Wir ankerten im Loch westlich von Tarbert auf Harris, die Wolken hingen tief und es regnete fast ununterbrochen. Trotzdem gingen wir an Land, um in dem kleinen Fährörtchen an der Landenge von Harris spazieren zu gehen bzw. uns mit den anderen Mitreisenden recht bald lieber im trockenen Café mit WLAN einzufinden und bei einem Cappuccino mal Nachrichten zu lesen. Natürlich schauten wir auch im recht großen Harris-Tweed-Shop vorbei, wo die Möwe einen schönen blau-grünen, unkarierten Stoff für eine Jacke fand.
Am Nachmittag fuhren wir im Regen ein bisschen weiter die Küste hoch bis nach Loch Tamnabhaigh, einem bis auf ein großes Ferienhaus am Hügel weitgehend verlassenen Fleckchen Erde, und verbrachten den Rest des trüben Tages an Bord mit lesen, reden und natürlich essen. Ein ganzer Tag ohne ein einziges Foto!
Am nächsten Morgen war es immer noch grau, aber es hatte wenigstens aufgehört zu regnen. Wir gingen an Land und liefen ein wenig den Hügel hoch und wieder runter, wo es einige Ruinen alter Farmhäuser gab, aus denen schon die Bäume wuchsen. Auf einer etwas längeren Fahrt ging es entlang der rauhen Felsküste von Lewis gen Norden, immer begleitet von Seeschwalben und Basstölpeln. Schließlich ankerten wir in einer Bucht nahe Kneep mit wunderbarem, kilometerlangem Sandstrand grünem Wasser, und jede Menge Vögeln wie einem Eistaucher (der so aussieht, als hätte ihn jemand in den 50ern designed) und einem ganzem Schwarm Mittelsäger, die vorbeizogen. Wir wurden an Land gebracht und liefen den Strand entlang, wo es hübsche, kleine und sehr zerbrechliche Muscheln gab, die aufgeklappt wie Schmetterlinge aussahen. Und dann war dort ein Trupp Sterntaucher, die ich nur von Fotos kannte, ganz nah, und von Zeit zu Zeit sangen sie herzzereißend, fast wie Miauen. Wunderschöne Tiere. Ein paar der anderen waren ins Gelände hinter den Dünen gewandert und hatten sogar einen Wachtelkönig gehört.
Der Morgen begann mit herrlichem Sonnenschein, und ich konnte meinen Blick kaum von diesem grünen Streifen Wasser vorm Strand abwenden, was für eine Farbe. Nach dem Frühstück machten wir eine langsame Runde durch die ganze Bucht, wobei zu den Farben des Wassers und des Himmels auch noch Sonnenflecken über die baumlose, karge, braun-grüne Felsenlandschaft wanderten. Unterwegs sahen wir einen Steinadler, meinen ersten in freier Wildbahn! Wir fuhren nur ein kurzes Stück weiter die Küste hoch, um dann von Norden her in eine kleine, idyllische Bucht zwischen den Inseln Great und Little Bernera zu fahren, wo wir bis zum nächsten Morgen bleiben würden. Und dann kreiste schon wieder ein Steinadler majestätisch über uns, minutenlang im Aufwind ohne auch nur einen Flügelschlag. Unsere Bucht lag offenbar auf seiner täglichen Strecke, denn wir sahen ihn noch mehrfach bis zur Weiterfahrt.
Wir wurden mit Lunchpaketen versorgt (Sandwich, Obst, Schokoriegel, Tütchen Chips) auf Little Bernera abgesetzt und hatten ein paar Stunden, dort herumzuwandern, wo nur Schafe, Rinder und Kaninchen zu leben schienen. Nach kleinen Orientierungsproblemen meinerseits kamen die Möwe und ich endlich am Nordostufer aus, wo es den wunderbarsten Ausblick der ganzen Bootstour gab: Sonne und dunkle Wolken, grün und blau und sandgelb und außer uns Passagieren niemand weit und breit.
Nach unserem Picknick ging es zurück über teilweise recht sumpfige Wiesen zur kleinen Bucht, von wo aus uns Tim noch ein Stückchen weiter zu einem Strand auf Great Bernera brachte, wo wir – während die anderen irgendein Haus aus der Eisenzeit besichtigten – in der Sonne sitzen blieben. Die Attraktion des Strands, eine Gezeitenglocke am Ufer, blieb wegen der Ebbe leider nur ein tonloses Glockentürmchen. Zurück auf dem Boot gab es zum Dinner noch einen Regenbogen.