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8.1. – Kälte, Achtsamkeit, Twitter

die Wetter-App zeigte nachts minus 17 Grad

In der Nacht zum Freitag. Mein lieber Schwan, so klirrend kalt war es Jahre nicht mehr. Gut, dass die Heizung seit kurz vor Weihnachten wieder einwandfrei läuft.

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Ich bin ja eher der Stirnband-Typ. Nicht nur sind mir Mützen fast immer zu eng (Hutgröße 60), sie machen auch Kopfschmerzen, und mich optisch, sagen mir mal, eher bemitleidenswert. Das Problem ist, dass man seit ein paar Jahren praktisch keine Stirnbänder mehr bekommt – von so superbreiten, knallbunten Dingern mal abgesehen, die so aussehen, als wäre man auf dem Weg zum nächsten Skilift. Andererseits gehen sie aber auch irgendwann kaputt (oder werden noch öfter von, äh, irgendwem liegen gelassen). Da ist es praktisch, jemanden an seiner Seite zu haben, die derzeit nach allem Möglichen sucht, was sie nähen könnte. Flauschig, maßgeschneidert, dezent, hach:

Stirnband

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Putting the mpfh in Strumpfhose.

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Bilanz Stunde der Wintervögel: 1 Fasan, 1 Mäusebussard, 2 Elstern, 2 Rabenkrähen, 3 Amseln, 8 Haussperlinge, 1 Hausrotschwanz, 4 Türkentauben. Keine Meisen oder Rotkehlchen. :-(

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Achtsamkeit, mindfulness. Das Wort liest man immer öfter, und ich dachte lange: Mensch schön, dass offenbar immer mehr Leute üben, achtsam gegenüber ihren Mitmenschen und ihrer Umgebung zu sein. Bis ich irgendwann merkte: Quatsch, es geht um schnöden Ego-Meditationskram. Der folgende Artikel hinterfragt sehr schön den Sinn davon, sich ganz auf den aktuellen Moment zu fokussieren. Und was es eigentlich heißt, wenn alle möglichen Unzufriedenheiten oder Unglück zur Frage einer persönlichen, wegmeditierbaren Einstellung gemacht werden:

What differentiates humans from animals is exactly this ability to step mentally outside of whatever is happening to us right now, and to assign it context and significance. Our happiness does not come so much from our experiences themselves, but from the stories we tell ourselves that make them matter.

But still, the advice to be more mindful often contains a hefty scoop of moralizing smugness, a kind of “moment-shaming” for the distractible, like a stern teacher scolding us for failing to concentrate in class. The implication is that by neglecting to live in the moment we are ungrateful and unspontaneous, we are wasting our lives, and therefore if we are unhappy, we really have only ourselves to blame.

Dazu passt ein Zitat aus diesem Longread, der sich damit beschäftigt, wie erstaunlich gut Meditation und Mindfulness in unsere Wirtschaftsordnung passen, sowohl was das Geschäft damit angeht, als auch die Einstellung, die ihr Inhalt in der westlich verwursteten Form vermittelt:

Detractors worry that secular mindfulness teachers have whitewashed the technique, dulling its self-critical edge. The management professor and Zen practitioner Ronald Purser pointed to a Stanford study that demonstrated that most workplace stress is caused by things like corporate dysfunction and job insecurity—not by “unmindful employees.” Corporations like mindfulness, he said, because it “keeps us within the fences of the neoliberal capitalist paradigm. It’s saying, ‘It’s your problem, get with the program, fix your stress, and get back to work!’ ”

Noch ein Longread, vielleicht der lesenswerteste, widmet sich dem verwandten Thema Zeitmanagement, wie es unser Leben ruiniert unter dem selbst auferlegten Zwang, unsere private und berufliche Zeit immer voller zu stopfen:

Technology […] meant that washing clothes no longer entailed a day bent over a mangle; a vacuum-cleaner could render a carpet spotless in minutes. Yet as the historian Ruth Cowan demonstrates in her 1983 book More Work for Mother, the result, for much of the 20th century, was not an increase in leisure time among those charged with doing the housework. Instead, as the efficiency of housework increased, so did the standards of cleanliness and domestic order that society came to expect. Now that the living-room carpet could be kept perfectly clean, it had to be; now that clothes never needed to be grubby, grubbiness was all the more taboo.

