Archiv der Kategorie: Foto

Die Weiher, eine Woche später

Tage mit Sonnenschein sind derzeit nicht breit gesät. Als ich nach sechs von alleine wach werde, folge ich also dem Wink und fahre zu den Weihern von neulich abends – im Hinterkopf die Zwergdommel und natürlich den Kuckuck, aber auch die verschiedenen Taucher sollten ihre ersten Küken haben und vielleicht schon mit ihnen auf dem Rücken unterwegs sein.

Kaum stelle ich das Auto am Feldrand ab, höre ich durch das offene Fenster schon einen Kuckuck ganz nah, er sitzt vielleicht 20-30 Meter weiter kurz auf einem Baum und ruft. Zum Glück liegt die Kamera schon auf dem Beifahrersitz, so dass ich jetzt zwar immer noch kein richtiges Portrait habe, aber immerhin einen annehmbaren ersten Versuch. So beginnt der Tag auf jeden Fall gut.

Von Zwergdommeln und Purpurreihern leider keine Spur, und auch die Nachtreiher scheinen sich irgendwo im unzugänglichen Bereich der Weiher aufzuhalten. Immerhin sehe ich später einen mit einem Zweig im Schnabel. Das wäre natürlich toll, wenn er tatsächlich hier nisten sollte.

Mehrere Kanadagansfamilien haben sich zusammengetan und betreuen gemeinsam ihre mittlerweile schon recht großen Gössel. Die Fluchtdistanz der Altvögel ist vielleicht gerade mal fünf Meter, sie lassen mich wirklich aus nächster Nähe stehen und ihren Nachwuchs fotografieren, ohne hektisch zu werden und ins Wasser zu fliehen. Das habe ich noch nicht erlebt. Und bei ihrem Ruf als recht aggressive Art hätte ich auch erwartet, dass sie mich vielleicht sogar angehen, so wie Schwäne, aber sie blieben gechillt.

Highlight heute ist eindeutig eine Haubentaucherfamilie. Vergangene Woche hatte ich das Foto auf dem Nest gemacht; heute sitzt dort schon ein Blässhuhn als Nachmieterin, während das Haubentaucherpärchen auf dem Weiher unterwegs ist, und wie ich nach ein paar Minuten Beobachtung sehen kann, sogar mit Küken auf dem Rücken. Leider nur eines, aber immerhin.

Ohne (schwimmendes) Tarnzelt oder zumindest mit Camouflage-Decke flach am Uferboden ist es schwierig, auf echte Tierportraitnähe an die meisten Wasservögel heran zu kommen, so muss ich mich bei mittelguten Beleuchtungsverhältnissen auf ein paar entfernte Fotos vom Weg aus begnügen – dafür um so happier, endlich mal die Fütterung des Kükens auf dem Rücken des Partnervogels sehen zu können.

Keine Ahnung, wie schon wieder über vier Stunden vergangen sein konnten. Aber es ist schön draußen zu sein, zwischen den ganzen Vögeln und in der Sonne, praktisch ohne andere Spaziergänger und ganz ohne auf die Zeit schauen zu müssen. Ich mache noch ein paar Fotos, und als Sahnehäubchen steht als ich nach Hause komme auf der frisch gemähten Wiese des Bauern ein Storch, zum allerersten Mal in all den Jahren, was meine Zuhause-Vogelartenliste auf 56 bringt – davon bis auf den Pirol auch alle „seit Corona“.

Und jetzt erst mal das neue Album von Dota durchhören.

After-Work Birding

Das schöne an der Sommerzeit ist, es kann halb sieben noch die Sonne scheinen, so dass man, wenn man endlich das Headset vom Kopf genommen und den Rechner zugeklappt hat, denkt: Oh Mann, schon wieder fünf Tage praktisch nicht aus dem Haus gekommen – ach, ich fahre noch mal zu den Weihern und schaue nach den Vögeln. Und dann sind es immer noch mehr als zwei Stunden bis zum Sonnenuntergang.

