Ein paar unzusammenhängende Beobachtungen, ganz aus der oberflächlichen Perspektive des ausländischen Touristen, der sich nach zwei kurzen Urlauben etwas zusammenreimt und rumallgemeinert.
- Die Leute lieben es, ihre Fensterbänke zu verzieren. Ob mit Vasen, Skulpturen, Kaffeekannen oder den Buchstaben L-O-V-E (Ikea?), fast immer wird der Platz für Dekoratives genutzt. Hilfreich ist dabei sicher, dass sich isländische Fenster im Allgemeinen nicht öffnen lassen; sie haben allerhöchstens ein schmales Seitenfenster oder Oberlicht, das sich mittels hakeliger Stängchen auf Kipp stellen lässt. (Und das bei diesem feuchtkalten Atlantikklima – wenn das die stoßlüftfanatischen Vermieter unserer früheren Wohnung wüssten!) Wobei man selten den Eindruck hat – trotz der guten Sichtbarkeit von außen – die Objekte stünden dort, um irgendjemand anderem als den Bewohnern selbst zu gefallen. Auch die Häuser selbst werden gerne mit Symbolen individualisiert, oder Namen und Baujahr, oder gleich ganzen Gemälden.
- Die Menschen, die wir getroffen haben, waren eigentlich immer freundlich und offen. Nicht überschwänglich oder jovial, immer eher etwas zurückhaltend, aber oft bekommt man ein Lächeln, später auch schon mal einen trockenen Scherz, und irgendwie wirkten die meisten IsländerInnen im Grunde, altes Wort, heiter. Sogar noch, wenn sie sich aufregen und rohrspatzenhaft schimpfen wie der Busfahrer über die bekloppten Touristen, die nicht einmal Parkplatzpfeile verstehen.
- Diese insgesamt positive Grundhaltung schlägt offenbar auch im Umgang mit gesellschaftlichen Konventionen durch. Man hat den Eindruck, in einem liberalen Land zu sein, in dem unterschiedliche Lebensentwürfe, sexuelle Orientierungen und so weiter ihren akzeptierten Platz haben. Natürlich gibt es wie überall auch Ärger, Vetternwirtschaft, Missgunst, wie wir zum Beispiel in Gesprächen mit einer vor Jahrzehnten eingewanderten Deutschen so mitbekamen. Aber vielleicht ist es gerade die Winzigkeit dieser Gesellschaft (ganz Island hat ungefähr so viele Einwohner wie Wuppertal), in der jeder jeden kennt, man sich nicht einfach so aus dem Weg gehen kann, stark aufeinander angewiesen ist, und man andererseits aber auch von Kind auf lernt, Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen, die dafür sorgt, dass Menschen hier gelernt haben zu leben und andere leben zu lassen?
- Schuhe aus! Ob in Privatwohnungen, Schwimmbad oder sogar großen Schulen, hinter der Eingangstür stehen grundsätzlich Regale, in die man als erstes nach dem Reinkommen seine Schuhe stellt. Die Beschaffenheit des Wetters und der Landschaft könnten eventuell zu dieser Tradition beigetragen haben.
- Jeder Ort hat ein öffentlichen Schwimmbad, das mindestens aus ein bis zwei Außenbecken mit heißem Wasser besteht, den Hot Pots. Und „Ort“ heißt in Island oft genug nicht mehr ein paar hundert Einwohner. Diese Hot Pots sind eine Institution, kosten – verglichen mit deutschen Schwimmbädern – fast nichts und sind der Treffpunkt schlechthin. In Italien trifft man sich abends auf der Piazza um zu ratschen, zu flirten oder die Kinder spielen zu lassen, hier sind es die Hot Pots. Die übrigens umso schöner werden, je kälter und ungemütlicher das Wetter ist. Strategischer Vorteil Islands ist dabei natürlich die unerschöpfliche, billige Energie aus der Erde.
- Um ins Schwimmbad zu dürfen, muss man übrigens grundsätzlich nackt duschen und sich – auf lustigen schematischen Tafeln mit roten Punkten markiert – an allen Problemzonen einseifen. Was angesichts der keimfreundlichen Badetemperaturen sicher eine gute Idee ist.
- Island wird offenbar, was Cafés, Geschäfte, Supermärkte, Servicebüros und sonstige Stellen mit Kundenkontakt angeht, im Wesentlichen von 20-25jährigen Frauen betrieben. Die im Übrigen sehr ähnlich aussehen mit ihren meist langen, glatten, blonden Haaren, die meist zu Dutts und so (ich kenne mich da nicht so aus) hochgesteckt sind.
- Über isländisches Brot muss man nicht viele Worte verlieren, außer, dass es – egal, wie knusprig und braun und voluminös es aussehen mag – immer die Dichte von Toastbrot hat. Dünnem Toastbrot. Zur Verteidigung lässt sich sicher sagen, dass auf Island kein Getreide wächst und es schon allein daher keine Brottradition wie bei uns geben kann.
- Der Isländer an sich scheint gerne zu grillen. Zumindest scheint ein Gasgrill auf der Veranda oder dem Balkon zur Grundausstattung zu gehören.
- In vielen Vorgärten stehen große Steine. Vor manchen brennt auch ein Windlicht. Ich habe keine Ahnung, vermute aber, dass es etwas mit in den Steinen wohnenden Elfen zu tun haben könnte. Die IsländerInnen nehmen diese Troll-Elfen-Sache irritierend ernst.
- Eine hervorragende Einrichtung, vermutlich auch dem Wetter geschuldet, sind die obligatorischen Suppenkübel in vielen Cafés. Man bekommt dort für wenig Geld eine schmackhafte, heiße Tagessuppe und Brot, und wie es aussieht ist auch der Nachschlag schon drin. Überhaupt ist Essen in Island überhaupt nicht so teuer, wie manche Stimmen meinen lassen. Natürlich zahlt man für manches Obst und Gemüse im Supermarkt höhere Preise, aber insgesamt ist das Preisniveau sowohl im Supermarkt als auch in der Gastronomie absolut angemessen für eine Insel, auf der so wenig wächst und außer Fisch, Lamm, Rind und etwas Gemüse quasi alles importiert werden muss.
- Man hat hier irgendeine Obsession mit kurzen Rasen. Alle irgendwie zu Häusern und öffentlichen Plätzen gehörenden Grasflächen sehen aus wie auf dem Golfplatz, und ständig mäht irgendwer irgendwo. (Und sei es ein Trupp jugendlicher Schüler auf Gemeinschaftsdienst.)
- Die Versorgung mit Breitband-Internet und Mobilfunk ist super, ganz besonders für ein derart spärlichst besiedeltes Land, so dass man sich fragt, was die Anbieterfirmen in Deutschland eigentlich so machen, beruflich.
- Island ist wohl eines der wenigen Länder, in denen exzessive Nutzung von Outdoorkleidung bis hin zu SUVs total angemessen sind. Wobei jetzt im Sommer die Outdoorkleidung natürlich eher den Touristen verrät. Bei 9 Grad, Wind und Nieselregen sieht man einheimische Kinder fröhlich in T-Shirt und kurzer Hose draußen spielen, und die Erwachsenen sind kaum wärmer angezogen. Von nackten Füßen in wanderuntauglichen Schuhen ganz abgesehen. Auch vierradgetriebene, jeepartige (meist japanisch/koreanische) Wagen sind angesichts vieler Schotterstraßen und widriger Schneeverhältnisse im Winter sehr sinnvoll. Sinnvoller jedenfalls als in mitteleuropäischen Großstädten.
Mich würde sehr interessieren, welche Beobachtungen ihr so gemacht habt.