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Tag 6: erste Normalität

Gut durchgeschlafen und erst vom Wecker wach geworden. Statt Draußen-Frühsport eine Aufwärmrunde Herumhüpfen mit Tennisbällen, die zum Schluss tatsächlich in Jonglieren endete. Habe dabei ständig gekichert – wie können so simple Koordinationsaufgaben (Beispiel: linker Arm kreist, rechter wirft den Ball immer wieder hoch und fängt ihn) so viel Konzentration erfordern? Dazu 15 Minuten nach dem Aufwachen, wo ich normalerweise froh bin, die Kaffeetasse nicht fallen zu lassen. Auf jeden Fall spaßig.

Nach dem Frühstück ein Vortrag des Sportlehrers über Muskelarbeit, Training und Energie. Danach für unsere Gruppe Laktatmessung. Im Minutenabstand radeln alle auf ihrem Ergometer los, um nach zehn Minuten auf ihren Trainingspuls zu sein, und nach weiteren zehn Minuten mit diesem Puls wird ein Tropfen Blut aus dem Ohrläppchen abgenommen und ein Gerät bestimmt den Laktatwert. Ist er bei 3 (Einheit weiß ich gerade nicht), ist das gut: Die Muskeln erzeugen so viel Milchsäure beim Abbau von Kohlehydraten wie der Körper noch gleichzeitig gut abbauen kann, also kann man bei diesem Puls Ausdauersport betreiben. Ist der Laktatwert niedriger, ist der Trainingseffekt auf Herz & Kreislauf noch nicht optimal. Ist er höher, kommt man zu früh in die Erschöpfung. Meiner war 5, also wird mein Trainingspuls sicher nochmal nach unten korrigiert. Das erklärt für mich auch einen Teil meiner Unfitness: So lange noch mein Puls so schnell so hoch über den optimalen Bereich schnellt, ist es kein Wunder, dass ich leicht schlapp mache.

Nach dem Mittagessen eine Entspannungsübung mit progressiver Muskelentspannung nach Jacobson. Natürlich inklusive einiger Leute, die wegnickten (wurden geweckt). Ich war insgesamt etwas underwhelmed. Ja gut, die entsprechenden Körperbereiche fühlen sich kurz warm an, aber die Gesamtentspannung war jetzt nichts, was ich nicht selbst durch bewusstes Entspannen bislang teilweise besser hinbekommen habe.

Ungünstig war auf jeden Fall, dass wir direkt anschließend knapp zwei Stunden Nordic Walking hatten, wieder durch den Wald rund um den Ort, und mit einigen Steigungen, während ich ganz gerne nur irgendwo gesessen und einen guten Cappuccino geschlürft hätte (den ich sowieso etwas vermisse). Aber es war dann auch schön, habe mich gut mit einem Kollegen unterhalten, zwischendurch kam auch mal die Sonne raus, und letztlich wird dieses dauernde Trainieren auch langsam normal.

Abends gab es Spaghetti, ich habe die vegetarische Sauce statt Bolognese genommen. So ein ganzer Teller Nudeln, das tat gut. Überhaupt ist die Küche hier prima, sowohl Auswahl als auch Geschmack und Optik sind einwandfrei.

Hier ein typischer Zettel, was man sich – von Tag zu Tag – selbst aussuchen kann. Auch eine gute Sache: Ich finde, die Leute sind erwachsen und es hilft ihnen für den anschließenden Alltag mehr, ihre eigene Entscheidung zu treffen, was sie essen wollen, als drei Wochen irgendeine Reduktionskost zu verordnen, wie es wohl an einem anderen Standort dieses Trainings üblich ist.

Tag 5: Es wird besser

Vor 23 Uhr eingeschlafen, um 2 Uhr aufgewacht und seitdem wach. Und das komischste, es hat mir nichts ausgemacht. Irgendwie fühlt es sich so an, als ob mein Körper gerade einfach auf einer anderen Drehzahl läuft.

Vor dem Frühstück die inzwischen übliche Runde durchs Dorf mit Gymnastik. Ich bilde mir ein, schon etwas beweglicher und fitter zu sein.

Nach dem Frühstück der erste einer Reihe von Vorträgen eines Psychologen. Es geht um Burnout, Stress, seine Bewältigung und Ressourcen. Er macht seine Sache gut und wird offenbar auch von den Kollegen angenommen. Abends wird es diese Woche Gruppengespräche geben, und wenn man will, kann man auch ein Einzelgespräch mit ihm oder seiner Kollegin führen; es kann um alles mögliche gehen und muss nichts mit Firma und Beruf zu tun haben. Ich habe mich entschlossen, das nicht in Anspruch zu nehmen. Ja, ich bin sicher in einer beruflichen Kurz-vor-Umbruch-Phase, aber diesmal weiß ich ganz gut, wie ich damit umgehen kann und was meine nächsten Schritte sind. Und über die Arbeit hinaus gibt es gerade kein Thema.

