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Autofriedhof

Mittlerweile bin ich wieder eine Woche zurück aus dem Urlaub in Schweden. Die zwei Wochen, unser erstes Mal dort, taten unglaublich gut und waren sowas von nötig – mit über einer Woche hat es noch nie so lange gebraucht, bis meine innere Dauerunruhe und Erschöpfung halbwegs abgelegt waren.

Der neue Job fängt auch sehr gut an, viele spannende Themen zu lernen, demnächst vermutlich auch endlich mal Kundenbesuche, und vor allem sorgt die extrem reduzierte Zahl an Meetings jeden Tag dafür, dass ich abends seit langem mal wieder das Gefühl habe, konzentriert etwas geschafft zu haben.

Für ein Reisetagebuch/-blog war diesmal kein Platz in meinem Kopf, aber mit dem fortschreitenden Sichten der Fotos werden vielleicht ein paar unchronologisch sortierte Blogeinträge draus, beginnend mit einem Autofriedhof im Moorwald. Ein Autoteilehändler hatte jahrzehntelang die ausgeschlachteten Karossen einfach auf seinem Grundstück im Wald rund um die Hütte abgestellt, in der er lebte. So sammelten sich im Laufe der Zeit dutzende Autos aus den 50er-70er Jahren an, vor allem PKW, aber auch ein Bus oder Traktoren. Nach dem Tod des Händlers gab es etwas Hin-und-Her, weil Metall, Kunststoff und Öl natürlich nichts im Wald zu suchen gehabt hätten, doch schließlich stimmten die Behörden zu, den wilden Schrottplatz aus kulturellen Gründen nicht zu beseitigen, so dass die Autos nun bis 2050 weiter vor sich hin rosten dürfen.

Leider haben sich auf dem frei zugänglichen Gelände inzwischen auch Vandalen ausgetobt, so dass über den natürlichen Verfall hinaus von den meisten schönen Karosserien nicht mehr allzuviel übrig ist. Beeindruckend und atmosphärisch ist der Ort natürlich dennoch, und es hat viel Spaß gemacht, dort bei wunderbarem Licht mit meinem neuen Objektiv* herumzupirschen. Und nicht zuletzt fanden wir in dem Waldstück auch noch kleine, unglaublich aromatische Blaubeeren, von denen wir eine Handvoll für Frühstückskornflakes mitnehmen konnten.

*: ein 35mm Objektiv mit Offenblende 1.4. Ich habe zwar ein technisch gutes Zoom von 24-105 mm mit Blende 4, aber das hat sich in der Vergangenheit als genauso praktisch wie komplett uninspirierend herausgestellt. Mit Festbrennweite verlagert sich das Zoomen zwar in die eigenen Beine, aber nicht nur zwingt sie dadurch, sich wieder bewusster mit Bildaufbau zu beschäftigen, das Objektiv kann durch seine große Offenblende auch traumhaft die Vorder- und Hintergründe verwischen, was ich gerade bei dieser Brennweite und solchen Reportage-artigen Motiven wunderschön finde.

Ein Morgen am Teich und auf den Feldern

Wieder einmal nur vier Stunden geschlafen, und wenn man dann irgendwann merkt, dass man auch nicht mehr einschlafen wird, kann man bei dem schönen Licht auch gleich die Kamera packen und raus. Da ich keine Lust auf lange Fahrten habe und schon länger keine Morgenrunde mehr dort gelaufen bin, geht es auf die benachbarten Felder und zum kleinen Bewässerungsteich der Bauern, der seit jeher eine erstauliche kleine ökologische Oase ist.

Schön, dass es heuer wieder einigermaßen viele Feldlerchen und Schafstelzen gibt. Weniger schön, dass es so wenige Kiebitze sind, deutlich weniger als im vergangenen Jahr. Ansonsten haben am Teich offenbar erfolgreich Enten, Blässhühner und Flussregenpfeifer gebrütet, die Feldhasen chillen auf den Salatfeldern und ein großer Schwarm Feldsperlinge bedient sich am Getreide.

Es tut gut, draußen bei den Vögeln zu sein. Die letzten drei Arbeitstage vorm Urlaub werde ich jetzt auch noch überstehen.

Ein Morgen bei den Bienenfressern

Ich hatte mir vorgenommen, in diesem Frühling den Bienenfressern etwas Zeit zu widmen, die ich bislang nur einmal vor zwei Jahren kurz gesehen hatte. Diese außergewöhnlichen Vögel, die aussehen, als wären sie in gleich mehrere Farbtöpfe gefallen, brüten in Deutschland zwar nur in kleiner Zahl, aber wohl klimawandelbedingt immer häufiger. Also Sonntag früh bei herrlichem Wetter Kamera und Bean Bag ins Auto geworfen und los. Nach einer Stunde Fahrt an einem Steinbruch in Mainfranken angekommen, steige ich erst einmal aus um die Friedlichkeit des menschenleeren Orts einzuatmen.

