Ausgeschlafen und in aller Ruhe gefrühstückt, anschließend in die 11-Uhr-Messe in Kirkwall. Die kleine, heimelige Kirche war komplett voll. Der Pfarrer hatte uns eine Woche zuvor schon erzählt, dass die Gemeinde zu einem großen Teil aus Zugezogenen besteht. Ein bisschen Diaspora-Gefühl, so als Katholik in der Minderheit, was aber sicher auch die Bindung innerhalb der Gemeinde erhöht. Nach der Messe wurden wir vom Pfarrer, der uns sofort wiedererkannte, sehr freundlich zu Kaffee und Tee eingeladen, was wir aber ebenso freundlich ablehnten – uns war irgendwie nicht nach vielen fremden Leuten. Beim Rausgehen fiel mir ein Plakat mit unabhängigen Kontaktstellen für Opfer und Zeugen von Misshandlung oder sexuellem Missbrauch auf. Etwas Ähnliches hatte ich auch schon in Krankenhäusern in England gesehen. In Deutschland noch nie, weder in Gemeinden noch Krankenhäusern. Oder kennt ihr so etwas? Ich finde das gut; nicht nur praktisch wegen der genannten Anlaufstellen, sondern auch weil es deutlich macht, dass die Einrichtung, die das aufhängt es ernst meint mit dem Kampf gegen (sexualisierte) Gewalt, anstatt die Kontrolle über ihr Image behalten zu wollen.
Am Nachmittag fuhren wir zur unserem Cottage nächstgelegenen Meeresbucht, wo Skara Brae liegt, eine große frühsteinzeitliche Ausgrabungsstätte mit angeschlossenem Museum. Um die originalen und auf Wällen rundherum zu besichtigenden Kugelhäuser des Dorfs nicht zu belasten, hat man eines neben dem Museum nachgebaut – sehr beeindruckend zu sehen, dass Menschen vor 5000 Jahren nicht viel anders gehaust haben als zu unserer Zeit: Eine Feuerstelle in der Mitte des Raums, Bettkojen rundherum, ein Regal für dekorative und wichtige Gegenstände. Oder ganz ähnlichen Schmuck hatten wie Halsketten mit Tierknochen… Interessant auch, dass man keine Waffen gefunden hat, wenn man von den Werkzeugen absieht, die man für den Tier- und Fischfang brauchte. Warum die Siedlung nach einigen Jahrhunderten aufgegeben wurde und irgendwann von Sand und Dünen bedeckt Jahrtausende in Vergessenheit geriet, ist ungeklärt.
Zur Eintrittskarte gehörte auch die Besichtigung eines benachbarten Guts, in dem der adelige Entdecker der Siedlung wohnte (und seine Nachfahr_innen noch bis in die 90er Jahre). Ein bisschen Downton-Abbey für Arme. Aber hübsch, so ein Anwesen am Meer.
Wenige Kilometer weiter südlich bei Yesnaby liegt ein besonders malerischer Abschnitt der Westküste Mainlands, mit natürlichen Höhlen, Bögen und einer stehen gebliebenen Felsnadel mit dem Namen Yesnaby Castle. Wir wanderten ein Weilchen dort entlang und machten eine Pause mit Tee aus der Thermoskanne. Zurück am Auto fuhren wir noch ein bisschen im Abendlicht durch bislang noch nicht gesehene Gegend, bevor wir einigermaßen hungrig zurück zuhause ankamen. Es gab Lammscheiben vom Orkney-Lamm und Gemüse.
Im Kirchenbrief einer katholischen Münchner Pfarrei habe ich letztens die Kontaktdaten bei sexuellem Missbrauch gefunden. Und nicht nur versteckt als Fußnote, sondern auffällig zentral.
Ah, sehr gut! Vielleicht tut sich ja doch ein bisschen was. (Notiz an mich: Mal in der eigenen Gemeinde nachhaken.)