bei genauem Hinsehen entdeckte ich, dass es einer der ersten Familienausflüge war und zwei Jungschwalben auf dem Dach saßen, die von ihren Eltern im Minutentakt aus der Luft mit Insekten betankt wurden.

So war es auch gestern wieder. Noch ohne die Kleinen gesehen zu haben, sofort die Kamera geschnappt und vorsichtig aus dem Dachfenster gelugt. Da saß schon die erste in der Abendsonne, putzte sich, guckte aufmerksam in die Runde und schrie mit weit aufgesperrtem Schnabel jede Schwalbe an, die vorbeikam. Wenig später gesellte sich noch ein Geschwisterchen dazu.

Der Füttervorgang geht rasend schnell; die Elternvögel bleiben komplett in der Luft, stopfen die Beute praktisch schon im Anflug in den aufgesperrten Schlund der Kleinen und drehen schon nach wenigen Flügelschlägen wieder ab, um die nächste Fuhre zu besorgen. Insgesamt waren die Kleinen vielleicht 10 Minuten auf dem Dach, bevor sie weiterzogen. Wenig wahrscheinlich, dass sie bis sie sich selbst verpflegen können ausgerechnet hier wieder Rast machen. Ich hatte also wieder richtiges Glück.

Fenstersafari im ersten Halbjahr 2021

Ich weiß nicht mehr ihren Namen, aber eine Instagrammerin mit sehr schönen Natur- und Vogelfotografien hatte diesen Hashtag #Fenstersafari glaube ich als erste geprägt, und er gefiel mir sofort. Immer schon, seit wir hier wohnen, aber ganz besonders seitdem ich nur noch zuhause arbeite, schaue ich bei jeder Gelegenheit aus einem der Fenster, was sich draußen so tut. Ob im Garten oder – noch ergiebiger – auf Wiesen und Bäume auf der anderen Hausseite. Natürlich ist oft nichts besonderes zu sehen, ein paar Sperlinge versteckt im Strauch, eine Krähe auf dem Lieblingsast ein bisschen weit weg, oder die Mehl- und Rauchschwalben, wie sie unfotografierbar über den Wiesen kreisen.

Aber oft genug, wenn man ein paar Minuten schaut, sieht man die Hasen, die vor allem morgens gerne auf der Wiese chillen, den Fasan, den ich schon länger nicht mehr vor die Linse bekommen habe, manchmal Eichhörnchen, Nachbarskatzen, Spechte und jede Menge anderer Vogelarten, von denen die Hausrotschwänze mit ihrer besonderen Vorliebe für den Zaun als Warte sich natürlich besonders aufdrängen. Aber auch Seltenheiten wie vergangenes Jahr der Baumfalke, den Silberreiher in der Tanne oder vor kurzem den Storch auf der Wiese gegenüber habe ich so entdeckt. Meine Kamera liegt jedenfalls immer schuss- und griffbereit.

Die Liste für zuhause zählt inzwischen 59 Vogelarten. Und ich kann sagen, die Aussicht und diese Tiere haben mich bislang mit durch diese Pandemie getragen.

Wenn ich alt werde, ersetze ich dann noch das Dachfenster mit einer extra Aussichtskanzel samt bodentiefem Fenster, das man ganz öffnen kann – wie auch immer das gehen soll. Da sitze ich dann morgens in einem bequemen Stuhl mit Fernglas, Kamera und Tasse Kaffee und schaue raus. Dann müsste ich auch nicht mehr wie jetzt oft zum Fotografieren mit den Füßen in der Badewanne stehen.