Kaum aus dem Auto, den Weg hinter den Weihern entlang stehe ich inmitten eines Schwarms Mauersegler, die sich über dem Feld an den unglaublich zahlreichen Insekten in der Luft gütlich tun. Ganz ohne ihr typisches Kreischen, ein ununterbrochenes, lautloses Flattern um mich herum, vielleicht 40-50 insgesamt. Das habe ich noch nie erlebt. Nachdem ich eine Viertelstunde nur begeistert rumstehe, versuche ich ein paar mit der Kamera im Flug zu erwischen. Die Trefferrate nicht komplett unscharfer und/oder am Bildrand abgeschnittener Segler fällt ins Bodenlose, aber ich freue mich trotzdem, ein paar endlich einmal in Ruhe betrachten zu können. Schließlich halten sie ja nie irgendwo still, sondern verbringen praktisch ihr ganzes Leben auf Highspeed im Flug.

An den Teichen, kleinen Inseln und Schilfrändern herrscht jetzt Hochbetrieb; alles balzt, brütet, füttert und fliegt eifrig herum. Nur die Kormorane dösen wie immer auf ihrem Baum und trocknen die Flügel. Mein Erzfeind, der Kuckuck, versucht mich wieder zu foppen, aber heute kann er mich gerne haben (bzw. habe ich ihn) und belasse es bei einem Foto aus der Ferne.

Mehrere Purpurreiher sind zu sehen, auch kein häufiger Anblick. Einer fliegt gerade los, als ich meine Kamera gezückt habe, worauf ich zum ersten Mal wahrnehme, wie dürre die sind.

Worauf ich aber hoffe, sind Nachtreiher oder Zwergdommel. Und tatsächlich, als ich den kleinen Pfad am zugewachsenen Graben entlang gehe, fliegt einer direkt vor meiner Nase vielleicht 15 Meter entfernt in einen Baum und schaut so, dass man nicht weiß: Denkt er, er sei zwischen den Zweigen unsichtbar, oder ist ihm klar dass ich ihn sehe? So nah bin ich einem noch nie gekommen, seit ich sie vergangenes Jahr zum ersten Mal überhaupt gesehen habe. Ich bewege mich fast nicht von der Stelle, mache glücklich Fotos und schleiche dann langsam davon um ihn nicht doch noch zu erschrecken.

Die Sonne verschwindet nun im Dunst noch hoch über dem Horizont, aber es ist weiter mild und windstill, und ich setze mich eine Weile an den Rand eines Weihers und genieße die Ruhe, die nur von den Vogelrufen und sehr entferntem Straßenlärm untermalt wird. Weiter weg stehen ein paar Störche am Wegrand und überlegen, wie sie den Abend ausklingen lassen.

Zurück am Wagen kommt ein anderer Birder mit Kamera vorbei und wir zeigen uns unsere Trophäen. Tatsächlich hatte er Pech mit dem Nachtreiher, dafür die Zwergdommel erwischt.

Ich muss demnächst wieder hin.

Buntspecht

„Schnell, Giardino, in den ersten Stock! Der Buntspecht ist wieder da!“ Gestern morgen hatte ich ein Foto von ihm verpasst, weil das Gartenhäuschen die Sicht auf die Nachbarsweide verdeckte, an der er auf Futtersuche herumklopfte. Heute früh gab er mir dann ein paar Minuten Zeit ihn zu beobachten, und auch die Nachbarin kam nicht mit dem Handy um ihn zu knipsen (woraufhin er gestern die Kurve kratzte).

Es ist ein Männchen, was man an dem roten Band im Nacken erkennt (bei den Weibchen ist die Stelle schwarz). Ist die Zeichnung nicht wunderschön?

Ein Morgen mit Nachtigallen

Urlaub. Das waren drei Wochen Costa Rica geplant für Mai 2020, dann umgewandelt in zwei Wochen Lewis & Harris im Mai 2021, dann Anfang des Jahres umgewandelt in je eine Woche Ferienhaus im Allgäu und am Bodensee, dann vor zwei Wochen wg. Beherbergungsverbot gekürzt in eine Woche zuhause. Die geplanten Fahrradtouren zu zweit zerfleddert gerade der Sturm. Ich weiß, das ist verglichen mit vielen anderen ein Luxusproblem, aber wir beide hätten die Erholung wirklich, wirklich nötig, und die ist in den eigenen Wänden gering, wenn der einzige Unterschied zu sonst das Nichteinschalten des Arbeitsrechners ist.