[…]

Personal productivity presents itself as an antidote to busyness when it might better be understood as yet another form of busyness. And as such, it serves the same psychological role that busyness has always served: to keep us sufficiently distracted that we don’t have to ask ourselves potentially terrifying questions about how we are spending our days. […]

You can seek to impose order on your inbox all you like – but eventually you’ll need to confront the fact that the deluge of messages, and the urge you feel to get them all dealt with, aren’t really about technology.

Ein Thema, das mich derzeit umtreibt. Einerseits schon kaum mehr aufnahmefähig außerhalb der Arbeit, andererseits der Trotz, mir dadurch nicht auch noch meine Freizeit vom Beruf nehmen zu lassen, und der Wunsch, möglichst viele andere Dinge auch noch zu tun, einfach weil sie mir gut tun. Also: Gut täten, wenn die Energie dafür nicht schon aufgebraucht wäre, und weil man irgendwann auch noch auf anderes zurückblicken möchte als nur Arbeit oder zuhause abhängen. (Vielleicht bin ich inzwischen doch in so etwas wie eine Midlife-Crisis geraten.)

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Die von mir sehr geschätzte Lindy West darüber, warum sie ihren Twitter-Account gelöscht hat:

Twitter, for the past five years, has been a machine where I put in unpaid work and tension headaches come out. I write jokes there for free. I post political commentary for free. I answer questions for free. I teach feminism 101 for free. Off Twitter, these are all things by which I make my living – in fact, they comprise the totality of my income. But on Twitter, I do them pro bono and, in return, I am micromanaged in real time by strangers; neo-Nazis mine my personal life for vulnerabilities to exploit; and men enjoy unfettered, direct access to my brain so they can inform me, for the thousandth time, that they would gladly rape me if I weren’t so fat.

I talk back and I am “feeding the trolls”. I say nothing and the harassment escalates. I report threats and I am a “censor”. I use mass-blocking tools to curb abuse and I am abused further for blocking “unfairly”. I have to conclude, after half a decade of troubleshooting, that it may simply be impossible to make this platform usable for anyone but trolls, robots and dictators.

Es ist beileibe nicht so, dass es nur amerikanische, prominente Guardian-Kolumnistinnen treffen würde, auch in meiner Timeline werden in den vergangenen Jahren immer mehr Frauen (auch ganz ohne prominente Rolle) teilweise über lange Zeiträume systematisch angegriffen, beleidigt und bedroht, einfach nur weil sie Meinung und Haltung haben und dafür von marodierenden Trupps von rechten Frauenhassern zum Ziel gemacht wurden. Die Zahl der Rückmeldungen seitens Twitter, man könne an diesem Vergewaltigungswunsch oder jener Bedrohung gegen Kinder einer Twitterin nichts Verwerfliches finden, sind Legion. Die Botschaft dahinter: Jeder darf auf Twitter sagen, tun und lassen, was er will*, ohne Konsequenzen, auch wenn andere Menschen – zumeist marginalisierte Nutzer*innen – damit ganz zum Schweigen gebracht werden.

(*Ausnahme: Die Rechte großer Firmen werden berührt, z. B. wenn Leute GIFs von sportlichen Wettkämpfen posten – die sind nach wie vor schneller gelöscht als jemand FIFA-Ethikkommission sagen kann.)

Die Unfähigkeit Twitters, seine Nutzer zu schützen, ist gewollt und gewissermaßen Teil seiner DNA. Und da der nächste U.S.-Präsident Twitter jetzt schon als sein Pressezentrum nutzt, sogar höchstpersönlich jeden Tag Firmen, andere Politiker, fremde Regierungen aber auch einfach nur schutzlose Privatleute angreift, wie es ihm passt, wird sich daran wohl wenig ändern, im Gegenteil. Ich fürchte, Propaganda und Hassbotschaften werden Twitter im Rahmen der anstehenden Wahlen z. B. in Deutschland noch viel unbenutzbarer machen,

Ich liebe Twitter, den unmittelbaren Austausch mit euch, und was ich dort von vielen klugen Köpfen in den letzten Jahren gelernt habe. Aber wo wird die Grenze dessen sein, was wir tolerieren wollen? Setzen wir unsere Accounts auf „privat“ und machen weiter? Schauen (oder ducken) wir einfach nur weg, so lange wir selbst nicht betroffen sind? Twittern wir nur noch Sprachspiele, Tierfotos und unverfängliche Alltagssachen?

