Ein Morgen am Großen Rußweiher

Unsere Espressomaschine hatte wieder rumgezickt; so wie vor vier Jahren schon flog wenige Minuten nach dem Einschalten der FI-Schutzschalter raus. (Licht aus im ganzen Haus ist jetzt im Sommer nicht das Problem – aber das WLAN!) Damals musste der Dampfboiler getauscht werden, das wird vermutlich auch jetzt wieder der Fall sein, was aber für die seit zehn Jahren heißgeliebte und täglich vielgenutzte Maschine auch ein zweites mal okay wäre. Das Problem ist, dass nur wenige Werkstätten sie überhaupt reparieren können. Den liebenswerten, aber vollkommen chaotischen Italiener aus Nürnberg wollten wir nicht mehr engagieren, um nicht wieder drei Monate auf die Reparatur warten zu müssen. Gekauft hatten wir sie in einem spezialisierten Laden mit Werkstatt in der Pfalz, aber dahin hätten wir sie verschicken müssen, was bei 28 Kilogramm heißt: per Spedition, und erst einmal eine geeignete Transportverpackung finde. Zum Glück hatte die Möwe diese Woche übers Internet einen Kaffeeladen samt Werkstatt in der Oberpfalz aufgetan. Eine gute Autostunde ist noch machbar. Und wenn man schon mal dabei ist, kann man auch gleich einen Abstecher zu einem der ältesten Naturschutzgebiete Bayerns einplanen, wo ich bislang erst einmal war.

Gegen sechs Uhr von alleine wach geworden, decke ich mich in der Bäckerei mit Kaffee und einem Küchle zum Frühstück ein und fahre los. Gegen halb acht bin ich dort und bis auf wenige Jogger*innen praktisch für mich alleine. Der See empfängt mich mit leichten Nebelschwaden und dem ununterbrochenen Lärmen der großen Lachmöwenkolonie. Entenfamilien verschiedener Arten ziehen am Ufer entlang, Haubentaucher und Kormorane tauchen nach Fischen und ich sitze erst einmal lange Zeit am Wasser und genieße die Stimmung.

Morgenstimmung am Rußweiher. Leider nur hand-held; nächstes Mal nehme ich mein Stativ wieder mit.

Rund um die Seen geht es durch den Wald und ich freue mich bei jedem Schritt über den gemulchten Weg. Im Murnauer Moos neulich war alles geschottert, dass man vor lauter Lärm der eigenen Schritte praktisch keine Natur mehr hörte. Grauenhaft. Auf einem Damm zwischen zwei Weihern setze ich mich auf eine Bank in die Sonne, die den Nebel inzwischen beiseite gewischt hat, und esse eine Kleinigkeit. Um mich herum rufen mal wieder zwei Kuckucke, und ich blicke direkt auf einen Baum, dessen obere Zweige eigentlich ideal für einen ihrer beständigen Standortwechsel sein müssten. Wie schön wäre das! Mit schussbereiter Kamera warte ich 20 Minuten, aber natürlich funktioniert das so nicht. Schließlich gehe ich weiter, komme an Seerosentümpeln vorbei, an Fingerhüten im Wald, an Pilzen und feinen Spinnweben, die in den Sonnenstrahlen aufleuchten. Von den im Vogelführer versprochenen Fischadlern und Blaukehlchen mal wieder keine Spur, aber das ist mir heute egal – ich bin nicht zum Artenfinden hier, sondern für diese Ruhe.

Da ich eine 8 um die Weiher laufe, komme ich ein zweites Mal an der Stelle mit der Bank vorbei und kann es kaum glauben: Der Kuckuck sitzt exakt auf dem Zweig, den ich zuvor in Gedanken für ihn ausgesucht hatte! Zwar bin ich jetzt weiter weg, als schön wäre, aber doch nah genug, dass er nicht nur als graugelber Fleck auf dem Foto landet. Jah-re-lang habe ich darauf gewartet! Nach einer Minute flattert er weiter, und glücklich laufe ich zum Wagen zurück.

In Weiden schleppe ich die Maschine in den Laden, wo sie die Angestellte mit der gleichen Freundlichkeit und Unkompliziertheit entgegennimmt, die sie schon zuvor in den Telefonaten gezeigt hatte. Zum ersten Mal in der Stadt, spaziere ich noch ein bisschen durch die hübsche Altstadt, wo zwischen Marktständen und außenbestuhlten Cafés jede Menge Leute versuchen, das Gefühl eines irgendwie normalen Sommers in der Stadt zurückzuerobern. Ich selbst auch, mit einem Spaghettieis zum Mitnehmen (erfolgreich).

Schließlich fahre ich in der Mittagshitze zurück, zufrieden über den schönen Sommermorgen und das Ende meiner Fehde mit dem Kuckuck. Ich muss nur zwischendurch auf einem Autobahnparkplatz halten und ein Viertelstündchen die Augen zumachen, weil die letzte Woche in der Arbeit wohl doch anstrengender war, als ich dachte.