Danach etwa eine Stunde Nordic Walking. Das war anstrengend und mein Puls ging zwischenzeitlich selbst auf fast gerader Strecke schon wieder in die 150er, aber irgendwie kam ich gut klar. Wenn man hinzunimmt, dass ich gestern auf dem Ergometer bei gleichem Trainingspuls und Umdrehungen mit der anderthalbfachen Wattzahl von Donnerstag gefahren bin, scheint mein Kreislauf einfach schon in den wenigen Tagen Fortschritte gemacht zu haben. Ist das nicht großartig, was man seinem Körper alles zumuten darf?

Am Nachmittag endlich mal eine Vorstellungsrunde in unserer Gruppe – wir sind immerhin 22 Leute. Ihre Namen habe ich mir nach dem Namenslernspielchen als Einziger sofort und komplett gemerkt. Was mich einigermaßen verblüfft hat, denn im Namen- und Gesichtermerken bin ich sonst grottenschlecht.

Das Beste war heute die ganze Stunde Wirbelsäulengymnastik mit großem Ball und Isomatte. Fordernd, aber bei jeder Übung merkte ich, wie sehr ich genau diesen Gleichgewichtsausgleich und die Kraft in Bauch, Beinen, Rücken und Armen brauche. Danach eine neue Stunde Wassergymnastik, auch schon wieder weniger anstrengend. Dieses Gefühl tut mir so gut.

Heute abend war noch ein Gruppengespräch unter Moderation des Psychologen zum Thema Stressbewältigung, was auch hilfreich war. Und jetzt lege ich mich hin und hoffe, dass ich trotz allem wieder normal durchschlafe. Die Biorhythmus-Stolperer durch die Zeitumstellung kommen nächstes Wochenende noch früh genug.

Tag 4: frei

Der Sonntag ist hier komplett zur freien Verfügung, ohne Programm. Sankt Blasien samt Dom wollte ich ohnehin sehen, warum also nicht gleich zur Sonntagsmesse. Nach dem Frühstück ca. 5 km hingelaufen, mutterseelenallein im Nebel, vorbei an kleinen stillgelegten Skiliften. An einer Dorfkirche zehn Minuten lang dem vierstimmigen Geläut gelauscht (geschätzt h-c#-d#-f#) oder vielmehr dem Oberton-Cluster, das sie erzeugten. Also diesem schwebenden, atmenden, sphärischen Klangteppich aus Obertönen, bei dem die einzelnen Schläge in den Hintergrund treten. Dieser Klang flasht mich immer wieder, wie ein Fenster in eine andere Welt. Und das Gleiche dann noch einmal eine Stunde später unten im Dom von Sankt Blasien, natürlich mit viel tieferen Glocken.
Mein Lieblingsarchitekturstil ist das ja nicht, dieser klassische Protz mit dicken Säulen und überall Marmor. Aber die Kuppel ist schon beeindruckend – auch wenn die 62 Meter Höhe des Doms im engen, steilen Tal komplett verlorengehen.

Noch einen Cappuccino im Café getrunken, dann mit dem Bus rechtzeitig zum Mittagessen wieder zurück im Hotel. Den Rest des Tages gelesen, Musik gehört, eine Runde Ergometer gefahren, jetzt noch ein Tatort, dann ist das Wochenende schon zuende. Sehe der nächsten Woche gespannt entgegen.

Tag 3: Wandern und Ausruhen

Vor dem Frühstück wie immer durch den Ort, diesmal mit Stöcken. Die Gymnastikeinheit wegen des Regens in einer kleinen, schummrigen Tiefgarage absolviert. Schräg.

Wer zum Teufel ist Ermine?

Nach dem Frühstück wieder raus in den Regen und Temperaturen knapp über Null, um zwei Stunden lang zu wandern, wohlweislich in der langsameren Gruppe. Wobei auch die mit ganz schön strammem Tempo und anstrengenden Aufstiegen lief, nur dass ich diesmal ganz gut im Mittelfeld war und nicht hinterherhecheln musste.

Der Großteil des Wegs verlief durch den Wald, das war schön. So wie die Möwe und mich ja überhaupt seit unserem ersten Island-Urlaub das Wandern und Umherlaufen in Wind und Regen nicht mehr abschreckt und wir uns mit „herrlichstes Islandwetter!“ auch zuhause gegenseitig motivieren können, trotzdem rauszugehen. Nur die letzten 2-3 Kilometer über die Felder waren heute doch ganz schön heftig, als einem die Sturmböen samt waagerechtem Regen den Atem verschlugen. Entsprechend kalt durchnässt und erschöpft angekommen und den programmfreien Rest des Tags daher konsequent nur noch mit Lesen und Sauna verbracht. Jetzt nach dem Abendessen ist mir warm und wohlig, und selbst der Muskelkater liegt schnurrend auf dem Sessel neben mir.