Zwischen den Jahren

Was 2016 nicht so schön war: die Gesundheit. Die Hälfte des Schottlandurlaubs weitgehend invalid in der Unterkunft herumzuhängen, auch Wochen danach noch Tag für Tag mit Rückenschmerzen herumzuhumpeln, vom Arzt in anderer Sache Sätze wie „dafür sind Sie eigentlich noch zu jung“ zu hören – in dem Jahr wurde ich zum ersten Mal ernsthaft damit konfrontiert, dass mit der zweiten Hälfte der 40er auch der Körper nicht mehr so selbstverständlich und sorgenfrei funktioniert wie früher. Und kurz vor Weihnachten hat auch die Möwe nachgelegt. Nicht schön. Damit ist auch ein Thema für 2017 gesetzt: Nachhaltig fitter werden. Dass mein Arbeitgeber mir nach drei Jahren auf der Warteliste für diesen Frühling endlich den Termin für ein dreiwöchiges Gesundheitstraining im Schwarzwald zugeteilt hat, passt schon mal sehr gut.

Der geschenkt bekommene Noise-Cancelling-Kopfhörer kann seine Stärken angesichts spärlich anwesender Kolleg*innen zwar noch nicht ausspielen, aber verspricht ebenfalls eine gute Verteidigungswaffe Hilfe fürs Großraumbüro zu werden.

Ebenfalls hätte ich 2016 gerne darauf verzichtet zu erleben, wie viele Menschen sich darin gefallen, Hass, Rassismus und generell eine Spaltung der Gesellschaft zu akzeptieren, wenn nicht voranzutreiben. Brexit, Erdogan, Trump, AfD – die Lust an der Demontage von Minderheitenrechten und gesellschaftlichem Zusammenhalt ist trotz hoffnungsvoller Gegenmomente erschreckend. Ich bin dünnhäutig geworden und kann den Ton, mit dem selbst in der Kuschelgruppenecke meiner Twittertimeline direkt oder indirekt (z. B. in verlinkten Texten) auf andere eingedroschen wird, nurmehr schwer ertragen. Daher bleibt Twitter fürs erste aus und ich twittere sozusagen im Blog. Auch wenn das – verglichen mit meinen schon nicht übermäßig vielen Followern auf Twitter – hier quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit passiert. Aber seelisch muss ich dieses Jahr eine neue Balance finden und das Dämpfen täglicher Weltschmerzreize gehört dazu. (Ich weiß sehr wohl, dass es ein Privileg ist, das überhaupt tun zu können.)

Was 2016 schön war: Fünf Jahre nach dem Umzug endlich erste Schritte in der Kirchengemeinde getan. Gemeinsam mit anderen Gottesdienste vorbereitet, gelesen, sogar etwas vorgesungen. Liturgie war immer schon mein Steckenpferd, und diese Möglichkeit mich einzubringen hat mir gefehlt. Abgesehen davon, dass wir damit auch langsam im Viertel Wurzeln schlagen und schon eine ganze Reihe sehr freundlicher Leute kennengelernt haben.

2016 seit langem mal wieder viel Musik entdeckt und/oder über neue Alben gefreut:

Marble Sounds, „Toutou“ (melodiöser Pop aus Belgien)

Bon Iver, „Bon Iver“ und „22, A Million“ (ja, ich kannte bis zu diesem Jahr nur „Holocene“, der Hype nach ihrem ersten Album war ganz an mir vorbeigegangen)

Die Höchste Eisenbahn, „Wer bringt mich jetzt zu den Anderen“ (Die Band kannte ich bis zur Empfehlung durch @jholofernes auch noch nicht. Bisschen vernuschelter Gesang, aber schöne Textzeilen und herzerwärmende Arrangements.)

Dream The Electric Sleep, „Beneath the Dark Wide Sky“ (Hardrock mit guter Stimme, erinnert an bessere Sachen aus den 80ern)

Radiohead, „A Moon Shaped Pool“ (Lieblingsalbum des Jahres)

The Notwist, „Superheroes, Ghostvillains and Stuff“ (Super Album. Ich bin ja eher der Studioalbum-Typ, weil meist besser eingesungen und arrangiert. Aber was The Notwist live aus den Songs rausholt, ist großartig.)

Nico Muhly, „A Good Understanding“ (entrückende Chormusik)

Ich wünsche euch ein gutes Jahr.