Ein Morgen am Großen Rußweiher

Unsere Espressomaschine hatte wieder rumgezickt; so wie vor vier Jahren schon flog wenige Minuten nach dem Einschalten der FI-Schutzschalter raus. (Licht aus im ganzen Haus ist jetzt im Sommer nicht das Problem – aber das WLAN!) Damals musste der Dampfboiler getauscht werden, das wird vermutlich auch jetzt wieder der Fall sein, was aber für die seit zehn Jahren heißgeliebte und täglich vielgenutzte Maschine auch ein zweites mal okay wäre. Das Problem ist, dass nur wenige Werkstätten sie überhaupt reparieren können. Den liebenswerten, aber vollkommen chaotischen Italiener aus Nürnberg wollten wir nicht mehr engagieren, um nicht wieder drei Monate auf die Reparatur warten zu müssen. Gekauft hatten wir sie in einem spezialisierten Laden mit Werkstatt in der Pfalz, aber dahin hätten wir sie verschicken müssen, was bei 28 Kilogramm heißt: per Spedition, und erst einmal eine geeignete Transportverpackung finde. Zum Glück hatte die Möwe diese Woche übers Internet einen Kaffeeladen samt Werkstatt in der Oberpfalz aufgetan. Eine gute Autostunde ist noch machbar. Und wenn man schon mal dabei ist, kann man auch gleich einen Abstecher zu einem der ältesten Naturschutzgebiete Bayerns einplanen, wo ich bislang erst einmal war.

Gegen sechs Uhr von alleine wach geworden, decke ich mich in der Bäckerei mit Kaffee und einem Küchle zum Frühstück ein und fahre los. Gegen halb acht bin ich dort und bis auf wenige Jogger*innen praktisch für mich alleine. Der See empfängt mich mit leichten Nebelschwaden und dem ununterbrochenen Lärmen der großen Lachmöwenkolonie. Entenfamilien verschiedener Arten ziehen am Ufer entlang, Haubentaucher und Kormorane tauchen nach Fischen und ich sitze erst einmal lange Zeit am Wasser und genieße die Stimmung.

Morgenstimmung am Rußweiher. Leider nur hand-held; nächstes Mal nehme ich mein Stativ wieder mit.

Rund um die Seen geht es durch den Wald und ich freue mich bei jedem Schritt über den gemulchten Weg. Im Murnauer Moos neulich war alles geschottert, dass man vor lauter Lärm der eigenen Schritte praktisch keine Natur mehr hörte. Grauenhaft. Auf einem Damm zwischen zwei Weihern setze ich mich auf eine Bank in die Sonne, die den Nebel inzwischen beiseite gewischt hat, und esse eine Kleinigkeit. Um mich herum rufen mal wieder zwei Kuckucke, und ich blicke direkt auf einen Baum, dessen obere Zweige eigentlich ideal für einen ihrer beständigen Standortwechsel sein müssten. Wie schön wäre das! Mit schussbereiter Kamera warte ich 20 Minuten, aber natürlich funktioniert das so nicht. Schließlich gehe ich weiter, komme an Seerosentümpeln vorbei, an Fingerhüten im Wald, an Pilzen und feinen Spinnweben, die in den Sonnenstrahlen aufleuchten. Von den im Vogelführer versprochenen Fischadlern und Blaukehlchen mal wieder keine Spur, aber das ist mir heute egal – ich bin nicht zum Artenfinden hier, sondern für diese Ruhe.

Da ich eine 8 um die Weiher laufe, komme ich ein zweites Mal an der Stelle mit der Bank vorbei und kann es kaum glauben: Der Kuckuck sitzt exakt auf dem Zweig, den ich zuvor in Gedanken für ihn ausgesucht hatte! Zwar bin ich jetzt weiter weg, als schön wäre, aber doch nah genug, dass er nicht nur als graugelber Fleck auf dem Foto landet. Jah-re-lang habe ich darauf gewartet! Nach einer Minute flattert er weiter, und glücklich laufe ich zum Wagen zurück.

In Weiden schleppe ich die Maschine in den Laden, wo sie die Angestellte mit der gleichen Freundlichkeit und Unkompliziertheit entgegennimmt, die sie schon zuvor in den Telefonaten gezeigt hatte. Zum ersten Mal in der Stadt, spaziere ich noch ein bisschen durch die hübsche Altstadt, wo zwischen Marktständen und außenbestuhlten Cafés jede Menge Leute versuchen, das Gefühl eines irgendwie normalen Sommers in der Stadt zurückzuerobern. Ich selbst auch, mit einem Spaghettieis zum Mitnehmen (erfolgreich).