Gestern morgen war zumindest das Wetter noch schön. Die Möwe musste leider doch noch arbeiten, weil Corona ihre Arbeit gerade nicht in Ruhe lässt, so plante ich einen Vogelmorgen am Obermain. Fünf Uhr morgens war ich nach nicht mal fünf Stunden Schlaf knallwach, also los ins eine Autostunde entfernte Naturschutzgebiet Mainaue zwischen Bamberg und Schweinfurt, wo ich kurz nach Sonnenaufgang ankam und von Hasen auf den Feldern im Gegenlicht und einem vollen Vogelkonzert begrüßt wurde. Darunter mit als erstes ein Wendehals. Bis letzte Woche hatte ich noch nie bewusst einen gesehen oder gehört, am Samstag war ich dann gezielt zum nahegelegenen ehemaligen Truppenübungsplatz gefahren um welche zu finden – erfolgreich, siehe Foto – und seitdem ist ihr Ruf für mich klar mit ihnen verbunden. Früher habe ich ihn vermutlich unter Buntspecht oder so verbucht. Wie es so ist, wenn man etwas Neues lernt: Plötzlich nimmt man es überall wahr.

Was mich den Morgen nicht mehr verlassen würde war Nachtigallengesang. Um den ganzen See herum und später noch an zwei anderen Stellen war alles voll von ihren Trällern und Seufzern, alle hundert Meter die nächste. Oft so laut, dass man kaum die anderen Vögel hören konnte. Ich habe noch nie so viele an einem Tag gesehen und gehört. Wunderbar.

4 Minuten Gesangsvortrag (mit dem Handy aufgenommen), begleitet vom Zilpzalp, Gänsen und ein paar anderen Statisten

Am Ende habe ich beachtliche 58 Arten gezählt, die mir begegnet sind, darunter Rohrweihe, Pirol, Schwarzmilan, Mauersegler, ein ganzer Baum mit brütenden Kormoranen (auf dem Foto sieht man links schon eine Fütterung), ein ungleiches Gänsepaar aus Kanada- und Saatgans, Knäkenten und ansonsten allem, was der Mai bei uns an Arten dieser Landschaft bietet. Dabei fehlten noch jegliche Watvögel; vermutlich wusste ich aber nur nicht, wo schlammige Flachwasserflächen zu finden gewesen wären.

Und dann war da noch der Kuckuck. Wo Schilf ist, sind Kuckucke oft nicht weit; Teichrohrsänger gehören zu ihren bevorzugten Wirtsvögeln. Seit Jahren versuche ich vergeblich, einen nicht nur als verschwommenen kleinen Fleck aufs Foto zu bekommen. Sie flattern pausenlos von einer Warte zur nächsten, nicht vorhersagbar wo sie sich niederlassen, sind scheu und wenn sie mal in Fotografierweite sitzen, dann verdeckt hinter Zweigen. Ich hatte es mir ein Weilchen am Ufer des kleinen Sees bequem gemacht, um die Kanadagänse zu beobachten, da hörte ich ihn unmittelbar hinter mir ganz nah und ohne den üblichen Hall der Landschaft rufen. Ich wusste, wenn ich mich jetzt umdrehe, nimmt er mich wahr und haut ab. Ich versuchte es in Zeitlupe. Aus dem Augenwinkel saß er vier Meter weiter auf einem Ast, aber dann war er auch schon wieder weg. Irgendwann krieg ich dich, Freundchen!

Schöner Tag. Ich mag diese Landschaft sehr: Schilf, kleine Seen und Teiche, stille Flussarme, Wiesen, Hecken und kleine Auwälder, ganz ähnlich wie z. B. das Donauries bei Günzburg oder die Regentalaue bei Cham. Der kühle Wind ließ einen fast vergessen, wie kräftig die Sonne schon ist. Und im Gegensatz zu anderen Vogel-Hotspots wie z. B. der Goldbergsee in Coburg oder gar die Altmühlseeinsel bleibt man sogar weitgehend ungestört von anderen Spaziergängern, Radlern oder Joggern.