Was schön war (18.10.2016)

Es tut gut, nach Jahren überhaupt mal wieder auf Fortbildung zu sein (die ersten 2 von insgesamt 12 Tagen bis zum nächsten Sommer) und das auf einem sehr hübschen Schloss oberhalb der Donau mit guter Küche. Dieser Kurs soll Nicht-Medizinern wie mir im Schnelldurchlauf Grundlagen der Anatomie, Physiologie und klinischen Disziplinen vermitteln. Reste aus Schulwissen und viele Details aus meiner Arbeit fügen sich gerade mit für mich neuen Erkenntnissen zu einem neuen Gesamtbild.

Wie verschiedene Regelkreise den Blutdruck beeinflussen, um ihn an den momentanen Bedarf anzupassen. Wie (meist durchaus unappetitlich anzusehende) Bindegewebe, Knorpel etc. perfekte Stütze, Schutz und Beweglichkeit ermöglichen. Wie sich die Natur physikalische Prinzipien im Körper zunutze macht, ob es z. B. um mechanische Kräfte oder Elektrizität geht. Wie aus Stammzellen alle möglichen Arten hochspezialisierter Zellen entstehen. Wie die Erbinformation in den Zellen symbolisch wie eine Folge kleiner Computerprogramme zur Bildung von Proteinen funktioniert, und ich unweigerlich an die Turingmaschine denken muss, diesen in den 30ern erfundenen hypothetischen Computer, wie er seine Codebänder entlangläuft – ganz wie die Ribosomen an der mRNA. Mit welchen Strategien der Körper versucht, mit Verletzungen wie z. B. Knochenbrüchen zurechtzukommen. Und so weiter.

Die Rede vom Wunderwerk des menschlichen Körpers geht einem ja leicht über die Lippen. Aber heute habe ich echte Ehrfurcht verspürt, auf welche unglaublich komplexe und wunderbare Weise unsere Existenz überhaupt erst möglich ist.

22 Fragen

Ja genau, 22 und nicht 11, weil ich in den vergangenen Wochen insgesamt schon zwei mal mit Stöckchen beworfen wurde, nämlich einmal von der geschätzten früheren Blog-Nachbarin Sturmfrau und einmal von der lieben adelhaid. Sonst bin ich ja nicht so ein Fan von Blogstöckchen, aber die Fragen fand ich schön.

Sturmfrau möchte wissen:

1. Wenn Sie etwas doch ändern könnten, vom dem Sie zur Zeit überzeugt sind, dass es nicht zu ändern ist, was genau wäre das?

Der Trend, mit dem unsere Gesellschaft auseinanderdriftet und sich in einzelne, abgegrenzte Milieus aufsplittet, insbesondere auch in punkto Vermögen. Auch auf Privatschulen wächst eine in sich geschlossene Parallelgesellschaft.

2. In welchen Situationen fühlen Sie sich besonders lebendig?

Am Meer.
In der Begegnung mit frei lebenden Vögeln und anderen Tieren.
Mit anderen singend, am liebsten mehrstimmig.
Sowie eine, die euch nix angeht.

3. Wie würden Sie den Platz gestalten, an dem Sie leben, wenn Sie alle Möglichkeiten dazu hätten?

Er würde genauso Phasen der Gemeinschaft wie auch Rückzug erlauben. im hiesigen Wohnviertel ohne wirklichen Mittel- oder Anlaufpunkt überwiegt Letzteres – das kommt meinem Naturell zwar entgegen, aber andererseits kenne ich auch nach fast vier Jahren gerade mal die unmittelbar angrenzenden Nachbarn, was ich schade finde.
Ansonsten haben wir unser persönliches Traumhaus gefunden und innen so gestaltet, wie es uns gefällt: mit schön großem Koch- und Essbereich, bequemem Wohnzimmer, Platz im Haus für ganz viele Übernachtungsgäste (der durchaus schon mal mit Familie ausgeschöpft wurde), und rundherum einer schönen Mischung aus städtischer Infrastruktur und ländlicher Landschaft. Aber unsere Familien wohnen definitiv durch die Bank viel zu weit weg, die sollen alle her ziehen.

4. Was wünschen Sie sich für die Zeit Ihres Altwerdens?

Einen gesunden Tagesrhythmus zwischen Tun und Lassen. Dass unsere Gesundheit der Möwe und mir ganz viele schöne Jahre erlaubt. Enkel auf dem Schoß.

5. Wie sind die Menschen, mit denen Sie Ihr Leben teilen möchten?

Warmherzig. Vertrauensvoll. Offen, neugierig. Gerechtigkeitsempfindlich. Begeisterungsfähig.