Schließlich fahre ich in der Mittagshitze zurück, zufrieden über den schönen Sommermorgen und das Ende meiner Fehde mit dem Kuckuck. Ich muss nur zwischendurch auf einem Autobahnparkplatz halten und ein Viertelstündchen die Augen zumachen, weil die letzte Woche in der Arbeit wohl doch anstrengender war, als ich dachte.

Die Weiher, eine Woche später

Tage mit Sonnenschein sind derzeit nicht breit gesät. Als ich nach sechs von alleine wach werde, folge ich also dem Wink und fahre zu den Weihern von neulich abends – im Hinterkopf die Zwergdommel und natürlich den Kuckuck, aber auch die verschiedenen Taucher sollten ihre ersten Küken haben und vielleicht schon mit ihnen auf dem Rücken unterwegs sein.

Kaum stelle ich das Auto am Feldrand ab, höre ich durch das offene Fenster schon einen Kuckuck ganz nah, er sitzt vielleicht 20-30 Meter weiter kurz auf einem Baum und ruft. Zum Glück liegt die Kamera schon auf dem Beifahrersitz, so dass ich jetzt zwar immer noch kein richtiges Portrait habe, aber immerhin einen annehmbaren ersten Versuch. So beginnt der Tag auf jeden Fall gut.

Von Zwergdommeln und Purpurreihern leider keine Spur, und auch die Nachtreiher scheinen sich irgendwo im unzugänglichen Bereich der Weiher aufzuhalten. Immerhin sehe ich später einen mit einem Zweig im Schnabel. Das wäre natürlich toll, wenn er tatsächlich hier nisten sollte.

Mehrere Kanadagansfamilien haben sich zusammengetan und betreuen gemeinsam ihre mittlerweile schon recht großen Gössel. Die Fluchtdistanz der Altvögel ist vielleicht gerade mal fünf Meter, sie lassen mich wirklich aus nächster Nähe stehen und ihren Nachwuchs fotografieren, ohne hektisch zu werden und ins Wasser zu fliehen. Das habe ich noch nicht erlebt. Und bei ihrem Ruf als recht aggressive Art hätte ich auch erwartet, dass sie mich vielleicht sogar angehen, so wie Schwäne, aber sie blieben gechillt.

Highlight heute ist eindeutig eine Haubentaucherfamilie. Vergangene Woche hatte ich das Foto auf dem Nest gemacht; heute sitzt dort schon ein Blässhuhn als Nachmieterin, während das Haubentaucherpärchen auf dem Weiher unterwegs ist, und wie ich nach ein paar Minuten Beobachtung sehen kann, sogar mit Küken auf dem Rücken. Leider nur eines, aber immerhin.

Ohne (schwimmendes) Tarnzelt oder zumindest mit Camouflage-Decke flach am Uferboden ist es schwierig, auf echte Tierportraitnähe an die meisten Wasservögel heran zu kommen, so muss ich mich bei mittelguten Beleuchtungsverhältnissen auf ein paar entfernte Fotos vom Weg aus begnügen – dafür um so happier, endlich mal die Fütterung des Kükens auf dem Rücken des Partnervogels sehen zu können.

Keine Ahnung, wie schon wieder über vier Stunden vergangen sein konnten. Aber es ist schön draußen zu sein, zwischen den ganzen Vögeln und in der Sonne, praktisch ohne andere Spaziergänger und ganz ohne auf die Zeit schauen zu müssen. Ich mache noch ein paar Fotos, und als Sahnehäubchen steht als ich nach Hause komme auf der frisch gemähten Wiese des Bauern ein Storch, zum allerersten Mal in all den Jahren, was meine Zuhause-Vogelartenliste auf 56 bringt – davon bis auf den Pirol auch alle „seit Corona“.

Und jetzt erst mal das neue Album von Dota durchhören.