Gleich in der ersten Minute höre ich Nachtigall, Pirol, Kolkrabe, Kuckuck, Turteltaube und Bienenfresser. Alle an einem Ort! Wahnsinn. Der Rabe mit dem merkwürdig nacktem Gesicht fliegt über mich hinweg, auf dem Feld jagen zwei Turmfalken, im hohen Gras sitzt eine Goldammer und in der Ferne sehe ich auch schon ein paar Bienenfresser fliegen.

Die Zufahrt in den Steinbruch, wo sie ihre Bruthöhlen in die Wände graben, ist aus guten Gründen abgesperrt, deswegen fahre ich an eine Stelle, wo man von der Straße aus sehen kann, wie sie umherfliegen und sich auf dem maroden Zaun niederlassen, um dort gerade gefangene Insekten zu vertilgen, sich zu putzen oder auch nur einfach in der Morgensonne zu sitzen. Die Luft ist voll von ihren weichen „prüüh-prüüh“-Lauten, ich sitze völlig geflasht im Auto hinter meinem Tarnnetz und vergesse die Zeit.

Hier sitzen zwei auf ihren Zaunpfählen, von denen einer kurzerhand eine Runde dreht, um sich einen Brummer aus der Luft zu pflücken:

Hier ruft ein einzelner vor sich hin, nachdem er zuerst ein irgendwie nicht bekömmliches Insekt ausgespuckt hat:

Bienenfresser fressen tatsächlich Bienen, wofür sie eine eigene Technik entwickelt haben, vor dem Verspeisen das Gift aus dem Körper zu pressen. Aber sie fangen auch jede Menge anderer größerer Insekten im Flug, mit sehr viel Fotografenglück sogar einen Admiralfalter. Wenn man ein Bienenfressermännchen ist, wird eine so prächtige Beute jedoch nicht unbedingt selbst verzehrt, sondern zur Brautgabe, die dem Weibchen beweist, wie gut man in der Brutphase sie selbst und später auch die Nestlinge füttern kann. Was für ein Schauspiel!

Zum Schluss steige ich noch einmal vorsichtig auf der abgewandten Beifahrerseite aus und versuche, aus dieser Deckung die Vögel im Flug zu fotografieren, vor allem um ihre wunderbare Rückenfärbung aufs Bild zu bekommen. Leider fliegen sie schnell und haben von wenigen Schwebephasen abgesehen recht erratische Flugbahnen, zudem flimmert die warme Luft in der Sonne bereits so kräftig, dass ich nur einige sehr entfernte und unscharfe Fotos hinbekomme. Aber ich war ja nicht zum letzten Mal hier.

Auf dem Heimweg mache ich noch an anderer Stelle Station, wo unlängst Ortolane gemeldet wurden, eine Ammernart, die bei uns aufgrund Verlust ihres Lebensraums sehr selten geworden ist (während sie anderswo immer noch gefangen und verspeist werden 😠). Ich selbst habe sie noch nie gesehen, und das sollte fürs erste auch so bleiben. Immerhin jetzt mal gehört – zumindest, wenn ich der Vogelstimmen-Erkennungs-App trauen darf. Ich selbst hätte die Stimmen ohne weiteres für Goldammern gehalten. Auf dem Weg durch Streuobstfelder und einen Wald bin ich zudem noch einem schicken Raubwürger, einer außerirdisch anmutenden Blauflügel-Prachtlibelle und erstmals einem Waldbrettspiel begegnet, dessen korrekter Name ganz offensichtlich nur Schokofalter lauten kann. Was für ein schöner Morgen.

#FensterSafari im Frühling

Die Kamera liegt ohnehin immer schussbereit im Haus, aber im Moment muss man tatsächlich ständig aus dem Fenster schauen, um nichts zu verpassen. Bei Hasen, Fasanen, Turmfalken, Enten und eigentlich allen steht der Hormonpegel bis unter die Schädeldecke, und wenn sie sich nicht gegenseitig (die Partner*innen ab-) jagen, wird fleißig kopuliert. Hier ist was los.

Zwischendurch nahm eine Krähe ein ausgiebiges Ameisenbad auf der Wiese (zum ersten Mal beobachtet – auf dem quadratischen Bild sind sie gut zu erkennen), was sicher entspannender gewesen wäre, wenn nicht die wildgewordenen Hasen ständig durch ihr Badezimmer gerannt wären.

Zur Beruhigung ein Foto mit etwas gedämpfterer Natur aus den Mainauen bei Knetzgau, von gestern.