6. Wie die, mit denen Sie es teilen?

So. Meinen Söhnen würde ich noch mehr Vertrauen und Offenheit wünschen.

7. Und wie sind die, mit denen Sie es teilen müssen?

Wenn man von der Möwe, meinen Söhnen und Freunden absieht, bleibt ja nicht mehr viel außer dem Büro (Nachbarschaft zählie ich jetzt mal nicht). Da begegnen mir viele, die sehr auf Besitzstände aus sind, die z. T. Angst vor Fremden und vor sozial schlechter Gestellten haben, gleichzeitig selbstverständlich in den entferntesten Teilen der Welt Urlaub machen und ihre vielfältigen Privilegien kaum wahrnehmen oder gar infrage stellen. Es gibt wohl auch deswegen zwischen meinem Privatleben und der Arbeit kaum Überschneidungen. Aber das ist okay.

8. Welche verlorengegangenen Eigenschaften vermissen Sie an sich selbst?

Das Musikmachen und -hören als zwingendes tägliches Bedürfnis.

Ansonsten bin ich froh, mich weiterzuentwickeln und dabei auch die eine oder andere Eigenschaft oder Verhaltensweise abgelegt zu haben.

9. Gibt es eine Überzeugung, an die Sie früher felsenfest geglaubt haben, die jetzt aber für Sie überholt ist? Wie fühlt es sich an, daran zu denken?

Früher war für mich selbstverständlich, dass alles Verhalten, alle guten und schlechten Dinge, die in der Welt passieren, von Individuen und ihren Intentionen abhängen. In den vergangenen Jahren habe ich gelernt, dass Gesellschaftssysteme eine ganz eigene, viel starrere Ebene bilden, auf der Macht, Ressourcenverteilung und Abhängigkeiten jenseits aller persönlicher Absichten und Handlungen zugewiesen werden. Heute ist mir daher manches von dem, was ich früher gedacht und von mir gegeben habe, etwas peinlich.

10. Womit befassen Sie sich, wenn Zeit keine Rolle spielt?

Wenn ich in entsprechender Stimmung bin und Licht und Umgebung passen: Fotografieren. In neuerer Zeit auch schon mal schwallartiges Seriengucken. Früher oft, heute nur noch sehr selten: Stundenlanges Herumklimpern und -probieren auf Gitarre oder Vibraphon.

11. An welchem Ort fühl(t)en Sie sich sich selbst am nahesten?

Am Meer. Oder in anderweitig atemberaubenden Landschaften. Kann aber auch eine kleine, alte Kirche sein.

 

Und adelhaid hat gefragt:

1.winter oder sommer?

Sommer. Glatter Sieg nach Tageslänge, Licht und Wärme – Winter kann zwar traumhaft schön sein, bedeutet aber viel zu oft nur wochenlang schwer bedeckte Himmel und nasskaltes Wetter.

2. gartenarbeit oder lieber nicht?

Gute Frage für einen, der sich den Nicknamen giardino gegeben hat. Seit unserem Umzug vor vier Jahren besitzen wir ja endlich selbst einen. Ungefähr seitdem sehe ich Gärten auch nicht mehr ganz so romantisch. Wenn mich der Anblick nervt, dann schneide ich schon mal die Sträucher oder mähe den Rasen, was sich anschließend auch gut anfühlt. Ansonsten bedeutet Gartenarbeit für mich aber nicht die Meditation und Entspannung als welche sie offenbar viele Menschen empfinden. Wenn es nicht ganz so dekadent wäre, würde ich einfach jemanden bezahlen, der sich um alles kümmert. Ein wenig perfekter, aber dafür pflegeleichter Garten reicht aber auch.

3. glück beim bahnfahren?

Ja, wenn Teil der Reise und ohne Zeitdruck. Aber auch großer Ärger und Kontrollverlustwut, wenn man ankommen möchte und stattdessen alles schiefgeht. Seit einem entsprechendem Erlebnis im legendären August 2003 mit ausgefallenen Klimaanlagen, nächtlicher Ankunft nach einer schier endlosen Irrfahrt und Fehlentscheidungen aufgrund falscher Informationen seitens Bahnmitarbeitern sowie einer niedergebrüllten Servicepoint-Mitarbeiterin (falls Sie das jetzt lesen und sich daran erinnern, ich bitte vielmals um Verzeihung!) fahre ich im Zweifelsfall lieber Auto und stehe vollkommen selbstverschuldet im Stau. Aber die langen Zugfahrten in den Kurzurlaub nach Venedig oder Padua in den letzten Jahren waren sehr schön.

4. wieviele sprachen sprichst du und warum?

Latein war erste Fremdsprache in der Schule, zählt aber nicht, weil trotz großem Latinum völlig verdrängt.
Französisch wegen der vielen Bretagne-Urlaube als Kind und Jugendlicher (und ein wenig in der Oberstufe) – reicht, um als Tourist zu überleben, aber eher nicht für längere Erzählungen oder Diskussionen.
Englisch natürlich als zweite Schulfremdsprache, aber erst richtig durch mittlerweile 24 Jahre Internet, 18 Jahre Beruf und inzwischen auch einiges an Filmen und Serien in Originalsprache. Vor allem auf der Arbeit muss ich jeden Tag mit Kollegen und manchmal Kunden aus der ganzen Welt kommunizieren, schriftlich wie mündlich.
Italienisch seit meinen Tourneen mit dem Chor aus Turin als Jugendlicher / junger Erwachsener, ganz ohne Lehrbuch oder Kurs gelernt, entsprechend flüssig und alltagstauglich, aber ganz schön holprig, wenn es um spezielle Themen geht. Wobei, neulich habe ich es sogar einigermaßen geschafft, einem Kunden mein Produkt und dessen Technik auf Italienisch zu erklären.
Seit ich die Möwe kennengelernt habe, spreche ich natürlich auch schon mal mit ihrer Mutter oder weiteren sardischen Verwandtschaft auf Italienisch. Sardisch selbst kann ich aber leider überhaupt nicht, da verstehe ich vermutlich sogar noch Spanisch besser.

5. krümelesser oder eher ordentlich?

Krümel und Unordnung. Und Teller ablecken.

6. was macht das geräusch von vorbeiziehenden gänsen mit dir?

Es zieht irgendwas in mir mit.

7. gibt es die liebe auf den ersten blick? (und hält sowas dann auch?)

Ja, gibt es. Wobei Liebe für die Dauer von Beziehungen vielleicht die beste und wichtigste Voraussetzung, aber nicht ausreichend ist. Hierzu müssen auch andere Wertvorstellungen, Interessen, Umgang mit Geld, Umgang mit Schwäche, Arbeitsverteilung, Selbstachtung und andere Dinge in Balance sein bzw. immer wieder gebracht werden.

8. wieviele fernbedienungen nutzt du um bewegte bilder auf dem fernseher sehen zu können?

Ha, seit ich (mit schlechtem Gewissen, weil der alte erst 9 Jahre alt und doch noch total gut(tm) war) einen neuen Fernseher habe, brauchen wir nur noch eine für den Fernseher sowie eine separate für den Player. Früher gab es noch eine mehr für einen Satellitenreceiver, und heute gehen die Geräte schon alle miteinander an und aus, inklusive der Soundanlage. Hätte nicht gedacht, wieviel Spaß das alles macht

9. brötchen, semmel oder schrippe (oder ganz was anderes?)?

Du maanst Weggla? Für mich als Zugezogenen vom Niederrhein/Ruhrgebiet immer noch Brötchen – und interessanterweise findet man hier alle Brötchenbegriffe auch in den Bäckereien, wo sie dann unterschiedliche Formen von Brötchen bezeichnen.

Wenn es um Frühstück geht, dann aber lieber einen Schokomuffin (nur den von der Möwe) oder einen Krapfen mit Puderzucker und Hagebuttenmark.

10. hafen oder alster?

Verstehe die Frage nicht. Als ehemaliger Duisburger mag ich sowohl große Häfen als auch Flussufer.

11. liebster wochenendablauf?

Samstag morgens leckeres Essen fürs Wochenende planen, einkaufen, den Tag über Dinge erledigen, abends was kochen, Schönes gucken, Sonntag lang schlafen, in die Kirche gehen, rausgehen / spazieren, Internet leer lesen, Kaffee, lecker kochen, Tatort. Alles gemeinsam mit der Möwe. Ja, so sieht ein gutes Wochenende aus.

 

Jetzt gehört eigentlich noch zum Spiel, den Kettenbrief nicht abbrechen selbst 11 Fragen zu formulieren und weiterzugeben, aber es ist nach Mitternacht und dieser Eintrag würde erst einmal wieder nicht fertig. Vielleicht später.